Editorial

Versorgung für das Digitale

Versorgung für das Digitale

Nicht im Traum hätte ich gedacht, dass ich einmal mit Beamten von Bundesministerien fast Mitleid haben würde. Ich gebe es zu: Ich bin kurz davor – denn ob im BMG wirklich neben Überblick tatsächlich noch Durchblick bei den fast im Wochentakt produzierten Gesetzesvorhaben herrscht, kann ich mir beim besten Willen kaum vorstellen. Schon gar nicht im Hinblick auf die Interaktionen all der neuen Gesetzesvorschläge mit den bereits existierenden Regelungen. Solcherart Stress ist bekanntlich nicht gesund, was dem Namen des Ministeriums dann doch Hohn sprechen würde. Was ja keiner will.

 Beim derzeitigen Allheilmittel für die meisten Probleme unseres Gesundheitswesens, dem Digitalen, gibt der Minister weiter Vollgas. In der Diskussion steht derzeit nicht das allerneueste, aber jetzt in die Verbändediskussion eingetretene Gesetzesopus namens E-Health-Gesetz-II. Dieser Name klingt schon mal gut, er ist bekannt und vertraut und weil II mehr als I ist, entsteht vor dem inneren Auge auch so etwas wie Weiterentwicklung und Fortschritt. Was vielleicht dann doch zu viel des Guten wäre.

Auch dieses Gesetzesvorhaben hat, wie heute üblich, einen zweiten Namen, nämlich „Digitale Versorgung Gesetz“, kurz DVG. Exemplarisch sei an dieser Stelle kurz über die DIGA gesprochen, die für die Politik ein ganz wesentlicher Aspekt im DVG sind: die digitalen Gesundheitsanwendungen. Das sind nichts anderes als Apps auf Krankenschein und damit Lieblingsspielzeuge des Ministers. Angesichts der derzeitigen kompromisslosen Härte im Durchsetzen seiner digitalen Utopien – man erinnere sich nur an die rüde Übernahme der gematik durch das BMG –, übte sich in besagter Verbändeanhörung selbst das IQWiG in einem bisher kaum erlebten Pragmatismus. Die Gralshüter der 1a-Evidenz schmissen – man höre und staune – alle sonst üblichen Bedenken über Bord und attestierten den DIGAs als digitalen Produkten ein Verfallsdatum. Und genau deshalb müsse ein schneller Weg in die Kostenerstattung gefunden werden. Für DIGA der Risikoklassen IIb und III, also Hochrisikoanwendungen / ärztliche DIGA, sollen die erprobten Prozesse des AMNOG-Verfahrens – also die Preisbildung für ein neu zugelassenes Arzneimittel in Abhängigkeit vom attestierten Zusatznutzen im Vergleich zu etablierten Substanzen – in Kombination mit dem Verfahren nach § 137h SGB V für Hochrisiko-Produkte zum Einsatz kommen. Garniert wurde das Ganze mit dem Ausblick, dass auf diese Weise eine „One-size-fits-all-“Bewertung möglich wird. Und ein noch zu bildendes Gremium der gemeinsamen Selbstverwaltung, man höre und staune erneut, solle laut IQWiG prüfen, welche DIGA positive Versorgungseffekte aufweisen und daher GKV-Leistung werden sollen. Es ist schon mehr als erstaunlich, was alles möglich wird, wenn der Druck aus der richtigen Richtung kommt. Oder vom Richtigen …

In der Konsequenz ist das aber nichts anderes als die Bevorzugung digitaler Anwendungen auf Krankenschein. Das kann man auch als Zwei-Klassen Medizin bezeichnen und zwar wortwörtlich. Umso interessanter dazu ist die Stellungnahme des Bundesverbandes der Arzneimittel-Hersteller. Dieser mahnt in einem Bericht der Ärztezeitung, „in puncto DIGA die Herstellerbelange – bei den Anbietern handelt es sich in den meisten Fällen um Start-ups und andere kleine sowie mittelständische Unternehmen – nicht außer Acht zu lassen. Nur wenn dafür eine Refinanzierung über die GKV erfolgt, ist sichergestellt, dass der Aufwand der Hersteller digitaler Anwendungen angemessen vergütet wird und damit wirtschaftlich zu erbringen ist“. Besagter BAH ist als Verband der Hersteller von OTC-Arzneimitteln, die nur in wenigen Ausnahmefällen zulasten der Krankenkassen erstattungsfähig sind, eigentlich nicht im Boot. Außer bei verschreibungsfähigen Apps, die bei – nennen wir es – bestimmten körperlichen Zuständen auch Hinweise geben können. Aber das ist jetzt Spökenkiekerei.

Keine solche ist der Umstand, dass Herr Spahn nach der erzwungenen Übernahme der gematik als erstes den Geschäftsführer austauschen wird. Kommen soll der Arzt und Pharmamanager Leyck Dieken. Dank der 51 % der Gesellschaftsanteile in den Händen des BMG wird der Wunschkandidat berufen werden, egal wie heftig das Bauchgrimmen bei den Kassenvertretern ausfällt und wie sehr Transparency International mögliche Interessenkonflikte beklagt. Damit sind die entscheidenden Posten mit Personen besetzt, die voll auf der Linie des Ministers liegen. Die TI wird weiter Fahrt aufnehmen. Dass TI die Abkürzung für TITANIC sei, behaupten nur böse Zungen.

Dr. Uwe Axel Richter
Chefredakteur

Dr. Uwe Axel Richter

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