Teil 1 – Historischer Überblick 1728 bis 1878

Die Entwicklung der festsitzenden Apparatur

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Schiefe Zähne müssen kein Schicksal sein. Schon im frühen 18. Jahrhundert haben Zahnärzte damit begonnen, sie gerade „in Reihe“ zu stellen. In einem dreiteiligen Beitrag lesen Sie die historische Entwicklung der festsitzenden kieferorthopädischen Apparatur bis hin zum heutigen Bracket.

Die erste in der Literatur beschriebene Apparatur für die Bewegung von Zähnen entstand im 18. Jahrhundert. Fauchard hat diese 1728 in seinem Werk „Le Chirugien Dentiste ou traité des dents“ in Paris veröffentlicht. Das Fauchard-Band wurde aus Silber oder Gold hergestellt und mit Seidenfäden oder Drähten an den anormal stehenden Zahn sowie an die Nachbarzähne ligiert (Abb. 1) [Ward 1964]. Auch Bourdet hat 1757 mit einem breiten Metallband gearbeitet. Unregelmäßig stehende Zähne wurden mit der Zange luxiert und mit Seide an einem breiten Metallband befestigt, das alle Zähne des Zahnbogens umgab (Abb. 2). Anfang des 19. Jahrhunderts wurde begonnen, Aufbisse an den Metallbändern zu befestigen. Catalans gab eine Beschreibung seines Planum inclinatum, einer geneigten Fläche für das Geraderichten von Zähnen. Die Apparatur bestand aus einer Art Band, das an den Unterkieferzähnen entlang lief und mittels Klammern und Ligaturen befestigt wurde. An dieser festen Gold-Platin-Basis wurde ein von vorne unten nach hinten oben gerichteter Vorsprung angelötet, der als schiefe Ebene diente. Bei jedem Zusammenbeißen drängte die schiefe Ebene die oberen Frontzähne nach außen (Abb. 3).

Fox versuchte bei der Regulierung der Progenie, den Unterkiefer hinter den Oberkiefer zu bringen und erhöhte dazu ebenfalls den Biss. Er benutzte eine Art Fauchard-Band, befestigte an den Enden ein Stück Kork und schob dieses zwischen die Backenzähne. Später stanzte er zu diesem Zweck Gold- und Silberkappen, stülpte diese über die Zähne und lötete das Band an die Kappen an (Abb. 4).

Durch weitere Zusätze, wie Holzkeile, spezielle Ligaturentechniken und den Zahn umfassende Hilfsmittel, wie Kappen, Ösen und Ringe, wurde versucht, die Ergebnisse zu verbessern.

So empfahl Delabarre, schiefe Zähne durch Holzkeile und Seidenfäden, die er zwischen die Zähne einlegte und festband, geradezurichten. Musste ein Zahn gezogen werden, drängte er die Nachbarzähne mittels kleiner Holzkeile in die Lücke. Bei Rotationen verwandte er eine Art Kappe, die dem gedrehten Zahn genau ansaß. An einer Seite der Kappe befand sich eine Öse, in der ein gebogener Hebel befestigt wurde. Dieser Hebel wurde mit seinem freien Ende der Zahnreihe entlang mit Ligaturen befestigt (Abb. 5). Eine Doppelspange wurde von Linderer bei multiplen Achsendrehungen eingesetzt. An der mesialen und distalen Seite der Zähne waren Bohrungen in der Doppelspange angebracht, um die Zähne mit Holzkeilen zu rotieren (Abb. 6) [Pfaff 1906]. Maury extrahierte die ersten Prämolaren eines Kiefers bei stark hervorstehender Front und verwandte eine Ligatur, um die Eckzähne in die entstandene Lücke zu ziehen. Das Abrutschen der Seidenfäden vermied er durch das Befestigen kleiner Bleche, die er in Häkchenform über die Zähne greifen ließ (Abb. 7). Linderer verzichtete auf diese Bleche und bevorzugte bei seinen Regulierungen die nach ihm benannte Schleifenligatur.

Damit die Fäden nicht unter das Zahnfleisch glitten, ließ er die Ligatur über die Schneideflächen greifen (Abb. 8) [Angle 1913a].

Schange verbesserte dann die Apparatur Catalans und entwickelte zur Regulierung der Schiefstände eine Apparatur, welche aus zwei die Molaren und Prämolaren umfassenden Klammern bestand. An der bukkalen Seite war ein breitgeschlagener Golddraht angelötet, der den bukkalen Flächen des Zahnbogens folgte und von den nach auswärts zu drängenden Zähnen etwas abstand (Abb. 9). Um für eine Rotationsbewegung die Zahnkrone körperlich fassen zu können, benutzte er eine Art Klammerband, das den Zahn durch zwei von den Molaren kommende Fadenzüge drehte (Abb. 10) [Pfaff 1906].

Linderer veröffentlichte 1848 ein Handbuch, in welchem Methoden zum Geraderichten von Zähnen beschrieben wurden. Er verwandte unter anderem Ringe mit Ösen und Ligaturen zur Achsendrehung. Ein Metallring, der an einer Seite offen war und dessen Enden ungefähr fünf Millimeter auseinander standen, wurde an beiden Enden durchbohrt. Der Ring wurde angelegt und mit einem Faden zusammengebunden. Die an dem Ring angebrachten Ösen verband man über Ligaturen mit einem Molaren, indem die äußere Ligatur nach innen geführt wurde und die innere nach außen (Abb. 11).

Eine weitere Entwicklung ging in die Richtung, Mechaniken aus dem Bereich des Maschinenbaus zu übernehmen und zu miniaturisieren. Carabelli hat auf diese Weise zahlreiche Apparate entwickelt. Als Erster fertigte er seine Apparate nicht mehr am Patienten direkt, sondern im Labor auf Patientenmodellen an. Zwei Apparaturen, die durch ihre Kompliziertheit auffallen, seien hier erwähnt. An einem Metallbügel war ein System von Miniaturgewinden und Wellen befestigt. Die zu regulierenden Zähne wurden von Fäden umschlungen, die um die Wellen liefen. Durch Aktivierung der Gewinde wurden die betreffenden Zähne nach außen gezogen. Eine Sperrvorrichtung aus einem Zahnrad und einer Sperrklinke hielt die Welle in ihrer neuen Lage fest (Abb. 12). Carabelli benutzte auch eine Miniaturschraubenpresse, um einen Zahn in palatinaler Richtung zu verschieben. Die Schraube verlief durch den Labialbügel und wurde durch ihre Eigenreibung im Gewinde in der gewünschten Lage festgehalten (Abb. 13).

Rogers entwickelte etwa zur gleichen Zeit einen „Regulator“. Dieser bestand aus zwei die Molaren umfassenden Kappen und einem halbkreisförmigen Band, das zwei gezahnte Enden besaß. Der gezahnte Teil des Bandes griff an den Hülsen in ein Zahnrad ein, das mit Hilfe eines Uhrenschlüssels gedreht werden konnte. Die anderen Zähne befestigte er mit Seidenligaturen (Abb. 14). Zur Vermeidung eines palatinalen Kippens der Oberkieferfrontzähne bei Reduzierung einer Frontzahnstufe oder zur Regulierung eines Steilstandes der Oberkieferfront, zeigte Farrar 1878, wie er den labial verlaufenden Bogen zum Festhalten der Frontzähne benutzte, während er die Vorwärtsoder Rückwärtsbewegung der Wurzeln durch Druck oder Zug zweier Hebeschrauben durchführte. Er bewirkte mit dieser Mechanik eine Torquebewegung, benötigte jedoch für den bukkalen Wurzeltorque eine andere Vorrichtung als zur Durchführung eines lingualen Wurzeltorques (Abb. 15) [Angle 1913b].

Dr. Boris SonnenbergOlgastraße 3970182 Stuttgart

Prof. Dr. Dr. Gernot GözPoliklinik für KieferorthopädieOsianderstraße 2–872076 Tübingen

Den zweiten und dritten Teil lesen Sie in den zm 13 und 14

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