35 Jahre Hilfswerk Deutscher Zahnärzte

Den Armen helfen, wo immer es geht!

Yvonne Schubert
Seit seiner Gründung hat das Hilfswerk Deutscher Zahnärzte (HDZ) humanitäre Projekte in über 50 Ländern mit einem Spendenvolumen von 35 Millionen Euro aufgebaut. Die Arbeit ist heute so wichtig wie vor 35 Jahren, als Zahnarzt Carl-Heinz Bartels die Not der Leprakranken in Thailand erstmals erlebte und helfen wollte.

Das HDZ hatte einen Vorläufer: die „Patenschaft Niedersächsischer Zahnärzte für Lepragebiete“, aufgebaut von dem 2001 verstorbenen Göttinger Zahnarzt Carl Heinz Bartels. Seine Erlebnisse in den Lepragebieten Südostasiens hatten Bartels 1981 zur Gründung dieser karitativen Initiative bewegt. In seinem Freund Klaus Winter fand er einen engagierten Mitstreiter. „Über 200 Zahnarztpraxen lieferten wir in den Anfangsjahren in Entwicklungsländer. Das war damals eine logistische Herausforderung“, erinnert sich der heutige stellvertretende HDZ-Vorsteher Winter.

Mit dem Übergang des Hilfswerks in eine Stiftung 1987 und den wenig später beginnenden Altgold-Sammelaktionen nahmen die Projekte eine neue Größenordnung an. Zu den bisherigen (zahn-)medizinischen Hilfen kamen nun auch Bildungsprojekte für bedürftige Kinder, Nothilfen und Lepra-Projekte.

Das Team brauchte oft Nerven wie Drahtseile

Eine wichtige Rolle spielte dabei die Zusammenarbeit mit internationalen Partnerorganisationen, von denen die Don Bosco Mission mit ihren christlichen Werten und herausragenden Erfahrungen in der humanitären Arbeit eine Schlüsselrolle einnahm. Die Projektförderungen belaufen sich bis heute auf rund 9,3 Millionen Euro.

Im Rahmen der humanitären Arbeit brauchte das HDZ-Team häufig Nerven wie Drahtseile. Oftmals mussten Spendenmaterialien in entlegene Regionen der Welt verschifft und per Eselskarren oder mit klapprigen LKWs über unwegsame Straßen an ihr Ziel transportiert werden. Häufig war die Not der Menschen so groß, dass es selbst für erfahrene Helfer schwer war, die Eindrücke zu verdauen. Hinzu kam die Bearbeitung der vielen Spendenquittungen und Altgoldbriefchen. Und dennoch: Die Hilfe ging weiter.

„Ich habe viel Leid gesehen in meinem Leben“, sagt Winter. Er denkt noch oft an die 15 nepalesischen Waisenkinder, die ohne Wasser und Heizung in einem Kuhstall lebten und täglich mit einer Handvoll Reis und Linsen auskommen mussten, oder an zwei minderjährige Schwestern, die ganz alleine in einem Slum von Nairobi lebten – ohne Schutz und Hilfe und ohne ein Schloss an ihrer Tür. Er erinnert sich auch an die vielen Lepra-Kranken, denen die heimtückische Krankheit ganze Gliedmaße weggefressen hatte und die als Ausgestoßene in menschenunwürdigen Lepra-Dörfern dahinsiechten. Ebenfalls eingeprägt hat sich das Bild des kleinen Roma-Mädchens, das niemals die Chance haben würde, eine Schule zu besuchen. Winter traf Menschen, die nach einem Hurrikan vor den Trümmern ihrer Behausungen standen und hungernde Familien, denen die Dürre ihre Felder genommen hatte. Er sah Frauen und Männer, die tagelange Fußmärsche auf sich nahmen, um eine Versorgung zu erhalten und hörte sich die Sorgen von Ärzten an, denen die medizinischen Geräte fehlten, um Patienten zu behandeln.

Unterwegs mit Eseln oder klapprigen LKWs

Seit 1987 hat das HDZ humanitäre Projekte in über 50 Ländern mit einem Spendenvolumen von 35 Millionen Euro realisiert. Viele laufen bis heute. Zu den Leuchttürmen zählen etwa die Lepra-Projekte in China, Indien und Vietnam, darunter eine Werkstatt zur Herstellung von Prothesen und Spezialschuhen in China, das Bombay Leprosy Project in Mumbai und die Lepraklinik von Dr. Remy Rousselot in Bhubaneswar, in der jedes Jahr hunderte Lepraoperationen durchgeführt werden.

Ein Leuchtturmprojekt anderer Art ist das Integrationszentrum für Roma-Kinder in Carei. Seit zwölf Jahren kommen Kinder der benachbarten Roma-Siedlung nach Stella Maris, um zu lernen, zu spielen, zu essen und einfach Kind zu sein. Hier werden täglich 40 Kinder im Alter zwischen zwei und 16 Jahren betreut. Stigmatisierung gibt es nicht. Hier hat jedes Kind eine Perspektive, eine warme Mahlzeit, Schulunterricht und Lebenshilfe. „Wir wollten mit dem Bau dieses Zentrums den Teufelskreis aus Armut, Ausgrenzung und Bildungslosigkeit durchbrechen“, sagt Winter. „Das ist uns gelungen.“

Das Hilfswerk hilft auch in der Ukraine

Ebenso nachhaltig und erfolgreich sind die Bildungsprojekte von Francis van Hoi, der mithilfe des HDZ 2013 eine Gastronomie-Fachschule nach deutschem Standard in Vietnam eröffnete und jetzt ein Restaurant. Hier haben benachteiligte Jugendliche die Chance, einen Abschluss als Koch oder Gastronom zu machen.

Durch den Krieg in der Ukraine kam ein neuer Schwerpunkt hinzu. Seit Ende Februar läuft eine gemeinsame Spendenaktion mit der BZÄK und der KZBV, für die das HDZ weiterhin um Hilfen bittet. Zudem unterstützte das Hilfswerk die Don Bosco Mission dabei, Waisenkinder aus dem Kriegsgebiet zu evakuieren und überwies Spendengelder an Don-Bosco-Einrichtungen in Warschau, die ukrainische Flüchtlinge beherbergen. In einem extra angeschafften Rettungswagen brachten HDZ-Vorsteher Dr. Klaus Sürmann und Dirk Augustin vom Lazarus-Orden Medikamente an die polnisch-ukrainische Grenze.

Es gibt bereits Rücklagen für 13 andere Projekte

Auch in 2023 wird die Ukraine-Hilfe weitergehen. Für das kommende Jahr konnten zudem bereits Rücklagen für 13 andere Projekte gebildet werden, so sind etwa der Bau einer Sekundarschule in Kenia geplant, mehrere Zahnprophylaxe-Programme auf den Philippinen, in Nigeria und Argentinien sowie die Bereitstellung von Mitteln für das Bombay Leprosis Project in Indien und ein neues Lepra-Kontrollprogramm im Sudan.

„Wo ist die Zeit nur geblieben?“, fragten sich die Teilnehmer der diesjährigen HDZ-Kuratoriumssitzung in Göttingen. Auch wenn die ursprünglich geplante Jubiläumsfeier ausfiel, bot der Termin doch Gelegenheit, auf die humanitäre Arbeit von dreieinhalb Jahrzehnten zurückzublicken, um dann das Augenmerk wieder auf die Gegenwart und die Zukunft zu richten.

Winter, der die Stiftung von 1994 bis 2017 leitete und dann den Staffelstab an seinen Kollegen Sürmann weitergab, hat die Historie der Stiftung in mehreren Leitz-Ordnern anhand von alten Projektübersichten, Fotos, Zeitungsausschnitten und Reiseberichten dokumentiert – ein Lebenswerk, das ihm trotz der vielen Arbeit niemals zur Last geworden ist, wie er sagt.

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