Börsenmanipulation

Wenn Aktionäre zu Opfern werden

Auf Börsenmanipulateure hereinzufallen ist ärgerlich und enttäuschend. Auch einige Leser der zm mussten schon diese Erfahrung machen – wie zwei Fallbeispiele zeigen.

Die bislang größte Übernahmeschlacht in Deutschland war die Einverleibung der Mannesmann AG durch den britischen Mobilfunkbetreiber Vodafone. Der war nur am Mannesmann- Mobilfunknetz D2 interessiert. Da wollte die Deutsche Telekom nicht zurückstehen und machte auf dem Höhepunkt des Telekom- Booms der Telecom Italia (TI) ein Übernahmeangebot. Doch der traditionsreiche Büromaschinenhersteller Olivetti, der sich zum zweitgrößten Telekom- Anbieter Italiens gemausert hatte, hielt dagegen. Die TI-Aktionäre entschieden sich für Olivetti. 

So kam Olivetti in den Besitz von gut 54 Prozent der TI-Aktien. Das bedeutete: Wer künftig Telecom Italia besitzen wollte, musste Olivetti kaufen. Und alles deutete darauf hin, dass Olivetti nur ein Zwischenhändler für TI war, damals der größte Mobilfunkanbieter Europas. Da lag die Schlussfolgerung nahe: Olivetti könnte eine ähnlich heiße und ertragreiche Aktienspekulation werden wie Mannesmann.  

Heiße Spekulation

Die zm waren wohl das erste Medium, das im Januar 2000 in seiner zweiten Ausgabe diesen Spekulationsgedanken publizierte. Aber auch die Börsianer rochen den neuen Braten recht bald. Der Olivetti-Kurs stieg nach der TI-Übernahme rasch von etwas über einem Euro auf über 4,50 Euro an. Wer ohne Rücksicht auf die einjährige Spekulationsfrist verkaufte, für den war „die (vielleicht) spektakulärste Spekulation des Jahres“ (so die zm-Überschrift) wahr geworden. Doch im März 2000 kam die noch heute grassierende Börsenbaisse herbeigeschlichen. Der Olivetti-Kurs fiel in die Gegend von zwei Euro zurück. Doch Telecom Italia wurde weiter, wie etwa das US-Wirtschaftsmagazin „Business Week“ im Februar 2001 schrieb, vom sehr erfolgreichen Olivetti-Sanierer Roberto Colaninno zum Verheiraten „als Braut geschmückt“.  

Im September des Jahres 2001 gab es dann völlig überraschend eine Blitzhochzeit. Als Bräutigam trat der italienische Reifenhersteller Pirelli in Erscheinung. Und Pirelli-Chef Marco Tronchetti Provera zeigte der Börsenwelt, was ein Meister des Tricksens ist. Und wie man in Italien Freundschaften unter Männern nutzt. Er kaufte einem so genannten Bell-Konsortium, in dem sich neben dem TI-Chef Colaninno eine Handvoll einflussreicher italienischer Geschäftsleute vereint hatte, für 7,7 Milliarden Euro ein 23-prozentiges Aktienpaket an Olivetti ab. Als die Nachricht bekannt wurde, hatten die Mailänder Börsianer schnell gerechnet: Der elitäre Zirkel von Superreichen hatte für die Olivetti-Aktien einen Kurs von 4,17 Euro bekommen. Prompt schnellte die Olivetti-Aktie an der Mailänder Börse auf diesen Kurs hoch.

Klüngel an der Börse

Das aber war nicht im Sinne des Pirelli-Lenkers. Dieser telefonierte kurz mit seinem Freund, dem Chef der Mailänder Börse, und der setzte den Olivetti-Kurs vorübergehend vom Handel aus. Das ist insofern höchst ungewöhnlich, weil eine Kursaussetzung in der Regel nur dann erfolgt, wenn die Aktionäre vor unbedachten, womöglich stark verlustreichen Verkäufen geschützt, aber nicht an Gewinn bringenden Verkäufen gehindert werden sollen. Aber Tronchetti Provera bekam so Zeit, in einer spektakulären Pressekonferenz zu verkünden, ihm würde das 23-Prozent-Paket von Olivetti zur Beherrschung von Telecom Italia reichen. In der Tat: Er war damit der größte Einzelaktionär und Olivetti war durch die Schrumpfung seines TI-Anteils auf rund 30 Prozent gleichsam kastriert. 

Die Folge: Der Olivetti-Kurs stürzte nach Wiederaufnahme der Notiz auf sein altes Niveau von rund zwei Euro ab. Und Provera konnte so, nicht zuletzt durch eine beinahe mafiöse Unterstützung durch die Mailänder Börse, weitere Olivetti-Papiere zum Discount-Preis einsammeln, um unbemerkt seine Macht bei Telecom Italia weiter auszubauen. Unter fairen Börsenbedingungen, wie sie in vielen Staaten der Welt sogar als Gesetz festgeschrieben sind, hätte Pirelli nicht zu einem Freundschaftspreis ein 23-Prozent-Paket aufkaufen dürfen, sondern hätte auch den Kleinaktionären ein Übernahmeangebot machen müssen.  

Fazit: Die Spekulationsempfehlung der zm ist zwar aufgegangen, aber unter Umständen, die mit „manipulativ“ höchst milde bezeichnet sind. Die zuständige Staatsanwaltschaft hat den Fall nicht aufgegriffen. Es wurde auch nicht weiter untersucht, warum ein Hobbypilot gezielt gegen das Pirelli-Hochhaus von Mailand geflogen ist, um sich und womöglich auch Mitarbeiter der Management-Etage bewusst zu töten.

Der Fall AquaTec

Als am Neuen (deutschen) Markt nach beinahe jeder Neuemission die Kurse der frisch eingeführten Titel pfeilschnell nach oben schossen, konnte sich das Finanz- Ressort der zm-Redaktion diesem Phänomen nicht länger verschließen. Es entwickelte eine Serie, sich bereits vorbörslich in Aktien einzukaufen, die alsbald börsenreif gemacht werden sollten. Einer dieser (zum Glück wenigen) Kandidaten war die AquaTec AG im hessischen Niederdorfelden, eingetragen beim Amtsgericht Hanau unter der Handelsregisternummer 6191. Die Firma wurde in zm 15 des Jahres 1999 vorgestellt.  

Das Jungunternehmen gab vor, mit einer patentierten Technologie ein innovatives und überaus kostengünstiges Abwasserreinigungsverfahren auf den Markt gebracht zu haben. Danach wurden die Abwässer rein biologisch und völlig geruchsfrei in großen, luftdicht verschlossenen Stahlcontainern oder Stahlbassins direkt vor Ort gereinigt. Die üblichen, weitläufigen Zulaufkanäle und die damit verbundenen teuren Tiefbauarbeiten zu großen zentralen Kläranlagen konnte man sich sparen. AquaTec erzielte damals (auf dem Papier) einen einstelligen Millionenumsatz und schrieb amtlich testierte Gewinne. Diese überaus positiven Zahlen standen in einem geprüften Geschäftsbericht, sie waren nicht der Fantasie des Vorstandsvorsitzenden Horst-Peter Fischer entsprungen, den die zm-Redaktion – ebenso wie dessen Bruder in seiner Funktion als Aufsichtsratsvorsitzenden – interviewt hatte. 

Nun ergab es sich, das ein Venture- Investor, die Fundag AG in Grünwald bei München, über seine Vertriebstochter Capital Direct 400 000 Aktien zu einem Preis von 24,80 Mark, natürlich mit Gewinn, an freie Aktionäre vorbörslich verkaufen wollte. Die zm machten darauf aufmerksam und publizierten die Telefonnummer dieser Vertriebsgesellschaft. AquaTec wurde dann in der Tat alsbald am Ungeregelten Markt in Frankfurt und München gelistet. Die vorbörslich erworbenen Aktien waren somit, wie prognostiziert, handelbar. Und die Aussichten des Unternehmens waren laut Vorstandsmitglied Horst-Peter Fischer nach wie vor glänzend, wie er den zm in einem Interview Ende August 2000 bestätigte. Er schwärmte von einem riesigen Marktpotential im Mittelmeerraum, das AquaTec gerade erschlossen habe und schickte zur Bestätigung glänzende Quartalszahlen. Im Januar 2001 verschickte AquaTec den letzten Börsenbrief. Er enthielt die Basisdaten für das Geschäftsjahr 1999 mit einem Umsatz von 15,3 Millionen Mark, ein Plus von 680 Prozent gegenüber dem Vorjahr und einem „Konzernbilanzgewinn“ von 752 000 Mark, eine Steigerung von 370 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Bilanzen seien rechtmäßig erstellt worden und amtlich testiert, hieß es ferner. Die „in zirka ein bis zwei Wochen“ angekündigte Hauptversammlung für 1999 fand dann doch nicht mehr im Januar, sondern erst im Juni statt. Sie verlief äußerst turbulent und entsprach wohl nicht den Regeln. Daraufhin wollte die Fundag AG als Kapital gebender Großinvestor freie Aktionäre mobilisieren, um eine genügende Stimmenmehrheit zur Einberufung einer außerordentlichen Hauptversammlung zu bekommen. Eine Sonderprüfung sollte hier beschlossen werden. Daraus wurde leider nichts.  

Auf Tauchstation

Seit Ende des Jahres 2001 – das Emissionshaus von AquaTec, eine Secunda AG mit Sitz in München, war mittlerweile in die Fänge der Staatsanwaltschaft geraten – ist der Aktienkurs von AquaTec ausgesetzt. Statt einer Zahl finden die Aktionäre nur noch einen waagerechten Strich auf dem Kurszettel. Seit dem 25. Februar 2002 steht AquaTec auf der „Graugrünen Liste“ der Redaktion „Öko-Invest“, die vor gefährlichen Investitionen in Unternehmen warnt, die mit dem Umweltschutz hausieren gehen.  

Mittlerweile ist AquaTec auf Tauchstation gegangen. Das Telefon wird nicht mehr bedient, Post wird nicht mehr beantwortet. Es geht das Gerücht um, die beiden Fischer-Brüder, der eine Vorstands-, der andere Aufsichtsratschef, hätten sich in die Schweiz abgesetzt. Bei der Fundag AG wie auch deren Vertriebstocher Capital Direct sind die Telefone auf „dauerbelegt“ geschaltet. Der Grund: Insolvenz. jk  

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