Volker Looman zu Risikolebensversicherungen

Scherbenhaufen

Volker Looman

Jüngst hat mich ein Abendessen bei Freunden ziemlich mitgenommen. Dort berichtete die Gastgeberin von einer Kollegin, die 38 Jahre jung ist und sich auf ihr zweites Kind freut. Nun ist ihr Mann, ein Jahr älter, beim Joggen tot umgefallen. Das „Ehepaar“ hat sich vor einem Vierteljahr ein Haus gekauft und hoch verschuldet. Jetzt steht die junge Witwe vor einem Scherbenhaufen. Der Mann ist tot, das zweite Kind noch nicht auf der Welt, die finanzielle Versorgung miserabel, und die Schulden drücken. Was soll man dazu sagen?

Die junge Frau wird das Haus nach Lage der Dinge verkaufen müssen, weil sie die Kredite alleine nicht stemmt. Ich kann nur hoffen, dass die Bank der Witwe für die Rückgabe der Hypotheken keine Entschädigung in Rechnung stellen wird. Ich bete dafür, dass die Mutter genügend Kraft aufbringen wird, um für sich und ihre Kinder den täglichen Lebenshalt zu verdienen. Und ich hoffe, dass meine Artikel dazu beitragen, dass in Familien mehr Risikolebensversicherungen abgeschlossen werden.

Was auf den ersten Blick selbstverständlich erscheint, steckt bei genauem Hinsehen voller Tücken. Die Probleme beginnen bei der Höhe der Todesfallsumme. Was ist angemessen? Und die Schwierigkeiten enden bei der Gestaltung der Verträge, weil in der Praxis immer wieder der Fehler gemacht wird, dass der Versicherungsnehmer und der Versicherte dieselbe Person sind.

Die Frage nach der richtigen Todesfallsumme ist in meinen Augen leicht zu beantworten. Nötig ist die Summe, welche die Hinterbliebenen brauchen, um eine bestimmte Zeit lang versorgt zu sein. Bitte nehmen Sie an, die achtunddreißigjährige Frau brauche monatlich 3.000 Euro. Die Rente soll 20 Jahre lang bezahlt werden, und die Versorgung möge jedes Jahr um 2 Prozent steigen. Dann sind bei einem „sicheren“ Anlagezins von 1 Prozent rund 788.000 Euro nötig. Hinzu kommt die Restschuld des Hauskredites. Das sind im vorliegenden Fall rund 550.000 Euro, so dass die Todesfallleistung (aufgerundet) 1,4 Millionen Euro beträgt.

Die Prämie für eine Risikolebensversicherung mit einer Todesfallleistung von 1,4 Millionen Euro, die jedes Jahr um 70.000 Euro fällt, kostet bei Direktversicherungen wie der Cosmos in Saarbrücken oder der Hannoverschen in Hannover monatlich 80 Euro, und die Prämie scheint mir kaum der Rede wert zu sein. Das sehen viele Leute freilich ganz anders, und ich will Ihnen die gängigen „Vorbehalte“ gegen den Abschluss von Risikolebensversicherungen nicht vorenthalten.

Männer haben in 95 Prozent aller Fälle gewaltige Probleme mit Risikolebensversicherungen, weil es bei diesen Verträgen nur Geld gibt, wenn sie zuvor mit ihrem Leben bezahlt haben. Mir verschlägt diese Haltung die Sprache. Hier geht es um die Versorgung von Ehepartner und Kindern und wer nicht bereit ist, dafür Geld auf den Tisch zu legen, ist für mich ein (hemmungsloser) Egoist, wenn Sie mir diesen Gefühlsausbruch gestatten.

Genauso jämmerlich finde ich die Bemerkung, dass Hinterbliebene keine 1,4 Millionen Euro wert seien. Das ist in der Regel der Hinweis, liebe Leserinnen, dass Sie sich nach dem Trauerjahr auf die Socken machen sollen, um sich entweder Arbeit oder den nächsten Mann zu suchen. Dazu fällt mir lediglich der Kommentar ein, dass bei Geld offenbar nicht nur die Freundschaft, sondern auch die Liebe aufhört. Vor diesem Hintergrund habe ich eine Idee für alle Eltern, die an ihren Kindern hängen. Was halten Sie von dem Vorschlag, Ihren geliebten Kindern zur Hochzeit eine Risikolebensversicherung zu schenken?

Der Gedanke mag Ihnen abstrus vorkommen, doch ich betrachte ihn nicht als Spinnerei. Es wird auf Hochzeiten so viel Nippes und Tütelkram verschenkt, dass ich es vorteilhafter finde, etwas „Sinnvolles“ mit auf den Weg zu geben. Eine Police mit einer Startsumme von einer Million Euro, die jedes Jahr um 50.000 Euro fällt, kostet bei einem Eintrittsalter von 35 Jahren lediglich 40 Euro. Ich will Sie nicht überreden, die vollen 9.600 Euro auf den Tisch zu blättern. Erstens wäre dieses Hochzeitgeschenk etwas teuer, und zweitens wäre es, so makaber das klingt, einfach zuviel Geld gewesen, wenn der „Versicherungsfall“ in Kürze eintritt. Folglich plädiere ich für eine Anschubfinanzierung. Bringen Sie das Vorhaben mit der Zusage zum Laufen, die Prämien in den ersten 36 Monate zu bezahlen. Danach sollen die Kinder die Raten übernehmen, wenn ihnen die Sache am Herzen liegt.

Das größte Problem ist in meinen Augen, wie Sie dem künftigen Schwiegersohn oder der zukünftigen Schwiegertochter „schonend“ vermitteln, sein beziehungsweise ihr Leben mit einer Million Euro versichern zu wollen. Was nach guter Tat aussieht, kann von dem einen oder der anderen völlig falsch verstanden werden. Bitte überlegen Sie mal, wie Sie sich gefühlt hätten, wenn Ihre „geliebten“ Schwiegereltern Ihnen vor Jahrzehnten dieses Angebot gemacht hätte? Wäre in Ihnen da nicht auch die Frage aufgekommen, was die alten Herrschaften (wirklich) im Schilde führen? Kurzum: Ich finde meine Idee brillant, doch die Umsetzung erfordert äußerstes Fingerspitzengefühl. An den passenden Empfehlungen muss ich noch arbeiten, so dass ich das Thema in ein paar Wochen noch einmal zur Sprache bringen werde.

Kolumnen entsprechen nicht immer der Ansicht der Herausgeber.

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