Institut der Deutschen Zahnärzte (IDZ)

Zahnarztpraxen zahlen 65.000 Euro Hygienekosten im Jahr

Eine Studie des Instituts der Deutschen Zahnärzte (IDZ) hat die Hygienekosten in Zahnarztpraxen unter die Lupe genommen. Seit 1996 sind die jährlichen Gesamthygienekosten einer Einzelpraxis von rund 28.000 Euro auf rund 65.000 Euro im Jahr 2016 gestiegen. 227 Praxen nahmen an der Studie teil.

Hygiene ist gemäß dem ärztlichen Berufsethos integraler Bestandteil zahnärztlicher Tätigkeit. Sie ist eine Sorgfaltspflicht, die dem Zahnarzt auferlegt ist und ihn verpflichtet, nach dem Stand von Wissenschaft und Technik auf dem Gebiet der Hygiene zu arbeiten und den Patienten vor Infektionen zu schützen. Zugleich ist sie eine Tugendpflicht, denn Infektionsprävention ist auch private Selbstvorsorge für den Zahnarzt und seine Mitarbeiter. Daher ist es eigentlich selbstverständlich, dass die für Hygiene notwendigen Kosten wie die übrigen Behandlungskosten auch adäquat vergütet werden“, schreiben Prof. Dr. Lutz Jatzwauk vom Deutschen Arbeitskreis für Hygiene in der Zahnmedizin (DAHZ) und Prof. Dr. A. Rainer Jordan, Wissenschaftlicher Direktor des IDZ, in ihrem Vorwort.

Das Ergebnis der Studie: Die Kosten für Hygiene sind kontinuierlich gestiegen, in den vergangenen 20 Jahren haben sie sich mehr als verdoppelt. Während auf eine Einzelpraxis 1996 rund 28.000 Euro Gesamthygienekosten pro Jahr entfielen, waren es 2006 bereits 50.000 Euro und weitere zehn Jahre später gut 65.000 Euro.

Zehnmal so hohe Kosten für Hygiene wie Hausärzte

Im Vergleich mit einer nahezu zeitgleich durchgeführten Studie des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi) übersteigen die Hygienekosten einer Zahnarztpraxis die einer Hausarztpraxis um etwa das Zehnfache. Die Hygienekosten einer Zahnarztpraxis erreichen damit das Niveau einer Arztpraxis, die ambulant operiert.

Die Ausgaben für Verbrauchsmaterialien zur Händehygiene und zur Flächendesinfektion beliefen sich im Jahr 2016 im Mittel auf rund 2.600 Euro beziehungsweise rund 1.500 Euro pro Zahnarztpraxis. Beide Posten stehen in unmittelbar proportionalem Zusammenhang mit der Anzahl der Behandlungen und damit mit der Anzahl der Patientenkontakte. Daran wird die starke Abhängigkeit der Hygienekosten von der Anzahl der behandelten Patienten deutlich.

Bei den Gerätekosten entfielen die meisten Ausgaben auf das Reinigungs- und Desinfektionsgerät sowie auf den Autoklav: Durchschnittlich beliefen sich die Abschreibungen und Betriebskosten im Jahr 2016 auf rund 2.500 Euro für das erstgenannte und auf rund 2.100 Euro für den Autoklav.

Sach- und Personalkosten stehen im Verhältnis 1:2

Untersucht wurde auch das Verhältnis der Sach- und Personalkostenanteile an den Gesamthygienekosten. Während sich die mittleren Gesamthygienekosten im Jahr 1996 noch zu etwa zwei Dritteln aus Sachkosten (63,9 Prozent) und zu gut einem Drittel aus Personalkosten (36,1 Prozent) zusammensetzten, kehrte sich dieses Verhältnis bis 2016 um, so dass die Sachkosten nur noch ein Drittel ausmachen (33,5 Prozent), die Personalkosten jetzt hingegen zwei Drittel (66,5 Prozent). Kurz gefasst: Sach- und Personalkosten stehen im Verhältnis von 1:2.

Einzelpraxen liegen mit durchschnittlich 65.000 Euro Jahreskosten auf einem geringeren Niveau als die übrigen Praxisformen, deren Mittelwert mit rund 87.000 Euro beziffert wird. Einzelpraxen, so das Fazit, gleichen sich untereinander mehr hinsichtlich ihrer Gesamthygienekosten als dies andere Praxisformen untereinander tun. Die Studienautoren schreiben: „Die Gesamthygienekosten in deutschen Zahnarztpraxen jeglicher Praxisform beliefen sich im Jahr 2016 auf durchschnittlich rund 70.000 Euro. [...] Beim Vergleich von Einzelpraxen mit anderen Praxisformen fällt zunächst auf, dass die Gesamthygienekosten von Einzelpraxen mit durchschnittlich rund 65.000 Euro auf einem geringeren Niveau rangieren als die der übrigen Praxisformen mit einem Mittelwert von rund 87.000 Euro; Einzelpraxengleichen sich untereinander mehr hinsichtlich ihrer Gesamthygienekosten als dies andere Praxisformen untereinander tun. Bei den tendenziell größeren anderen Praxisformen macht sich zudem offensichtlich eine stärkere Arbeitsteilung als Skaleneffekt bemerkbar: Liegt das Verhältnis von Sach- zu Personalkosten bei Einzelpraxen durchschnittlich noch bei ziemlich genau 1 : 2, so verringert sich der Personalkostenanteil bei den sonstigen Praxisformen, so dass dieses Verhältnis nur noch 1 : 1,7 beträgt.“

Jordan erläutert: „Wir haben am IDZ Vorgängerstudien gemacht, vor zehn Jahren sind zwei Drittel der Hygienekosten auf Materialien und Geräte gefallen und ein Drittel auf Personalkosten. Dieses Verhältnis hat sich in den letzten drei Studien total umgekehrt. Der Anstieg der Personalkosten ist ein kontinuierlicher Trend seit 1998. Bei den Gehältern kann ein Zahnarzt nicht sparen, bei den Verbrauchsmaterialien sind die Möglichkeiten diesbezüglich ein bisschen größer. Aber insgesamt ist zu sagen, dass hohe Fixkosten für Arbeitgeber immer problematisch sind. Es scheint so zu sein, dass die Gehälter unverhältnismäßig mehr gestiegen sind als die Kosten für Verbrauchsmaterialien.“

Wie aber ist das iDZ zu diesen detaillierten Ergebnissen gekommen? Jordan: „Ein Begeher hat in Vorbereitung auf die Studie jeden Arbeitsschritt einer Helferin sekundengenau protokolliert. Dafür hat er ihre Arbeit einen ganzen Tag begleitet, jeder Handgriff wurde gestoppt und aufgezeichnet. Damit wurde sichergestellt, dass die Zeitabläufe, die für die Studie verwendet wurden, korrekt sind.“

Welche Maßnahmen dauern am längsten?

So lange sich gesetzliche Vorgaben nicht ändern, bleiben die Ergebnisse des Begehers dauerhaft. „Wenn sie sich allerdings ändern, wenn zum Beispiel Instrumente nicht mehr nur sterilisiert, sondern vorher gewaschen und eingeschweißt werden müssten, müssten wir nachjustieren.“ Denn das wären völlig neue Arbeitsbedingungen, die Zeiten für diese Arbeitsschritte müssten dann ebenfalls neu protokolliert werden.

Die Studienautoren erläutern: „Zu den beiden längsten Zeitaufwänden, die in den Zahnarztpraxen jeweils über den gesamten Beobachtungstag gemessen worden waren, erwiesen sich die Dauer für die maschinelle Reinigung und Desinfektion sowie für die Vor- und Nachbereitungen rund um die Behandlungen: Durchschnittlich waren die Praxismitarbeiterinnen am Aufnahmetag eine volle Stunde (Median) vor allem mit dem Beladen und Entladen des Reinigungs- und Desinfektionsgeräts sowie mit der anschließenden Prüfung und Nachbereitung der so aufbereiteten Instrumente beschäftigt. Mit der Vor- und Nachbereitung der einzelnen Behandlungen am Aufnahmetag verbrachten die zahnmedizinischen Fachangestellten im Durchschnitt gute anderthalb Stunden (Median).

53 Sekunden für die Händehygiene

Für die Berechnung der Personalhygienekosten waren aber nicht nur die unmittelbar beobachteten Längen der Zeitaufwände relevant, sondern auch die Hochrechnungen auf die gesamte Zahnarztpraxis, wodurch aufgrund ihrer Häufigkeit auf Praxisebene manche Tätigkeiten besonders ins Gewicht fielen.“

De Zeitaufwände für die mit Händehygiene assoziierten Handlungen lag bei insgesamt 53 Sekunden. Vor allem in Praxen mit stärkerer Arbeitsteilung, in der die beobachteten ZFA sich mehr auf Hygieneaufgaben konzentrierten und seltener im Behandlungsraum assistierten, wurden insgesamt kürzere Zeitaufwände für Händehygiene gemessen. Denn Anlässe für Händehygiene stellen vor allem Patientenkontakte dar. Maßnahmen der Händehygiene werden sowohl von den zahnmedizinischen Fachangestellten als auch von den Zahnärztinnen und -ärzten vollzogen.

Auch regionale Unterschiede bei den Hygienekosten legt die Studie dar. Die Gesamthygienekosten liegen in Zahnarztpraxen der alten Bundesländer im Mittel höher als in den neuen. So liegen die Mittelwerte in der günstigsten Region Thüringen bei 45.000 Euro, wohingegen Zahnärzte in Baden-Württemberg 95.000 Euro im Jahr für Infektionsprävention einplanen müssen. Die Studienautoren stellen fest, dass die Gesamthygienekosten in Zahnarztpraxen der alten Bundesländer im Mittel höher als in den neuen sind. Dabei ist anzumerken, dass sich die Praxisstrukturen zwischen den Regionen bisweilen deutlich unterscheiden.

Jordan: „Der Unterschied zwischen Westen und Osten liegt darin begründet, dass die Gehälter in den neuen Bundesländern niedriger sind. Deshalb erscheinen die Kosten im Osten günstiger, das hat aber nichts mit der Qualität der Hygienevorkehrungen zu tun, die ist überall gleich.“

Es mag Menschen geben, die aufgrund der Zahlen denken, in Zahnarztpraxen im Osten würde weniger Geld für Hygiene ausgegeben als im Westen und daraus folgern, dass die Standards niedriger sein könnten, so Jordan. Er erklärt: „Kurz vor der Studie gab es bei allen freiwillig teilnehmenden Praxen eine Begehung der örtlichen Gesundheitsämter. Bei der Studie haben nur Praxen mitgemacht, die diese Prüfung erfolgreich durchlaufen haben, das heißt, dass sie von der Qualität her alle gleich sind.“ 

Die Anzahl der Patienten hat den stärksten Effekt

Den mit Abstand stärksten Effekt hat die Anzahl der behandelten Patienten einer Zahnarztpraxis, auf Platz zwei folgt die Anzahl der ZFA mit 2.404 Euro pro Mitarbeiterin. Die 227 Zahnarztpraxen, die am Praxissurvey teilgenommen hatten, behandelten zum Beispiel im Mittel 30 Patienten am Tag und hatten durchschnittlich vier ZFA unter Vertrag.

Insgesamt halten die Autoren fest, dass sehr viele verschiedene alltägliche Abläufe Hygienekosten in sich bergen und den Praxen dadurch erhebliche Ausgaben entstehen.

„Die Hygiene-Studie soll künftig im Jahresrhythmus aktualisiert werden“, sagt Jordan. „Die Anforderung für den Studienaufbau war, dass wir regelmäßig aktuelle Zahlen präsentieren können. Wir können künftig mit relativ einfachen Mittel die aktuellen Hygiene-Kosten feststellen, die ein Zahnarzt in seiner Praxis hat. Wir haben jetzt quasi ein Monitoring. Die Bundesversammlung der Bundeszahnärztekammer wünschte die Studio so, dass man die Ergebnisse regionalisiert ausweisen kann. Für jedes Bundesland oder jeden Kammerbereich sollten die Werte individuell berechnet werden. Es hat sich allerdings herausgestellt, dass die Unterschiede marginal sind, da in Deutschland die Hygiene-Anforderungen überall gleich sind.“

Die Studie ist in drei Stufen aufgebaut: „Die jährliche Aktualisierung findet im Wesentlichen über das dritte Modul statt“, sagt Jordan. „Darin befindet sich der Faktor Gehälter. Hierfür werden die Tarifverträge für die Helferinnen zugrunde gelegt. Das Statistische Bundesamt aktualisiert sie jedes Jahr, deshalb ist es für uns relativ leicht, die Veränderungen in unser System zu bringen. Die Gehaltsentwicklungen werden dadurch jährlich aktualisiert.“

Die Studie beinhaltet unter anderem eine Check-Tabelle für Zahnärzte. „Anhand der genannten Faktoren kann man sich seine eigene Praxis zusammenstellen und quasi im Baukastensystem prüfen, wie hoch die eigenen Kosten sind. Der Arzt weiß dann am Ende, wie hoch die Kosten sind und kann in seiner Jahresabrechnung abgleichen, wo er sparen könnte“, verdeutlicht Jordan. Alle Studienzahlen beziehen sich auf die Zeit vor der Corona-Pandemie.

Fazit: Hygiene ist ein großer Kostentreiber

Jatzwauk und Jordan abschließend: „Es ist ein wesentliches Ergebnis der vorgelegten Studie des IDZ, den Nachweis erbracht zu haben, dass zahlreiche Hygienemaßnahmen bei der Aufbereitung von Medizinprodukten – bei denen übrigens bisher ein ursächlicher Zusammenhang mit Infektionsraten nicht immer nachgewiesen beziehungsweise ein Nachweis bislang nicht angestrebt wurde – ein großer Kostentreiber in der Zahnarztpraxis sind.

Händehygiene, die Maßnahme mit dem größten nachgewiesenen Einfluss auf die Infektionsprävention, kostet demgegenüber nur wenig. Nun kann effiziente Händedesinfektion keine Mängel bei der Instrumentenaufbereitung ausgleichen. Aber adäquat vergütet werden müssen sie beide.“

Nicolas Frenzel Baudisch: Hygienekosten in Zahnarztpraxen, Institut der Deutschen Zahnärzte, Materialienreihe Band 37, 2020 Deutscher Ärzteverlag, ISBN: 978–3–7691–0634–3 (ISBN)

Das Studiendesign

  • Die Studie hatte zum Ziel, die durch Hygienemaßnahmen bedingten Kosten in deutschen Zahnarztpraxen zu bestimmen. Um die unterschiedlichen hiermit verbundenen Kostenarten adäquat zu messen, wurde ein dreigliedriges Studiendesign eingesetzt, bestehend aus den Modulen „Zeitaufnahmen“, „Praxissurvey“ und „Einbezug von Sekundärdaten“. Aus diesen drei verschiedenen Studienmodulen ergaben sich unterschiedliche relevante Daten, aus denen sich die vorliegenden Ergebnisse speisen.

  • Die Studie verwendet Primär- und Sekundärdaten sowie Ergebnisse der Hygienekostenstudie von 2008, für die 30 Zahnarztpraxen freiwillig Fragen beantwortet hatten. Insgesamt nahmen bundesweit 227 Zahnarztpraxen am Praxissurvey teil.

  • Die Resultate sollten regionsspezifisch ausgewiesen werden. Für die Zukunft ist eine jährlich aktualisierte Zahlenauswertung geplant.

silv

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