Neue Vereinbarung zur kieferorthopädischen Versorgung

Mehr Leistungs- und Kostentransparenz

Wolfgang Eßer
,
Martin Hendges
Das komplexe Regelwerk der vertragszahnärztlichen Versorgung macht es gesetzlich versicherten Patienten nicht immer einfach, die im Krankheitsfall bestehenden Versorgungsmöglichkeiten zu überschauen und abzuwägen. Das gilt insbesondere in der Kieferorthopädie. Mit einer neuen Vereinbarung schaffen die KZBV und der BDK im Hinblick auf Leistungen und Kosten mehr Transparenz.

Unsicherheiten bestehen hier nicht zuletzt bei der Abgrenzung von Leistungen der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und Leistungen, die die Patienten selbst bezahlen müssen. Hier ist es vor allem die Aufgabe des behandelnden Vertragszahnarztes, den Patienten vor Beginn der Behandlung insbesondere im Rahmen seiner Aufklärungspflichten gemäß § 630e des Bürgerlichen Gesetzbuches kompetent und umfassend zu beraten. Auch die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) sieht sich in der Pflicht, beide Seiten dabei zu unterstützen und das Maß an Transparenz zu schaffen, das eine individuelle Behandlung auf Augenhöhe ermöglicht. Vertragszahnärzte und ihre Patienten können dann gemeinsam die im konkreten Behandlungsfall geeignete Therapie nach individuellen Bedürfnissen und unter Beachtung der vertragszahnärztlichen Vorgaben gestalten.

Im Versorgungsbereich der Kieferorthopädie hat die KZBV zusammen mit dem Berufsverband der Deutschen Kieferorthopäden (BDK) und unter wissenschaftlicher Begleitung der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) und der Deutschen Gesellschaft für Kieferorthopädie (DGKFO) die bereits im Jahr 2015 in einem „Letter of Intent“ niedergelegten Grundsätze fortgeführt und weiterentwickelt.

Die nun vorliegende Vereinbarung soll bei Behandlern und Patienten mehr Klarheit schaffen.

Aufklären: Regelversorgung und Alternativen

Die kieferorthopädische Behandlung, wie sie heute im Leistungskatalog der GKV ausgestaltet ist, entspricht dem aktuellen Stand der Wissenschaft und berücksichtigt das Wirtschaftlichkeitsgebot nach § 12 SGB V. Wie diese Versorgung im konkreten Fall aussieht, erfährt der Versicherte vom behandelnden Kieferorthopäden vor Beginn der Behandlung in einem ausführlichen Informations- und Beratungsgespräch. Dabei muss auch über den Rechtsanspruch des Patienten aufgeklärt werden, der eine Versorgung im Rahmen der GKV vorsieht, die keine eigene Zuzahlung erfordert. Darüber hinaus sollte der Kieferorthopäde seine Patienten auch über mögliche Alternativen oder Ergänzungen zu dieser Versorgung und damit verbundene Kosten aufklären. Dazu zählen Behandlungsmethoden und -geräte, die zum Beispiel weniger Tragedisziplin erfordern, die Zahnpflege erleichtern oder eine geringere optische Beeinträchtigung mit sich bringen. Solche Leistungen werden von den gesetzlichen Krankenkassen allerdings nicht übernommen.

Auf dieser Grundlage kann der gesetzlich versicherte Patient dann frei entscheiden, ob er eine zuzahlungsfreie Behandlung wünscht oder ob er eine Versorgung wählt, für die er die Kosten teilweise oder sogar vollständig selbst übernehmen muss. Ein Behandler, der die Versorgung des Versicherten von der Wahl einer von ihm empfohlenen Behandlungsmethode abhängig macht und eine Behandlung im Rahmen der vertragszahnärztlichen Versorgung ablehnt, verhält sich klar rechtswidrig und muss mit disziplinarischen Maßnahmen rechnen, die bis zum Zulassungsentzug reichen können.

Schriftlich vereinbaren: Dieses Formular hilft Ihnen

Entscheidet sich der Versicherte nach eingehender Aufklärung für eine (teilweise) privatzahnärztliche Behandlung, wird – wie bisher auch – hierüber eine schriftliche Vereinbarung getroffen (vgl. § 4 Abs. 5 lit. d BMV-Z sowie § 7 Abs. 7 EKVZ). KZBV und BDK haben dazu ein modifiziertes Formular entwickelt, das sämtliche Kosten der Behandlung allgemeinverständlich aufschlüsselt: Gegenübergestellt werden dabei jeweils die Positionen, die die gesetzliche Krankenkasse übernimmt, und die Kosten, die der Versicherte selbst tragen muss. Außerdem wird als Ergebnis der Betrag ausgewiesen, den der Versicherte für die gesamte Behandlung voraussichtlich selbst übernehmen muss.

Ändern sich im Laufe der Behandlung die Kosten, kann das Formular für eine entsprechende Folgevereinbarung verwendet werden. Der Versicherte wird auf dem Formular auch noch einmal ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er Anspruch auf eine völlig zuzahlungsfreie kieferorthopädische Behandlung hat und die Kosten für gewünschte Mehr- oder Zusatzleistungen selbst tragen muss.

Mehr-, Zusatz- und außervertragliche Leistungen

Die kürzlich getroffene Vereinbarung von KZBV und BDK unterscheidet Mehrleistungen, Zusatzleistungen und außervertragliche Leistungen und erläutert diese.

• Mit Mehr- und Zusatzleistungen sind zahnärztlich-kieferorthopädische Leistungen gemeint, die in dieser Form nicht im GKV- Leistungskatalog enthalten sind und mit denen die Kassenleistung ergänzt beziehungsweise ersetzt werden soll.

• Als außervertragliche Leistungen werden dagegen Privatleistungen beschrieben, die zwar während einer kieferorthopädischen Behandlung, aber auch davon unabhängig erbracht werden können, also keine spezifischen kieferorthopädischen Leistungen sind, wie beispielsweise die Professionelle Zahnreinigung.

Als zusätzliche Hilfestellung bei der Abgrenzung haben die Partner der Vereinbarung in einer Anlage konkrete Beispiele für Mehr- und Zusatzleistungen aufgenommen.

Transparenter und leichter abrechnen

Aber nicht nur Planung und Vereinbarung von kieferorthopädischen Behandlungen werden transparenter, sondern auch die Abrechnung der erbrachten Leistungen. Eine mögliche Privatvergütung wird den Patienten direkt auf Grundlage der GOZ in Rechnung gestellt. KZBV und BDK haben sich darauf geeinigt, dass auf dem von der Bundeszahnärztekammer veröffentlichten Musterformular (gemäß § 10 GOZ/Anlage 2 zur GOZ) auf die zwischen dem Vertragszahnarzt und dem gesetzlich versicherten Patienten getroffene Vereinbarung über privatzahnärztliche Leistungen hingewiesen werden muss. Rechnungsbeträge, die bei der gesetzlichen Krankenkasse angezeigt werden müssen, werden vom privatzahnärztlichen Abrechnungsbetrag abgezogen. Um auch Laborrechnungen besser nachvollziehen zu können, haben KZBV und BDK darüber hinaus eine Plausibilitätsliste erstellt, die eine Zuordnung einzelner zahntechnischer Leistungen zu verschiedenen kieferorthopädischen Behandlungsgeräten ermöglicht und das Auffinden eventueller Unstimmigkeiten erleichtert.

KZBV und BDK haben sich darauf verständigt, dass die zuständige KZV künftig den von der Krankenkasse des Versicherten genehmigten KFO-Behandlungsplan vom Kieferorthopäden in elektronischer Form erhalten soll. Sofern mit dem Versicherten Mehrleistungen geplant und vereinbart wurden, müssen diese ab sofort in der ersten, auf die Vereinbarung folgenden Abrechnung gegenüber der KZV angegeben werden.

In jedem Fall die richtige Versorgung finden

Mit der neuen Vereinbarung werden die Grundsätze des Patientenschutzes ebenso unterstrichen wie die Anerkennung des mündigen Patienten, der frei entscheidet. Unabdingbare Grundlage dafür ist die umfassende und neutrale Aufklärung und Beratung des Versicherten durch den Vertragszahnarzt. Gleichzeitig soll die Vereinbarung Kieferorthopäden und kieferorthopädisch tätige Zahnärzte und ihre Patienten dabei unterstützen, unter Beachtung der vertragszahnärztlichen Pflichten in jedem Einzelfall die geeignete Versorgung zu finden und gemeinsam auszugestalten. Zudem setzt die Vereinbarung darauf, dass die getroffenen Absprachen in der Praxis auch tatsächlich umgesetzt werden.

Die KZBV wird gemeinsam mit den KZVen die flächendeckende Umsetzung der beschlossenen Maßnahmen begleiten und kontinuierlich evaluieren.

Dr. Wolfgang Eßer, Vorstandsvorsitzender der KZBVKassenzahnärztliche BundesvereinigungUniversitätsstr. 73, 50931 Köln

ZA Martin Hendges, Stellvertretender Vorsitzender der KZV NordrheinKassenzahnärztliche Vereinigung NordreinLindemannstr. 34–42, 40237 Düsseldorf

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