Japanische Studie

Welche Rolle spielt die Zahngesundheit für unser Mikrobiom?

nb/pm
Zahnmedizin
Können Störungen der Mundgesundheit zur Entstehung systemischer Erkrankungen beitragen? Eine neue Studie aus Japan geht davon aus, dass sie sich stärker auf den Körper auswirken als bisher angenommen.

In der Studie beschreiben die Autoren, dass Bakterien der Oralflora den Darm kolonisieren, dort persistieren und durch eine Aktivierung des intestinalen Immunsystems zu einer chronischen Entzündung beitragen können.

Dies unterstützt die These, dass Störungen der Mundgesundheit zur Entstehung systemischer Erkrankungen beitragen könnten und sich damit stärker auf den Körper auswirken als bisher angenommen.

Das japanische Team um Koji Atarashi injizierte Speichelproben von zwei Patienten mit Morbus Crohn durch Sondenfütterung in keimfreie Mäuse. Eine der Speichelproben führte zu einem deutlichen Anstieg von T-Helfer-Zellen (TH1, IFN-g+, CD4+) in der intestinalen Lamina propria der Versuchstiere. Klebsiella pneumoniae (Kp-2H7) wurde als Hauptursache für die Akkumulation der TH1-Zellen identifiziert. Ein Großteil dieser Zellen war spezifisch für Klebsiella-Antigene (etwa OmpX).

Antibiotika begünstigen eine Fehlbesiedelung

In einem weiteren Versuch mit pathogenfreien Mäusen wurde eine Besiedelungsresistenz beobachtet, die durch die normale Darmflora hervorgerufen wurde. Das Darmmikrobiom wurde durch Antibiotikagabe (Ampicillin und Tylosin) gestört, so dass Kp-2H7 den Darm besiedeln konnte und TH1-Zellen im Colon und Caecum induzierte. Weitere Klebsiella-Arten (K. aeromobilis 11E12, K. pneumoniae Kp-40B3) hatten starke TH1-Antworten im Darm von den Versuchstieren zur Folge. Die Induktion der TH1-Zellen fand jedoch nicht in allen untersuchten Mäusestämmen statt, was auf eine genetische Suszeptibilität hindeutet.

Die Häufigkeit von Klebsiella-Spezies war bei Patienten mit Morbus Crohn, primär sklerosierender Cholangitis und Alkoholismus im Vergleich zu gesunden Kontrollen signifikant erhöht. Im fäkalen Mikrobiom von Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen wurden vermehrt Gene nachgewiesen, die an der Klebsiella-vermittelten TH1-Antwort beteiligt waren.

Der Mund - die Haupteintrittspforte für den Körper

In einem Kommentar weisen die Wissenschaftler Ronaldo Lira-Junior und E.A. Boström vom Karolinska Institutet in Stockholm darauf hin, dass das Konzept der Invasion von Bakterien der Oralflora nicht neu ist: Der Mund ist die Haupteintrittspforte für den Körper, und es ist leicht denkbar, dass Bakterien von hier aus in weitere Körperteile wie den Darm oder die Lungen gelangen.

Eine Reihe von Studien konnte dies bereits belegen, beispielsweise wurde der orale Kommensale Fusobacterium nucleatum, der an der Entstehung von Parodontitis beteiligt ist, bei Patienten mit kolorektalem Karzinom und Adenom vermehrt gefunden. Im Tierversuch beschleunigte dieses Bakterium die Tumorgenese im Colon. Auch Porphyromonas gingivalis begünstigt Parodontitiden und führte im Tierversuch nach oraler Gabe zu einer veränderten bakteriellen Zusammensetzung des Ileums.

Im Zusammenhang mit den Ergebnissen von Atarashi et al. wäre es interessant, zu untersuchen, ob sich relevante Klebsiella-Spezies auch bei oralen Erkrankungen wie Dentalkaries oder Parodontitis in der meist veränderten Oralflora wiederfinden.

Frühere Studien deuten darauf hin, dass Veränderungen des Speichelflusses und des pH-Wertes möglicherweise eine intraorale Kolonisation mit K. pneumoniae begünstigen. Die Parodontaltasche könnte als Reservoir für enterobakterielle Spezies dienen, die das Risiko der Darmbesiedelung durch Pathobionten erhöhen. Daher kann eine orale Dysbiose mit einer Darmdysbiose in Verbindung gebracht werden und zu entzündlichen Erkrankungen oder zum Fortbestehen von Krankheiten an anderen Körperteilen beitragen.

Die Mundhöhle als Reservoir für Pathogene

Fazit: Die Ergebnisse von Atarashi et al. zeigen, dass Klebsiella-Stämme aus der oralen mikrobiellen Flora je nach genetischen und mikrobiologischen Voraussetzungen den Darm kolonisieren und dort als ektopische Pathogene wirken können.

Im Vergleich zu anderen Schleimhäuten weist die Mundhöhle die höchste relative Häufigkeit von Enterobacteriaceae auf. Die Autoren nehmen deshalb an, dass sie als Reservoir für Pathogene dienen kann. Demzufolge würde sich die Mundgesundheit stärker auf die Entstehung systemischer Erkrankungen auswirken als bisher angenommen.

Atarashi K., Department of Microbiology and Immunology, Keio University School of Medicine, 35 Shinanomachi, Shinjuku-ku, Tokyo 160-8582, Japan; Science. 2017 Oct 20;358(6361):359-365. doi: 10.1126/science.aan4526 aus IME, Wissenschaftlicher Informationsdienst Ausgabe 2/2018.http://dx.doi.org/10.1126/science.aan4526

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