Teilergebnisse aus der Routinedatenanalyse des Projekts Dent@Prevent

Zahnmedizinische Inanspruchnahme und Parodontalbehandlungen bei Patienten mit chronischer Erkrankung

Katja Blaschke
,
Peter Ihle
,
Stefan Listl
,
Ingrid Schubert
Zusammenhänge zwischen Zahnerkrankungen und chronischen Krankheiten sind bekannt. Ein fachlicher Austausch zwischen den behandelnden Arztgruppen findet jedoch kaum statt. Im Rahmen des vom Innovationsausschuss beim Gemeinsamen Bundesausschuss geförderten Projekts Dent@Prevent wurden gesetzliche Krankenkassendaten hinsichtlich der zahnmedizinischen Versorgung von Patienten mit chronischen Erkrankungen untersucht. Erste Ergebnisse werden in diesem Beitrag vorgestellt.

Umfangreiche empirische Evidenz weist auf einen bestehenden Zusammenhang zwischen Zahnerkrankungen (insbesondere Parodontitis) und verschiedenen weiteren chronischen Erkrankungen, wie Diabetes, koronare Herzkrankheit (KHK) und Schlaganfall, hin [Seitz et al., 2019]. Jedoch wird der gemeinsamen Betrachtung des allgemeinen Gesundheitszustands und der Mundgesundheit in Deutschland bislang nur wenig Aufmerksamkeit gewidmet. Es gibt Hinweise, dass Zahnmediziner, hausärztlich oder anderweitig tätige Arztgruppen diese Zusammenhänge nicht ausreichend mit ihren Patienten kommunizieren und ein Austausch zwischen den Arztgruppen selten stattfindet [Elangovan et al., 2014; Holzinger et al., 2016; Sippli et al., 2017].

Es wird davon ausgegangen, dass eine intensivere intersektorale Zusammenarbeit von Human- und Zahnmedizin zu einer verbesserten Qualität und Ressourcen-Allokation in der Versorgung führen kann. Das vom Innovationsausschuss beim Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) geförderte Projekt Dent@Prevent setzt an diesem Punkt an mit dem Ziel, ein Modell für ein interdisziplinäres (zahn-)ärztliches Entscheidungsunterstützungssystem zu entwickeln [Listl, 2017]. Als erste Übersicht über die derzeitige zahnmedizinische Versorgungssituation von Versicherten mit chronischer Erkrankung wurden gesetzliche Krankenkassendaten (GKV-Routinedaten) ausgewertet, die für Quer- wie Längsschnittanalysen zur Verfügung stehen und frei von Selektions- und Erinnerungsbias sind [Schubert et al., 2008].Nach derzeitigem Kenntnisstand wurden Zusammenhänge zwischen zahnmedizinischen und anderen chronischen Erkrankungen mittels Routinedaten für Deutschland kaum untersucht [Blaschke et al., 2019]. Der Barmer-Zahnreport 2017 hatte bereits die Thematik aufgegriffen, in dem das Eintreten einer Zahnextraktion nach Parodontitistherapie bei Personen mit beziehungsweise ohne Diabetes betrachtet wurde. Nach multivariater Analyse zeigte sich ein höheres Risiko für eine Zahnextraktion bei Personen mit Diabetes [Rädel et al., 2017].

Nachstehend werden Teilergebnisse aus der Routinedatenanalyse des Projekts Dent@Prevent vorgestellt. Folgende versorgungsepidemiologische Aspekte werden untersucht:

  • Die zahnmedizinische Inanspruchnahme, im Speziellen die Inanspruchnahme von Parodontalbehandlungen, bei Personen mit Diabetes, KHK oder Schlaganfall im Vergleich zu alters- und geschlechtsgleichen Versicherten ohne entsprechende chronische Erkrankung und

  • die Inanspruchnahme von Parodontalbehandlungen vor und nach dem Auftreten einer Neuerkrankung von Diabetes, KHK beziehungsweise Schlaganfall.

Methodik

Die Routinedatenanalyse basiert auf der Forschungsdatenbank des InGef, die pseudonymisierte Daten von circa sechs Millionen Versicherten aus circa 70 gesetzlichen Krankenkassen, hauptsächlich Betriebskrankenkassen, umfasst [Andersohn et al., 2016]. Neben den Stammdaten der Versicherten (Alter, Geschlecht, Todesdatum, Mitgliedszeiten) waren folgende Daten relevant, die über die pseudonymisierte Versichertenidentifikationsnummer verknüpft wurden: ambulante ärztliche Diagnosen, Arzneimittelverordnungen, zahnärztliche Leistungen und stationäre Daten mit Dauer, Diagnosen und Leistung. Es standen Daten für die Jahre 2011 bis 2016 zur Verfügung.

In dieser Arbeit wurde entsprechend den beiden Fragestellungen zwischen zwei Studienpopulationen unterschieden. Studienpopulation 1 umfasst Personen, die im Jahr 2016 durchgängig oder bis zum Tod durchgängig versichert und mindestens 18 Jahre alt waren. Dabei wurden Versicherte mit einer gesicherten chronischen Erkrankung – Diabetes, KHK oder Schlaganfall (prävalente Fälle) – mit alters- und geschlechtsgleichen Kontrollpersonen ohne dokumentierte jeweilige chronische Erkrankung und im Fall der Diabetes-Kontrollgruppe ohne Antidiabetika-Verordnung (ATC-Code A10) verglichen (1:1-Matching).

Studienpopulation 2 umfasst Personen, die zwischen 2011 und 2016 durchgängig versichert und im Jahr 2013 mindestens 18 Jahre alt waren. Zusätzlich wurden nur Personen eingeschlossen, die im Jahr 2013 eine gesicherte Erstdiagnose (inzidente Fälle) der entsprechenden chronischen Erkrankung (Diabetes, KHK, Schlaganfall) aufwiesen.

Die Versicherten mit Diabetes und KHK wurden anhand der ICD-10-Codes E10–E14 (Diabetes) beziehungsweise I20–I25 und Z95.1, Z95.5 (KHK) identifiziert. Als Versicherte mit jeweiliger chronischer Erkrankung wurden alle Personen eingeschlossen, für die

  • in mindestens einem Quartal im jeweiligen Kalenderjahr eine stationäre Entlassungsdiagnose vorlag oder

  • eine stationäre Nebendiagnose und drei Quartale vor und/oder nach dem ersten Diagnosequartal (= Indexquartal) im betrachteten Kalenderjahr eine weitere ambulante Diagnose mit dem Modifikator G (gesichert) / Z (Zustand nach) dokumentiert wurde (Abbildung 1) oder

  • im Kalenderjahr eine ambulante gesicherte Diagnose dokumentiert wurde und drei Quartale vor und/oder nach dem Indexquartal eine weitere ambulante Diagnose mit dem Modifikator G/Z beziehungsweise eine stationäre Nebendiagnose vorlag (Abbildung 1).

Als inzidente Fälle wurden alle Versicherten mit Diabetes beziehungsweise KHK eingeschlossen, für die acht Quartale vor dem Indexquartal keine entsprechende ambulante (Modifikator G, Z) oder stationäre Neben- beziehungsweise Entlassungsdiagnose dokumentiert war (Abbildung 1). Die Definition eines Falles mit inzidentem Diabetes schließt zusätzlich Versicherte mit einer Antidiabetika-Verordnung acht Quartale vor dem Indexquartal aus. Versicherte mit Schlaganfall wurden anhand der ICD-10-Codes I61, I63 und I64 identifiziert. Ein Versicherter wurde als Person mit Schlaganfall definiert, wenn im jeweiligen Kalenderjahr eine stationäre Entlassungsdiagnose vorlag. Versicherte mit inzidentem Schlaganfall hatten zusätzlich acht Quartale vor dem Indexquartal keine dokumentierte Schlaganfall-Diagnose.

Als zahnmedizinische Leistungen wurden alle nach einheitlichem Bewertungsmaßstab der zahnärztlichen Leistungen (BEMA, Teile 1–5) oder Gebührenordnung der Ärzte (GOÄ) abgerechneten Leistungen berücksichtigt.

Für die Definition der Inanspruchnahme einer Parodontalbehandlung wurden die Abrechnungsziffern der BEMA P200–P203, sowie 108 und 111 herangezogen. Es wurden deskriptive Analysen durchgeführt. Ergebnisse zu Studienpopulation 1 beziehen sich auf das Jahr 2016. Im Rahmen der Auswertungen zu Studienpopulation 2 wurden die zwei Jahre (8 Quartale) vor beziehungsweise nach Indexquartal betrachtet.

Ergebnisse

Im Jahr 2016 konnten 4.338.252 durchgängig beziehungsweise bis zum Tod durchgängig Versicherte in die Analyse eingeschlossen werden. Von diesen Versicherten leiden 9,6 Prozent an einer diagnostizierten Diabetes-Erkrankung (n = 414.626), 6,2 Prozent sind aufgrund einer KHK in Behandlung (n = 270.155). Die administrative Prävalenz eines Schlaganfalls liegt bei 0,3 Prozent (n = 11.636). Tabelle 1 zeigt für die Studienpopulation 1 die zahnärztlichen Inanspruchnahmeparameter.

In allen Populationen von alters- und geschlechtsgleichen Versicherten mit beziehungsweise ohne Hinweis auf die Zielerkrankung sind Männer etwas mehr vertreten als Frauen. Der Altersdurchschnitt liegt zwischen 66 Jahren (Diabetes) und 71 Jahren (KHK, Schlaganfall).

In Bezug auf die Inanspruchnahme von zahnmedizinischen Behandlungen zeigt sich, dass Versicherte ohne Diabetes etwas häufiger mindestens eine zahnärztliche Behandlung im Jahr 2016 in Anspruch nehmen als Versicherte mit einer dokumentierten Diabetes-Erkrankung. Wird nur die Inanspruchnahme von Parodontalbehandlungen betrachtet, zeigen sich keine deutlichen Unterschiede zwischen den Versicherten mit und ohne Diabetes. Bei Versicherten mit beziehungsweise ohne KHK zeigen sich keine großen Unterschiede in der zahnmedizinischen Inanspruchnahme. Personen ohne Schlaganfall nehmen im Jahr 2016 häufiger mindestens eine zahnärztliche Behandlung wahr im Vergleich zu Personen mit Schlaganfall. Parodontalbehandlungen werden bei Personen sowohl mit als auch ohne Schlaganfall selten in Anspruch genommen.

Zur Beantwortung der Frage, in welchem Umfang Parodontalbehandlungen vor und nach der erstmaligen Dokumentation einer der hier untersuchten chronischen Erkrankungen durchgeführt wurden, werden Neuerkrankte untersucht (Studienpopulation 2). In die Analyse konnten 23.771 Versicherte mit inzidentem Diabetes, 21.263 Versicherte mit inzidenter KHK und 5.076 Versicherte mit inzidentem Schlaganfall eingeschlossen werden. Die Ergebnisse zeigen, dass sowohl bei Versicherten mit inzidentem Diabetes als auch bei Versicherten mit inzidenter KHK die Inanspruchnahme mindestens einer Parodontalbehandlung nach Diagnosestellung leicht zunimmt. Dabei bleibt der Anteil an Versicherten mit Parodontalbehandlung mit unter 5 Prozent weiterhin auf sehr niedrigem Niveau (Tabelle 2). Bei Versicherten mit inzidentem Schlaganfall in 2013 zeigen sich hingegen vor und nach Indexquartal keine Änderungen im Inanspruchnahmeverhalten.

Diskussion

Die Analyse der Krankenkassendaten zeigt, dass Versicherte mit dokumentiertem Diabetes oder Schlaganfall etwas seltener im Jahr den Zahnarzt aufsuchen als ihre Vergleichspersonen ohne die jeweilige Erkrankung. Auch aus anderen Ländern (USA, Kanada) wird berichtet, dass beispielsweise Patienten mit Diabetes (signifikant) seltener einen Zahnarzt aufsuchen im Vergleich zu Patienten ohne Diabetes [Lessem, 2017; Zangiabadi et al., 2017], jedoch zu einem hohen Anteil unter Parodontitis leiden [Liu et al., 2018; Verhulst et al., 2019a]. In den Niederlanden – hier wird in der Diabetes-Leitlinie Mundgesundheit thematisiert – gab ein Viertel der über Hausarztpraxen für eine Studie rekrutierten Diabetespatienten an, nicht regelmäßig, das heißt mindestens einmal pro Jahr, einen Zahnarzt aufzusuchen, wobei 30 Prozent auch berichteten, keine Versicherung für Zahnarztkosten zu haben [Verhulst et al., 2019a].

Alles in allem hatten in unserer Studie circa 25 bis 40 Prozent der untersuchten Fälle und Kontrollen keinen Zahnarzt im Beobachtungsjahr aufgesucht, so dass ein deutliches Verbesserungspotenzial in der Versorgung vorhanden ist. Dies setzt – wie auch in der internationalen Literatur vermerkt – Kenntnisse über die Zusammenhänge aufseiten der Patienten voraus, sowie eine höhere Aufmerksamkeit für diese Thematik bei (Zahn-)Medizinern: Patienten könnten beispielsweise durch ihre Hausärzte oder behandelnden Spezialisten auf die Notwendigkeit eines Zahnarztbesuchs und vice versa hingewiesen werden. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass – wie von Bissett et al. [2019] für Nord-England beschrieben – auch in Deutschland bislang weder durch Hausärzte noch Zahnärzte konsequent eine Empfehlung für einen entsprechenden Arztbesuch erfolgt [Holzinger et al., 2016; Smits et al., 2019]. Bislang sind die Empfehlungen in Deutschland noch nicht in Leitlinien aufgenommen worden, jedoch wird gegenwärtig federführend von der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, der Deutschen Gesellschaft für Parodontologie e. V. und der Deutschen Diabetes Gesellschaft e. V. eine Leitlinie zu Diabetes und Parodontitis erarbeitet, die Ende 2020 erscheinen soll [AWMF, 2020].

Die Unterschiede bei der Inanspruchnahme von Parodontalbehandlungen sind, wie unsere Analysen zeigen, zwischen den Erkrankten und ihren Kontrollen geringer im Vergleich zu den Ergebnissen der allgemeinen zahnärztlichen Inanspruchnahme. Versicherte ohne die hier betrachteten chronischen Erkrankungen gehen zwar zu einem höheren Anteil zum Zahnarzt, erhalten aber in ähnlichem Umfang Parodontalbehandlungen. Dies könnte auf einen geringeren Bedarf an Parodontalbehandlungen hinweisen, da möglicherweise notwendige Parodontalerkrankungen durch eine höhere Inanspruchnahme eines Zahnarztes aufgedeckt worden wären. Vor dem Hintergrund der Ergebnisse von Verhulst et al. [2019a], der bei rund 70 Prozent der befragten Diabetespatienten eine Parodontitis feststellte, sowie den Daten der Fünften Deutschen Mundgesundheitsstudie, in der höhere Altersgruppen häufiger eine schwere Parodontalerkrankung aufweisen [Jordan et al., 2016], ist jedoch in den in dieser Arbeit betrachteten Gruppen, unter anderem durch den hohen Altersdurchschnitt, von einer unter dem Versorgungsbedarf liegenden Behandlungsrate auszugehen.

Von Interesse war außerdem das Inanspruchnahmeverhalten von Parodontalbehandlungen in Abhängigkeit von der Inzidenz der betrachteten Erkrankungen. Hier zeigt sich bei Versicherten mit Erstdiagnose eines Diabetes oder einer KHK – nicht für Schlaganfall – in den acht Quartalen nach dem Inzidenzquartal eine circa um das 1,5-fach höhere Inanspruchnahme. Das Studiendesign lässt hier keine Aussagen zur Kausalität zu, die höhere Behandlungsrate könnte aber ein Hinweis auf einen Zusammenhang zwischen Parodontitis und Diabetes beziehungsweise KHK sein. Möglicherweise ist die Zunahme auch auf eine entsprechende Information der Patienten durch ihre behandelnden Ärzte zurückzuführen. Weitere Aufschlüsse über die kausalen Zusammenhänge zwischen Parodontalerkrankungen und weiteren chronischen Erkrankungen werden durch die NAKO-Gesundheitsstudie erwartet [NAKO Gesundheitsstudie, 2017].

Stärken und Limitationen

Die Studie beruht auf einem großen Datensatz von circa sechs Millionen Versicherten, vor allem von Betriebskrankenkassen, so dass die Ergebnisse nur mit Vorsicht verallgemeinert werden können.

Prävalenzvergleiche beispielsweise für Diabetes (hier 2016: 9,6 Prozent) zeigen jedoch eine gute Übereinstimmung mit bundesweiten Daten [Goffrier et al., 2017]. Die auf Selbstangaben beruhende Prävalenzschätzung für KHK liegt in der Studie GEDA 2014/2015-EHIS mit 4,8 Prozent [Busch et al., 2017a] etwas niedriger als die aufgrund ärztlich dokumentierter Diagnosen geschätzte Prävalenz von 6,2 Prozent. Als prävalente Schlaganfall-Patienten wurden in unserer Studie Patienten mit einem akuten Ereignis (Krankenhausentlassungsdiagnose) einbezogen. Dieser Anteil liegt deshalb aus methodischen Gründen deutlich unter der 12-Monats-Prävalenz der Studie GEDA 2014/15-EHIS mit 1,6 Prozent [Busch et al., 2017b]. Vorteile der Routinedaten bestehen in der Beobachtung von langen Zeitreihen, im Zugang zu Informationen über alle Versicherten unabhängig von deren Gesundheitszustand, in der Vollständigkeit der Daten (kein drop out) und in der fehlenden Verzerrung durch Erinnerungslücken oder den Einfluss des Interviewers [Schubert et al., 2008].

Die vorliegenden Ergebnisse der GKV-Routinedaten basieren auf deskriptiven Auswertungen und dienen als eine erste Übersicht über die zahnmedizinische Versorgungssituation von Patienten mit Diabetes, KHK und Schlaganfall. Alter und Geschlecht wurden bei der Paarlingsbildung als mögliche Confounder berücksichtigt. Des Weiteren basieren die Analysen von Studienpopulation 1 auf einem Querschnittdesign und es können keine kausalen Zusammenhänge abgeleitet werden. Auch sind der Schweregrad oder die Dauer der Erkrankung nicht bekannt. Bei der Studienpopulation 2 mussten alle Versicherten mindestens 17 Quartale beobachtbar sein, so dass hier keine Aussagen zu Kassenwechslern (eine eher gesündere Population) oder Versterbenden (eher multimorbid, höherer Schweregrad, älter) möglich sind.

Ausblick

Die Studie spiegelt die Versorgungssituation von Versicherten mit ausgewählten chronischen Erkrankungen wider. Dabei werfen die Ergebnisse jedoch neue Fragen auf: Weist der aufgedeckte Unterschied in der Inanspruchnahme von Zahnärzten auf eine zu geringe Sensibilisierung für das Risiko von Zahnerkrankungen bei Versicherten mit chronischer Erkrankung hin? Würden größere Unterschiede zwischen Erkrankten und Kontrollen sichtbar werden, wenn die absolute Anzahl an Zahnarztbesuchen betrachtet wird? Des Weiteren würde man nach Angaben aus der Literatur – Parodontitis als stille Volkskrankheit – einen höheren Anteil an Parodontalbehandlungen vor allem unter den Versicherten mit chronischer Erkrankung, erwarten. Wird hierauf, zum Beispiel durch Hausärzte, zu wenig geachtet und Patienten folglich zu selten ein Zahnarztbesuch empfohlen?

Welche – auch finanziellen – Barrieren bestehen aufseiten der Versicherten hinsichtlich der Inanspruchnahme einer Parodontalbehandlung? Diese Punkte sollten zukünftig weiter untersucht werden. Für die Versorgung förderlich wären sicherlich gut handhabbare Screening-Instrumente, die im hausärztlichen und im zahnärztlichen Setting eingesetzt werden können. Hierzu wird das Dent@Prevent-Projekt einen Beitrag leisten [Listl, 2017]. So könnte beispielsweise das im Rahmen des Dent@Prevent-Projekts entwickelte interdisziplinäre Entscheidungsunterstützungssystem in die derzeit erarbeitete S2k-Leitlinie „Parodontitis und Diabetes“ als Praxistool aufgenommen werden [AWMF, 2020]. Des Weiteren ist eine erste Pilotstudie eines Diabetes-Screenings in Zahnarztpraxen ermutigend [Ziebolz et al., 2019]. Auch in anderen Ländern, wie den Niederlanden und den Vereinigten Staaten, wird hieran geforscht [Ahdi et al., 2015; Estrich et al., 2019; Verhulst et al., 2019b].

Katja Blaschke, M.Sc.

PMV forschungsgruppe, Medizinische Fakultät und Uniklinik Köln, Universität zu Köln

Herderstr. 52, 50931 Köln

katja.blaschke@uk-koeln.de

Peter Ihle, Mediziner

PMV forschungsgruppe, Medizinische Fakultät und Uniklinik Köln, Universität zu Köln

Herderstr. 52, 50931 Köln

Prof. Dr. med. dent. Dr. rer. pol. Stefan Listl, M.Sc.

Radboud university medical center, Radboud Institute for Health Sciences, Department of Dentistry – Quality and Safety of Oral Healthcare

Philips van Leydenlaan 25, 6525EX Nijmegen, Niederlande

und Universitätsklinikum Heidelberg, Poliklinik für Zahnerhaltungskunde, Sektion Translationale Gesundheitsökonomie

Im Neuenheimer Feld 400, 69120 Heidelberg

Dr. Rer. soc. Ingrid Schubert

PMV forschungsgruppe, Medizinische Fakultät und Uniklinik Köln, Universität zu Köln

Herderstr. 52, 50931 Köln

Die Autoren danken dem InGef – Institut für angewandte Gesundheitsforschung Berlin GmbH und der SpectrumK GmbH für die Bereitstellung der GKV-Routinedaten. Das dieser Veröffentlichung zugrundeliegende Projekt wurde mit Mitteln des Innovationsausschusses beim G-BA unter dem Förderkennzeichen 01VSF16052 gefördert.

Literaturliste

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•    Andersohn, F. and J. Walker (2016). „Characteristics and external validity of the German Health Risk Institute (HRI) Database.“ Pharmacoepidemiol Drug Saf 25(1): 106-109.

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•    Ziebolz, D., I. Bauwe, J. Schmidt, T. Kottmann, S. Rinke and G. Schmalz (2019). „Diabetes Screening in Dental Practice Using the Find-Risk Questionnaire - A Practice-based Pilot Study.“ Oral Health Prev Dent 17(2): 147-156.

M.Sc. Katja Blaschke

PMV forschungsgruppe, Medizinische Fakultät und Uniklinik Köln, Universität zu Köln
Herderstr. 52
50931 Köln

Peter Ihle

Mediziner
PMV forschungsgruppe, Medizinische Fakultät und Uniklinik Köln, Universität zu Köln
Herderstr. 52, 50931 Köln

Dr. Stefan Listl

Radboud university medical center, Radboud Institute for Health Sciences, Department of Dentistry – Quality and Safety of Oral Healthcare
Philips van Leydenlaan 25
6525EX Nijmegen, Niederlande und
Universitätsklinikum Heidelberg
Poliklinik für Zahnerhaltungskunde, Sektion Translationale Gesundheitsökonomie
Im Neuenheimer Feld 400
69120 Heidelberg

Dr. Ingrid Schubert

Forschungsgruppe Primärmedizinische Versorgung (PMV-Forschungsgruppe)
Universität zu Köln
Herderstr. 52
50931 Köln

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