Larry Hench erfand 1969 das 45S5 Bioglass® als erstes künstliches Material, das eine chemische Bindung zu Knochen eingehen konnte. Forsback et al. führten das Material 2004 in die Zahnheilkunde ein, indem sie damit Dentinhypersensibilitäten behandelten. Bioglas bildet dabei eine Hydroxycarbonatapatit-[HCA]-Schicht, die die Dentintubuli blockieren [Bakry et al. 2013]. Es folgten eine Reihe von Anwendungsgebieten für Biogläser in der Zahnmedizin, doch die Wirkung auf Dentinkaries ist noch weitestgehend unklar. Chinesische Wissenschaftler untersuchten daher kürzlich die Wirkung von bioaktivem Glass auf eine künstlich erzeugte Dentinkaries in-vitro.
Material und Methode
Die Wissenschaftler verwendeten für ihre Studie insgesamt 40 kariesfreie Prämolaren, die aus kieferorthopädischen Gründen extrahiert werden mussten. Sie schnitten ein Millimeter dicke Dentinscheiben aus den Zahnkronen und demineralisierten diese, um künstlich eine Karies zu simulieren. Im Anschluss teilten sie jeweils zehn Dentinscheiben einer Versuchsgruppe zu und simulierten zweimal tägliches Zähneputzen mit einer elektrischen Zahnbürste und folgenden drei verschiedenen Wirkstoffen in den Putzsubstanzen:
- bioaktives Glas (Na2O2 4,5 Gewichtsprozent, CaO2 4,5 Gewichtsprozent, P2O5 6,0 Gewichtsprozent, SiO2 45 Gewichtsprozent).
- Natriumfluorid und Glycerinpaste (75 Prozent Natriumfluorid und 25 Prozent Glycerin).
- Casein Phosphopeptid-amorphes Calciumphosphat (CPP-ACP; CPP-ACP 10 Prozent; Ca-Gehalt: 13 mg/g; P-Gehalt: 5,6 mg/g).
- Entionisiertes Wasser
CPP-ACP und Natriumfluorid haben in Studien in der Vergangenheit so eindeutig ihr Remineralisierungspotenzial gezeigt, dass diese beiden Gruppen in dieser Studie als Positiv-Kontrollen fungierten. Die Gruppe mit dem entionisierten Wasser war dagegen die Negativkontrolle.
Alle Proben durchliefen einen 28-tägigen pH-Zyklus (4-stündige Demineralisierungslösung gefolgt von einer 20-stündigen Remineralisierungslösung) Die Oberflächenmorphologie der Probenkörper untersuchten die Wissenschaftler mit dem Rasterelektronenmikroskop. Die Remineralisierungstiefen detektierten die Wissenschaftler mittels konfokaler Laser-Scanning-Mikroskopie. Zudem maßen sie die Mikrohärte.
Ergebnisse:
Die Proben der Bioglas-Gruppe, der CPP-ACP-Gruppe und der Fluorid-Gruppe F wiesen härtere Oberflächen auf als die Negativkontrolle (entionisiertes Wasser). Die Remineralisierungszone beim Bioglas war signifikant höher als bei den anderen Gruppen. Das Bioglas förderte die Mineralablagerung und damit die Remineralisierung.
Bei diesem Studiendesign fehlt die biologische Komponente in Form von Bakterien. Zukünftige Studien sollten die antimikrobiellen Effekte von Bioglas in einem biologischen System untersuchen.
Schlussfolgerung:
Bioaktives Glas hemmt dieser Studie zufolge die weitere Demineralisierung bzw. fördert die Remineralisierung einer künstlichen Dentinkaries unter dynamischen pH-Zyklus-Bedingungen. Es könnte vielleicht eine Therapiealternative zu Fluorid bei der Behandlung von Karies sein.
Wie wirkt CPP-ACP?
CPP-ACP: Das Casein Phosphopeptid-amorphe Kalziumphosphat ist ein Milchprodukt. Das Casein-Phosphopeptid bildet mit amorphem Kalziumphosphat Nanocluster, die ein Reservoir an Kalzium- und Phosphationen bilden und so die Übersättigung des Speichels aufrechterhalten. Da CPP-ACP Kalzium und Phosphat in einer Lösung stabilisieren kann, puffert es den Plaque-pH-Wert. Der erhöhte Kalzium- und Phosphatgehalt in der Plaque, erhöht deren Konzentration in den Zahnläsionen unterhalb der Plaque. Dies führt zu einer Remineralisierung [Nairn Wilson, 2007].
Qiong Wu, May Lei Mei, Xin Wu, Shuya Shi, Yuting Xu, Chun Hung Chu, Yaming Chen: “Remineralising effect of 45S5 bioactive glass on artificial caries in dentine.“ BMC Oral Health. 2020 Feb 11; 20(1): 49. doi: 10.1186/s12903-020-1038-4.
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