Bayerischer Zahnärztetag und Kammerjubiläum

75 Jahre und kein bisschen vergreist

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Jung und wild und kein bisschen angestaubt präsentierte sich die Bayerische Landeszahnärztekammer (BLZK) zu ihrem 43. Zahnärztetag und gleichzeitig 75- jährigen Kammergeburtstag. Wie ein frischer Wind zog eine Botschaft durch die Veranstaltungen: Im Gegensatz zu Verkrustung und Stillstand in der Politik zeigt sich bei der Zahnärzteschaft Bewegung, Innovation und Weiterentwicklung.

Der Geist der Gruppe Steppenwolf mit ihrem Kultsong „Born to Be Wild“, der zum Ausklang des Festaktes ertönte, war schon fast Programm für die Veranstaltung. Die Eröffnung des Zahnärztetages und des 75- jährigen Kammerjubiläums machte eines deutlich: Trotz ihres ehrwürdigen Alters wirkt die Bayerische Zahnärztekammer kein bisschen vergreist. Im Gegenteil, schon immer, so wurde den Teilnehmern angesichts einer geschickt in die Dramaturgie der Veranstaltung eingestreuten Kammerhistorie deutlich, zeigte sich die bayerische Selbstverwaltung kämpferisch und innovativ im Sinne des freiheitlichen Berufstandes. Und das Thema des Zahnärztetages „Funktion und Ästhetik: Therapieformen heute – Therapiemöglichkeiten morgen“ zeigte sich ganz zukunftsgerichtet.  

Den Blick nach vorne unterstrichen auch die Redner des Festaktes. Kammerpräsident Michael Schwarz skizzierte zur Begrüßung, dass der Berufstand durch Höhen und Tiefen gegangen sei. Zu den Höhen gehörten die jahrzehntelangen Bemühungen und jetzigen Erfolge um die Prävention, die letztlich in einer kompletten Neubeschreibung der präventionsorientierten Zahnheilkunde gipfelten. Das habe man erreicht durch kontinuierliche und qualitativ gute Arbeit. Tagtäglich stelle der Zahnarzt in der Praxis seine Qualität unter Beweis. Deshalb seien Bestrebungen der Politik, diese durch Zertifizierung und Rezertifizierung noch zu zementieren, überflüssig. Die Zahnärzteschaft werde sich auch künftig als freie und kämpferische Berufsgruppe politisch stets für innovative Weiterentwicklungen einsetzen. Das unterstrich auch der Präsident der Bundeszahnärztekammer, Dr. Dr. Jürgen Weitkamp. Die Politik halte an ihrem Kurs des Einsammelns und Umverteilens fest. Umso mehr müsse die Zahnärzteschaft ihre Positionen festigen für die Zeit, wenn ein Reformstau einfach nicht mehr aufzuhalten sei. „Der Staat müsste wieder lernen, sich zurückzunehmen, nicht in alle Abläufe einzugreifen oder sie zu steuern.“ Weitkamp forderte gerade auch in, dass die Zahnärzteschaft ihren Pflichten, so zum Beispiel der Beibehaltung des aktuellen Wissensstandes in Form einer freiwilligen regelmäßigen Fortbildung, stets nachkomme. „Es ist eine hohe Kunst, auf dem schmalen Grat zu wandern, auf der einen Seite unter GKV-Bedingungen zu arbeiten und auf der anderen Seite den Berufsstand behutsam weiterzuentwickeln, damit er den Anforderungen freiheitlicher Strukturen, auf die wir hoffen, jederzeit gewachsen ist.“ 

Als verlässlichen Partner der Politik beschrieb der bayerische Staatsminister für Gesundheit, Ernährung und Verbraucherschutz, Eberhard Sinner, die zahnärztliche Selbstverwaltung. Sie sei integraler Bestandteil des Gesundheitssystems. In den 75 Jahren ihres Bestehens sei es stets gelungen, ein konstruktives Miteinander auf sachlicher Basis zu pflegen. Grundproblem der Gesundheitspolitik in Deutschland sei es, eine finanzierbare, leistungsstarke medizinische Versorgung für die Bevölkerung zu sichern. Die sei nur lösbar durch eine Strukturreform des gesamten Gesundheitswesens. Flexibilität, Deregulierung, Transparenz und Qualitätssicherung seien die Stichworte. „Die Abschaffung Kassenärztlicher Vereinigungen verbessert das Gesundheitswesen keinesfalls.“

Ein Deutschland der Greise

Die Frage, ob Deutschland vergreist, beantwortete Festredner Prof. Dr. Norbert Walter, Chef-Volkswirt der Deutschen Bank Gruppe, mit einen eindeutigen Ja. „Wenn uns die Altersversorgung erschlägt, wird uns die Gesundheitsversorgung totschlagen“, mahnte er. Bisher sei man in Deutschland auf diese Probleme nicht genügend vorbereitet. Noch überwiege der Eindruck, dass das Kollektiv dies schon richten werde. Die Eigenverantwortung sei noch nicht auf ein vernünftiges Maß hin entwickelt. Wichtig sei, frühzeitig die Jugend zu mobilisieren, sich auf diese Entwicklungen einzustellen. Als mögliche Lösungswege schlug er vor, der natürlichen Rolle der Familie wieder ein adäquates Umfeld zu geben, eine vorübergehende selektive Zuwanderung zu ermöglichen, jüngere Menschen wieder zu bewegen, in jungen Jahren ins Erwerbsleben einzutreten, die Wochenarbeitszeit zu erhöhen, das Rentenalter heraufzusetzen und die Frauenerwerbsquote durch kreative Modelle zu erhöhen. Er prognostizierte, dass medizinische und pflegende Berufe einen enormen Auftrieb erfahren werden und empfahl dringend, sich rechtzeitig mit geeigneten Konzepten darauf einzustellen. „Gewinnen wir die Jugend, dann haben wir die Chance, dass wir nicht mit Volldampf gegen die Wand fahren.“   

Kaum Aufbruch im Sozialstaat

Mit Spannung wurden anlässlich der anschließenden Podiumsdiskussion Antworten auf die Frage „Nach der Bundestagswahl: Sozialstaat im Aufbruch?“ erwartet. Unter Moderation vom BLZK-Öffentlichkeitsreferenten Christian Berger diskutierten Christa Stewens, Staatsministerin für Arbeit und Sozialordnung, Prof. Dr. Norbert Klusen, Vorstandsvorsitzender der Techniker Krankenkasse, Günter Dibbern, Vorstandsmitglied der DKV, und Fritz Schösser, MdB, DGB-Vorsitzender Landesbezirk Bayern. Die Zahnärzteschaft wurde vertreten von Kammerpräsident Michael Schwarz und dem Vorsitzenden der KZBV und gleichzeitig der KZV Bayerns, Dr. Rolf-Jürgen Löffler. 

Vehement kämpften die zahnärztlichen Vertreter wieder einmal mit innovativen Ideen gegen festgefahrene Konzepte der Politik und Krankenkassen. Schwarz argumentierte gegen Rot-Grün: „Sie stellen Blanko- Schecks aus, die Sie nicht einlösen können.“ und forderte mehr Markt und Wettbewerb. Löffler brachte es auf den Punkt: „Die Vertragszahnheilkunde ist für Zahnärzte und Patienten ein Gefängnis, das ihnen systematisch die Rechte wegnimmt.“ Der Patient und dessen Selbstverantwortung müssten wieder mehr in den Mittelpunkt gerückt werden. Zwischen Selbstverwaltung und Krankenkassen müsse die Politik der gleich langen Spieße wieder greifen.  

Seitens Politik und Krankenkassen war zumindest von Aufbruchstimmung nicht viel zu erkennen. Die bekannten Koalitionspositionen wurden wieder einmal festzementiert.

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