Arbeitssitzung des Forums Zahn- und Mundgesundheit in Berlin

"Wir müssen Prävention in ALLEN Lebenslagen schaffen!"

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Zahnmedizin
Nicht nur bei Pflegebedürftigen und Menschen mit Behinderung gebe es zahnmedizinische Präventionslücken - auch bei Berufstätigen müsse nachgebessert werden, so der Tenor beim Treffen des Forums Zahn- und Mundgesundheit am 27. November.

Das Ziel der 2012 gegründeten Initiative ist so ambitioniert wie einfach: die Zahn- und Mundgesundheit der Menschen in Deutschland zu verbessern - aller Menschen!

In regelmäßigen Treffen diskutieren Experten aus Wissenschaft und Zahnmedizin gemeinsam mit Gesundheitspolitikern daher über die vulnerablen Gruppen, bei denen Präventionsangebote meist nicht ankommen: ältere Menschen, Kinder, die unter frühkindlicher Karies leiden, Flüchtlinge, Pflegebedürftige, Menschen mit Behinderung oder auch Berufstätige.

"In der Vergangenheit haben wir bereits über viele vulnerable Gruppen diskutiert und mehrere Initiativen erfolgreich in der Politik anstoßen können. Doch trotz aller Erfolge gibt es weiterhin Präventionslücken, die wir schließen müssen", betonte Prof. Dietmar Oesterreich, Vorsitzender des Forums und Vizepräsident der Bundeszahnärztekammer (BZÄK), bei der Sitzung in Berlin. So müsse der Zugang zur zahnmedizinischen Prävention für Menschen mit Behinderungen deutlich verbessert werden. Und auch bei Berufstätigen blieben die Vorsorgemöglichkeiten noch ausbaufähig.

Als Vertreter der Gesundheitspolitik nahmen Dietrich Monstadt, MdB und Berichterstatter für die Zahnärzte der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, und Dirk Heidenblut, MdB und Berichterstatter für die Zahnärzte der SPD-Fraktion im Ausschuss für Gesundheit, an der Veranstaltung teil.

Monstadt kündigte in seinem Grußwort an, dass sich die Union im kommenden Jahr mit einer Neuauflage des Präventionsgesetzes beschäftigen werde. Aus diesem Grund freue er sich, nun zum zweiten Mal die Schirmherrschaft für das Forum Zahn- und Mundgesundheit übernehmen zu dürfen.

Auch Heidenblut ist bereits zum zweiten Mal Schirmherr der Initiative. Er habe bisher immer viel Wissen und Fachinformationen aus den Veranstaltungen mitnehmen können. "Wenn wir uns nächstes Jahr dem Thema Prävention intensiv widmen, werden wir wieder auf viele Dinge zurückgreifen können, die hier besprochen worden sind", sagte Heidenblut.

"Prävention im Kinder- und Jugendalter allein reicht nicht!"

"Ab dem Erwachsenenalter existiert eine deutliche zahnmedizinische Präventionslücke", betonte Prof. Stefan Zimmer, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Präventivzahnmedizin (DGPZM) und Lehrstuhlinhaber für Zahnerhaltung und Präventive Zahnmedizin an der Universität Witten/Herdecke. Während im Durchschnitt 81,3 Prozent der 12-Jährigen in Deutschland über ein naturgesundes Gebiss verfügten, seien es bei den 35- bis 44-Jährigen nur noch 2,5 Prozent. "Wer glaubt, dass aus gesunden Kindern und Jugendlichen automatisch gesunde Erwachsene werden, irrt", sagte Zimmer. Prävention müsse ein Leben lang betrieben - und Angebote zunehmend auch für Erwachsene etabliert werden.

"Damit Erwachsene Präventionsangebote auch nutzen, müssen diese vor allem niedrigschwellig sein", betonte Zimmer. Die zahnmedizinische Prävention müsse daher Zugang zu weiteren Lebensbereichen finden, wie zum Beispiel Betriebe.

Anschließend berichtete Zimmer von den ersten Ergebnissen eines Pilotprojekts zur betrieblichen zahnmedizinischen Prävention, das im Mai 2018 in einem Unternehmen der Tierfutterindustrie startete. Ziel des gemeinsamen Pilotprojekts der Universität Witten/Herdecke und der Firma Wirgley ist es, die Umsetzbarkeit und die Wirksamkeit eines niedrigschwelligen Präventionsangebots zu untersuchen. Die Laufzeit für die Studie beträgt ein Jahr.

Im Rahmen der Studie gibt es eine Eingangsuntersuchung, in der Gewohnheiten und das Präventionswissen der Teilnehmer sowie deren Mundhygiene- und Parodontalstatus erhoben werden. Als Intervention werden drei Maßnahmen durchgeführt: Schulung in zahnmedizinischer Prävention, Bereitstellung von zuckerfreiem Kaugummi und Mundspüllösungen zur zweimal täglichen Anwendung. In der Abschlussuntersuchung werden die Parameter aus der Eingangsuntersuchung erneut erhoben. Ein Vergleich der Werte gibt Aufschluss über den möglichen Effekt der Maßnahmen.

Erste Erkenntnis: Präventionsangebote müssen zielgruppenspezifisch sein

"In dem Betrieb, den wir für unser Pilotprojekt ausgewählt haben, arbeiten 700 Beschäftigte im Büro, 400 in der Produktion und weitere 100 Mitarbeiter in der Tierpflege", berichtete Zimmer. "Für unsere Studie konnten wir 144 Mitarbeiter gewinnen. 83,9 Prozent von ihnen gehen in dem Betrieb einer Bürotätigkeit nach. 9,1 Prozent kommen aus der Produktion und 7,0 Prozent aus der Tierpflege." Die Büromitarbeiter seien außerdem mit rund 40 Jahren im Durchschnitt deutlich älter als die Mitarbeiter aus der Produktion mit 28 Jahren oder aus der Tierpflege mit 37 Jahren. Dagegen sei der Anteil der Raucher aus dem Büro-Bereich mit 13 Prozent deutlich niedriger - bei Mitarbeitern aus der Produktion liegt der Anteil der Raucher bei 36 Prozent; bei Mitarbeitern aus der Tierpflege bei 50 Prozent.

Die Eingangsuntersuchung wurde im Juli und im August bereits durchgeführt. Aus den Ergebnissen ließen sich laut Zimmer erste Erkenntnisse ableiten. "Wie wir gesehen haben, lassen sich Mitarbeiter aus der Produktion schlechter für die Studie gewinnen als Büromitarbeiter", sagte Zimmer. Betriebliche Prävention müsse demnach auch zielgruppenspezifisch sein. Zudem sei der Informationsstand über Mundhygiene und zahngesunde Ernährung insgesamt überwiegend schlecht. So gaben die meisten Beschäftigten bei der Eingangsuntersuchung an, regelmäßig zucker- und/oder säurehaltige Getränke zu sich zunehmen.

Die Abschlussuntersuchung soll im Juli und August 2019 stattfinden, berichtete Zimmer abschließend.

"Der Zugang zur zahnmedizinischen Prävention für Menschen mit Behinderung muss dringend verbessert werden!"

Nach dem Impulsvortrag von Prof. Stefan Zimmer, stellte Dr. Imke Kaschke, Leiterin Medizin und Gesundheit bei Special Olympics Deutschland, eine weitere zahnmedizinische Präventionslücke vor: "Sowohl Pflegebedürftige als auch Menschen mit Behinderung haben eine deutlich schlechtere Zahn- und Mundgesundheit als der Bevölkerungsdurchschnitt. Obwohl sich die zahnmedizinische Versorgung für diese vulnerablen Gruppen bereits weiterentwickelt hat, gilt es insbesondere den Zugang zur zahnmedizinischen Prävention für Menschen mit Behinderung noch zu verbessern", betonte Kaschke.

Zwei Probleme kommen bei Menschen mit Behinderung und bei Pflegebedürftigen laut Kaschke zusammen: zum einen eine eingeschränkte Zahn- und Mundhygienefähigkeit der Patienten, zum anderen aber auch die eingeschränkte Behandlungsmöglichkeit. "Die Barrieren, mit denen unsere Patienten zu kämpfen haben, bestehen nicht nur aus Treppen. Vielmehr betreffen sie rechtliche Regelungen, einen höheren Zeit- und Personalaufwand während der Behandlung, finanzielle Aspekte, eingeschränkte Kommunikationsmöglichkeiten sowie besondere Behandlungsbedarfe durch die Interaktion mit Begleiterkrankungen, Multimorbidität oder Multimedikation", erläuterte Kaschke.

Durch § 22a SGB V sei ein "erster wichtiger Schritt" für Pflegebedürftige und Menschen mit Behinderung bereits vollzogen worden. Anspruchsberechtigt sind seit dem 1. Juli 2018 Pflegebedürftige bei Vorliegen einer Pflegestufe und Menschen mit Behinderung, die Eingliederungshilfe beziehen. Diese Patientengruppen haben nun einmal im Kalenderjahr Anspruch auf die Erhebung des Mundgesundheitsstatus, die Erstellung eines Planes zur individuellen Mund- und Prothesenpflege, die Aufklärung über die Bedeutung der Mundhygiene und über Maßnahmen zu deren Erhaltung sowie die Entfernung harter Zahnbeläge.

Das Forum Zahn- und Mundgesundheit

Das Forum Zahn- und Mundgesundheit

Dietrich Monstadt, MdB, Berichterstatter für die Zahnärzte, CDU/CSU-Mitglied im Ausschuss für Gesundheit, und Dirk Heidenblut, MdB, Berichterstatter für die Zahnärzte, SPD-Mitglied im Ausschuss für Gesundheit, sind aktuell die Schirmherren des Forums.

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"Aber dies reicht nicht", betonte Kaschke. Insbesondere Erwachsene mit Behinderung hätten einen Leistungsanspruch für weitere präventive Maßnahmen. Kaschke plädiert unter anderem für eine regelmäßige Fluoridierung sowie für die Entfernung harter und weicher Beläge. Sie fordert eine stärkere Berücksichtigung der besonderen Bedarfe und der besonderen Situation von Menschen mit Behinderung.

"Was wir dringend benötigen ist die Finanzierung von weiteren zahnmedizinischen Präventionsangeboten für Menschen mit Behinderung", betonte Kaschke. "Außerdem eine Vergütung des nicht im BEMA abgebildeten Mehraufwands bei der zahnärztlichen Behandlung von Menschen mit Behinderung sowie eine Ausnahmeregelung in den Richtlinien zur Parodontal-Therapie für Patienten, die nicht zu einer eigenverantwortlichen Zahnpflege in der Lage und auf Unterstützung angewiesen sind." Analog dazu müsse es eine weitere Ausnahmeregelung in den Richtlinien für prothetische Versorgungen geben sowie kostengerechte Regelungen von ambulanten zahnmedizinisch indizierten Narkosen.

Fazit: "Prävention darf nie enden!"

"Zwei Dinge sollten wir von diesem Abend für uns mitnehmen", fasste Oesterreich abschließend zusammen. "Zum einen sollten wir auch zukünftig daran festhalten, dass Prävention zielgruppenspezifisch sein sollte. Zum anderen sollten wir die Gesundheitskompetenz der Bevölkerung weiter stärken."

Das Thema Zahn-und Mundhygiene müsse nach wie vor kontinuierlich in die Öffentlichkeit getragen werden, forderte Oesterreich. "Wir sollten uns immer wieder vergegenwärtigen, dass wir kontinuierlich niedrigschwellige Präventionsangebote mit simplen Botschaften an die Bevölkerung adressieren müssen." Prävention höre niemals auf.

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