Deutsche Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie

Knochen, Blutgefäße und komplexes Gewebe aus dem 3-D-Drucker

sp/pm
Zahnmedizin
Nach einer großen Resektionsoperation kann man die fehlenden Teile des Gesichts heute mittels Bioprinting ersetzen. Funktionsweise und erste Erfahrungen mit der Technik stellte die Deutsche Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie (DGMKG) heute auf ihrer Jahres-Pressekonferenz vor.

Bisherige Möglichkeiten

Im Kiefer-Gesichtsbereich sind Knochendefekte oder -defizite meist komplexe dreidimensionale Gebilde. Ein typisches Beispiel hierfür ist die Kieferspalte bei Patienten mit Lippen-Kiefer-Gaumenspalte. Auch Zysten oder Kieferabschnitte mit Knochenschwund beispielsweise nach Zahnverlust zeigen komplexe Formen, die keinen einfachen geometrischen Figuren gleichen.

Zur Deckung beziehungsweise Überbrückung solcher Defekte hat besonders in der kraniofazialen Chirurgie die Anfertigung von individuellen Implantaten (Scaffolds) zunehmend an Bedeutung gewonnen. Ihre Anfertigung erfolgt mittels computergestütztem Design und Fabrikation (CAD/CAM).

Die Materialien hierfür reichen von Titan und Keramiken, über Kunststoffe wie PEEK bis zu Hydroxylapatit. Bei den genannten Materialien ist jedoch jeweils ein Sinterschritt bei erhöhter Temperatur zur Stabilisierung notwendig, der zu einer hohen Resorptionsbeständigkeit führt, aber einer unmittelbaren Besiedelung mit lebenden Zellen während der Herstellung - also des Drucks - diametral entgegensteht. 

Es gibt aber auch Biomaterialien, die bei Raumtemperatur abbinden und aus denen Gerüststrukturen hergestellt werden können, was die Einbeziehung lebender Zellen in den Druckvorgang erlaubt. Ein geeignetes, klinisch etabliertes Knochenersatzmaterial ist zum Beispiel hier synthetisches, nanokristallines Hydroxylapatit in Form von Granulaten oder pastösen Kalziumphosphat-Knochenzementen. Trägermaterialien für Zellen sind dann Gele auf Agar-, Alginat- oder Fibrinbasis.

Gewebe - in individueller Form gedruckt

Eine aktuelle, vielversprechende Entwicklung ist der Druck biologischer Gewebe. Schon früh kam die Idee auf, die Gewebearchitektur mithilfe von 3-D-Druckern nachzubauen und dabei Zellen und extrazelluläre Matrix miteinander zu vermischen und entsprechend aufzubringen. Beim 3-D-Bioprinting werden beispielsweise aus Kalziumphosphatzement-Paste kombiniert mit einer Hydrogel-Zellsuspension Gewebekonstrukte für Knochen hergestellt.

Bioprinting vereint die computergesteuerte additive Fertigung, die eine exakte Vorgabe der Porenstruktur sowie - für die spätere klinische Anwendung entscheidend - eine individuelle Formgebung erlaubt, mit der Methode des Tissue Engineerings.

Mit der Anwendung des Bioprintings kann die Integration von mesenchymalen Stromazellen - also multipotente Vorläuferzellen von zum Beispiel Osteoblasten, Chondrozyten, Myozyten und Adipozyten in die Scaffolds schon während des Druckens und damit sehr homogen und nahezu verlustfrei erfolgen, was mit der konventionellen Besiedlung nach dem Herstellungsprozess nicht erreichbar ist.

Zusätzlich wurde ein Verfahren des 3-D-Druckens etabliert, mit dem sich direkt hohle Stränge erzeugen lassen. Solche könnten als Leitschienen für das Einwachsen von Gefäßen fungieren und damit die Blutversorgung der künstlichen Gewebe sicherstellen. Die schlauchförmigen Strukturen werden mit den geeigneten Zelltypen ausgekleidet, das ist zum Beispiel mit Endothelzellen denkbar, um so ein Knochengewebe herzustellen, das dem freien autologen Knochentransplantat entspricht.

Darüber hinaus ist die Herstellung von Weichgewebestrukturen denkbar, denn es wurde erfolgreich demonstriert, dass sich die so eingebetteten Stammzellen noch zu Adipozyten differenzieren und für über drei Wochen beispielsweise weiter kultivieren lassen. Das additive Verfahren des Bioprintings ermöglicht somit eine Fertigung von individuell an den jeweiligen Defekt angepassten Strukturen, die ein lebendes Gewebe darstellen.

Vorteile des 3-D-Bioprintings

Vor dem klinischen Hintergrund des Behandlungskonzepts für Patienten mit Lippen-Kiefer-Gaumenspalten, wo der Spaltverschluss schrittweise in mehreren Operationen erfolgt, ist eine direkte klinische Anwendung für den Patienten sehr von Vorteil. Im ersten Operationsschritt – dem Verschluss der Lippe – kann gut die Gewinnung beispielsweise von Knochengewebe erfolgen.

Die enthaltenen Zellen (Gefäßzellen, Knochenzellen, Stammzellen) können selektiert, getrennt kultiviert und im Sinne einer individuellen "Zellbank" kryokonserviert werden. Wenn dann der Verschluss der Kieferspalte ansteht, ist die Herstellung von individuell geformtem Knochengewebe mittels Bioprinting umsetzbar.

Dazu wird zunächst eine dreidimensionale Bildgebung der Kieferspalte erstellt. Auf Basis dieser Daten kann dann mittels Bioprinting aus Knochenzement, Hydrogel und kryokonservierten Knochen- und Gefäßzellen ein lebendes Knochentransplantat gedruckt werden. Dies können die MKG-Chirurgen dann zukünftig zur Kieferspaltosteoplastik anstelle des heute noch üblichen Transplantats aus dem Becken einsetzen - was den meist jungen Patienten die mit der Knochenentnahme verbundenen Schmerzen erspart.

Die Klinik für MKG-Chirurgie forscht gemeinsam mit dem Zentrum für Knochen-, Gelenk- und Weichgewebeforschung des Universitätsklinikums Dresden an der Technik des Bioprintings.

Melden Sie sich hier zum zm Online-Newsletter an

Die aktuellen Nachrichten direkt in Ihren Posteingang

zm Online-Newsletter


Sie interessieren sich für einen unserer anderen Newsletter?
Hier geht zu den Anmeldungen zm starter-Newsletter und zm Heft-Newsletter.