US-Studie

Parodontitis verschlimmert Morbus Crohn und Colitis ulcerosa

Kerstin Albrecht
Zahnmedizin
Es gibt offenbar Zusammenhänge zwischen entzündlichen Prozessen in der Mundhöhle (Gingivitis, Parodontitis) und des Darms (Morbus Crohn, Colitis ulcerosa). Studien der letzten Jahre haben immer wieder Hinweise darauf gegeben. Ein interdisziplinäres Team von US-Forschern präsentiert nun zwei mögliche Erklärungen für diese Zusammenhänge.

Der Seniorautor der US-amerikanischen Studie Nobuhiko Kamada, Internist und Assistant Professor in der Gastroenterologie des Universitätsklinikums von Michigan, erforscht seit Jahren das Mikrobiom im menschlichen Darm. Als er häufiger ortsfremde Bakterien im Darm von Patienten mit Morbus Crohn und Colitis ulzerosa entdeckte, die eigentlich in der Mundhöhle vorkommen, wandte er sich an die Universitätszahnklinik auf dem Campus in Michigan. So entstand ein interdisziplinäres Forscherteam, das diesen Befund nun in einem Mäusemodell reproduzieren konnte.

„Das normale Darmmikrobiom widersteht der Besiedlung ortsfremder Bakterien“, sagt Prof. Kamada, „doch bei den Mäusen mit entzündlichen Darmerkrankungen war das gesunde Darmmikrobiom gestört und sein Abwehrvermögen gegenüber pathogenen oralen Bakterien war abgeschwächt.“ Die Mäuse, die entzündliche Erkrankungen sowohl in der Mundhöhle als auch im Darm aufwiesen, litten an signifikant mehr Gewichtsverlust und Krankheitsaktivität.

Aktivierte Immunzellen wandern vom Mund in den Darm

Erklärung:

Bei vorhandener Parodontitis werden pathogene Bakterien wie Fusobakterien und Veillonellen-Spezies in größeren Mengen heruntergeschluckt. Sie treffen bei bestehenden entzündlichen Darmerkrankungen auf ein geschwächtes Darmmikrobiom und können dann verstärkt die Darmschleimhaut kolonisieren. Doch dieser Mechanismus scheint wohl nicht die einzige Ursache für die Verschlechterung der entzündlichen Situation im Darm zu sein. Parodontitis aktiviert eine spezielle Art der T-Helfer-Zellen, die TH17-Zellen in den oralen Geweben. Diese aktivierten Immunzellen wandern zu anderen Orten mit Entzündungen vom Mund in den Darm und triggern dort weiter die inflammatorischen Prozesse.

Das T-Zell-System ist darauf programmiert, über entzündliche und regulatorische T-Zellen Darmbakterien insoweit zu tolerieren, dass ein gesundes Darmmikrobiom im Gleichgewicht gehalten wird. Eine orale Entzündung erzeuge jedoch hauptsächlich entzündliche T-Zellen, die in den Darm wandern und weit entfernt von ihrer normalen Umgebung die Immunantwort des Darms auslösen – damit werde die Krankheit verschlimmert, so Prof. Kamada.

Parodontale Gesundheit ist wichtig, um eine Progression entzündlicher Darmerkrankungen zu verhindern

Dr. William Giannobile, Abteilungsleiter der Parodontologie und Oralmedizin an der Universitätszahnklinik von Michigan und Koautor der Studie betonte mit Blick auf die Ergebnisse der Untersuchung die Bedeutung der Mundgesundheit. Insbesondere die parodontale Gesundheit sei wichtig, um die Migration oraler Mikroorganismen in den Darm und eine Progression entzündlicher Darmerkrankungen zu verhindern.

Fazit: Die Forscher gehen davon aus, dass sich die im Mäusemodell gezeigten Effekte auch auf den Menschen übertragen lassen. Entzündliche orale Prozesse wie Parodontitiden und Gingivitiden sollten demnach bei bestehenden chronischen entzündlichen Darmerkrankungen unbedingt behandelt werden, um neue Krankheitsschübe zu vermeiden.  

Sho Kitamoto, Hiroko Nagao-Kitamoto, Yizu Jiao, Merritt G. Gillilland, Atsushi Hayashi, Jin Imai, Kohei Sugihara, Mao Miyoshi, Jennifer C. Brazil, Peter Kuffa, Brett D. Hill, Syed M. Rizvi, Fei Wen, Shrinivas Bishu, Naohiro Inohara, Kathryn A. Eaton, Asma Nusrat, Yu L. Lei, William V. Giannobile and Nobuhiko Kamada: “The Intermucosal Connection between the Mouth and Gut in Commensal Pathobiont-Driven Colitis“; Cell (2020),https://doi.org/10.1016/j.cell.2020.05.048

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