Schadensersatz wegen mangelhafter Zahnersatzversorgung

Ohne Chance auf Nacherfüllung entfällt der Anspruch!

Bernd Halbe
Es kommt im Arbeitsalltag gar nicht so selten vor, dass Patienten den Zahnarzt mit der Begründung wechseln, dass das Vertrauensverhältnis aufgrund der fehlerhaften Behandlung zerstört sei. Die beruflichen Fähigkeiten des erstbehandelnden Zahnarztes infrage zu stellen und eine Nachbesserung von vornherein abzulehnen haben allerdings eine Konsequenz: Die Schadensersatzansprüche des Patienten entfallen, wenn dem erstbehandelnden Zahnarzt keine Möglichkeit zur Nacherfüllung gegeben wurde und diese für den Patienten auch nicht unzumutbar war, so die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG).

Das BSG hatte sich mit dem Schadensersatzanspruch einer gesetzlichen Krankenkasse gegenüber der KZV aufgrund einer mangelhaften Zahnersatzversorgung zu befassen. Im Ergebnis lehnte das BSG den geltend gemachten Schadensersatzanspruch ab, gleichwohl innerhalb der 2-jährigen Gewährleistungsfrist gem. § 136 a Abs. 4 S. 3 und S. 4 SGB V (vormals § 137 Abs. 4 S. 3 und S. 4 SGB V) die Neuanfertigung des Zahnersatzes aufgrund dessen Funktionsuntauglichkeit erforderlich wurde. Dabei hat das BSG im Kontext sozialrechtlicher Vorgaben zur Gewährleistung unter Bezugnahme auf seine bisherige Rechtsprechung festgestellt, dass die grundsätzliche Verpflichtung des behandelnden Zahnarztes zum Schadensersatz bei nicht dem zahnärztlichen Standard genügender Zahnersatzversorgung in dem streitgegenständlichen Fall entfallen ist, weil dem Behandler keine Möglichkeit der Nacherfüllung eingeräumt worden war. 

Auf das Erfordernis der Einräumung der Möglichkeit zur Nacherfüllung kann nämlich nur dann verzichtet werden, wenn die Nachbesserung beziehungsweise Neuanfertigung des Zahnersatzes durch den bisherigen Behandler dem Versicherten nicht zumutbar ist. 

Oftmals sehen sich Zahnärzte in ihrem Praxisalltag damit konfrontiert, dass Patienten einen Behandlerwechsel herbeiführen mit der Begründung, das Vertrauensverhältnis sei aufgrund der fehlerhaften Behandlung zerstört. Der Patient nimmt das stattgehabte Behandlungsgeschehen oftmals vorschnell zum Anlass, die beruflichen Fähigkeiten des Zahnarztes gänzlich infrage zu stellen, eine Nachbesserung von vornherein abzulehnen und den erstbehandelnden Zahnarzt mit Schadensersatzansprüchen zu konfrontieren. 

Letzterem können sich Zahnärzte jedoch erwehren, wenn ihnen keine Möglichkeit zur Nacherfüllung gegeben wurde und diese auch nicht unzumutbar war. Der erkennende Senat hat in der Vergangenheit in der Rechtsprechung aufgekommene Zweifel hinsichtlich der Grenzen des Nacherfüllungsrechts ausgeräumt und im Ergebnis die Position des erstbehandelnden Zahnarztes gestärkt. In Fortentwicklung seiner bisherigen Rechtsprechung hat das BSG nunmehr klargestellt, dass ein Schadensersatzanspruch nicht nur in den Fällen, in denen ein Mangel durch Nachbesserung behoben werden kann, die Bejahung der Unzumutbarkeit voraussetzt. Vielmehr – und das ist neu – ist es auch im Falle der Erforderlichkeit einer Neuanfertigung des Zahnersatzes Voraussetzung, dass diese dem Patienten unzumutbar ist. Insofern hatte das BSG noch mit Urteil vom 29. November 2006, Az.: B 6 KA 21/06, formuliert, dass ein Zahnarztwechsel bei nicht erfolgreicher Prothetikbehandlung zu akzeptieren sei, wenn eine Nachbesserung wegen Unbrauchbarkeit des Arbeitsergebnisses nicht möglich sei. 

Bisherigen und in der Rechtsprechung wahrzunehmenden Tendenzen, eine Verpflichtung des Patienten, dem Zahnarzt die Möglichkeit auch zur Neuanfertigung einzuräumen, abzulehnen, begegnet das BSG nunmehr. Ebenso wie bei der Nachbesserung kommt auch bei einer Neuanfertigung nur dann ein Wechsel des Behandlers in Betracht, wenn eine Weiterbehandlung durch den bisherigen Zahnarzt dem Patienten nicht zumutbar ist. Die Schadensersatzpflicht des Zahnarztes setzt nun also stets im Grundsatz voraus, dass ihm seitens des Patienten die Möglichkeit gegeben wird, die erforderliche Nachbehandlung kostenfrei durchzuführen; dem Patienten wird insofern eine Mitwirkungspflicht auferlegt. Dies wohl auch vor dem Hintergrund, dass sein Anspruch auf kostenfreie Erneuerung nicht auf den Festzuschuss nach § 55 SGB V begrenzt ist, sondern auch den Eigenanteil des Patienten umfasst. Ein Patient, der auf die Inanspruchnahme seiner Gewährleistungsrechte verzichtet, belastet auch die Krankenkasse und somit im Ergebnis die Gesamtheit der Beitragszahler. Eine Unbrauchbarkeit des ursprünglichen Zahnersatzes zieht nicht automatisch die Unzumutbarkeit der Nachbehandlung nach sich; auch kann aus der Erforderlichkeit einer Neuanfertigung nicht der Rückschluss gezogen werden, dem Zahnarzt sei ein besonders grober Fehler unterlaufen, der eine Zerstörung des Vertrauensverhältnisses zur Folge habe. Grundsätzlich müssen weitere Umstände hinzutreten, die einen Vertrauensbruch rechtfertigen. Wann eine Nacherfüllung als für den Patienten unzumutbar einzustufen ist, hängt vom jeweiligen Einzelfall ab. Insbesondere dürfte dies aber in folgenden Fällen anzunehmen sein: 

  • Zerstörung des Vertrauensverhältnisses durch einen schwerwiegenden Behandlungsfehler; 

  • der Zahnarzt bestreitet einen bereits gutachterlich bestätigten Behandlungsfehler gegenüber dem Patienten nachhaltig und zeigt sich uneinsichtig; 

  • der Zahnarzt hat bereits mehrfach erfolglos versucht, Mängel des Zahnersatzes zu beheben. 

Vor dem Hintergrund der bisherigen haftungsrechtlichen Rechtsprechung ist die nunmehr erfolgte Klarstellung auch der bestehenden Mitwirkungspflicht sowie ihrer Grenzen zu begrüßen. 

Prof. Dr. jur. Bernd Halbe

www.medizin-recht.com

BSG, Urteil vom 10.05.2017 – B 6 KA 15/16: Schadensersatzanspruch wegen mangelhafter Versorgung mit Zahnersatz; Zumutbarkeit der Nacherfüllung 

Prof. Dr. Bernd Halbe

Rechtsanwalt,
Fachanwalt für Medizinrecht
Rechtsanwälte
Prof. Dr. Halbe & Partner mbB

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