Gesundheitspolitische Veranstaltung in Kiel

Evolution mit revolutionären Schritten

Im Vorfeld der Kieler Woche fand eine gesundheitspolitische Diskussionsrunde statt, die vom Fritz Beske Institut für Gesundheits-System-Forschung (IGSF) organisiert wurde. Eines war deutlich: Die weitreichendsten Konzepte zu einer Reform des Gesundheitswesens kamen von Seiten der Zahnärzteschaft und der FDP.

Die gesundheitspolitische Diskussion unter der Leitung und Moderation von Prof. Dr. Fritz Beske im Vorfeld der Kieler Woche hat Tradition. Diesmal waren Spitzenvertreter von Parteien und Verbänden geladen, die über die Frage debattierten: „Revolutionäre oder evolutionäre Entwicklung – können wir eine System verändernde oder systemkonforme Gesundheitsreform erwarten?“ Im Beisein von Fachleuten und Angehörigen aller Gesundheitsberufe, darunter auch dem Kammerpräsidenten Schleswig-Holsteins, Dr. Tycho Jürgensen, ergab sich ein interessanter fachlicher Schlagabtausch.

Um es gleich vorweg zu nehmen: Die innovativsten Konzepte zur Weiterentwicklung des Gesundheitswesens kamen aus den Reihen der Zahnärzteschaft und der FDP. Der Präsident der Bundeszahnärztekammer, Dr. Dr. Jürgen Weitkamp, brachte die Sache auf den Punkt. In zehn Jahren hätten mehr als 8 000 neue Paragraphen nicht dazu geführt, das Gesundheitswesen zu verbessern. Eher aus der Not heraus spreche er sich für eine Evolution statt einer Revolution aus. De facto bedürfe es einschneidender Änderungen im System, um das deutsche Gesundheitswesen europatauglich zu machen. Das bedeute: Abbau von Bürokratie und mehr Eigenverantwortung des Patienten. Die Kostenerstattung sei das geeignete Instrument, um zu mehr Wettbewerb und Transparenz im Leistungsgeschehen zu führen. Das Arzt- Patienten-Verhältnis müsse im Mittelpunkt stehen: „Mein bester Kontrolleur ist und bleibt der Patient.“ Weitkamp erteilte Diskussionen um die Anhebung der Versicherungspflicht und wachsenden Reglementierungen eine klare Absage.

Eine starke Unterstützung kam seitens der FDP. Dr. Dieter Thomae vom Bundestags- Gesundheitsausschuss plädierte für „etwas Revolution“, nämlich einen Abschied vom Sachleistungssystem und eine Hinwendung zur Kostenerstattung. Gekoppelt damit müssten Selbstbeteiligungen, und Bonusregelungen greifen. Der Leistungskatalog müsse entschlackt werden. Vor allem werde Europa im Gesundheitswesen verstärkt eine Rolle spielen.

Mehr Eigenverantwortung

Dr. Hans-Georg Faust (CDU/CSU), Mitglied des Ausschusses für Gesundheit des Deutschen Bundestages, gemahnte, der PKV einen höheren Stellenwert einzuräumen, Selbstbestimmung und Eigenverantwortung des Patienten zu stärken, ohne den solidarischen Aspekt aus den Augen zu verlieren. Er sprach sich für mehr Wettbewerb, Qualität und Transparenz und gegen Budgetierung und Rationierung in den Arztpraxen aus. Wenig Innovatives kam von Seiten der SPD. Wolfgang Wodarg (SPD) vom Bundestags-Gesundheitsausschuss betonte, es sei erforderlich, das System zu stabilisieren und Effizienzreserven zu schaffen. „Wir dürfen mit Scheinargumenten das System nicht kaputt reden.“ Ähnlich der Tenor der Krankenkassen: Es gebe keinen Grund, so der Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Dr. Hans Jürgen Ahrens, das Gesundheitswesen umzukrempeln. Man müsse aber das Problem der Über-, Unter- und Fehlversorgung in den Griff bekommen und die Qualität der Versorgung heben. Rolf Stuppardt, Vorstandsvorsitzender des IKK-Bundesverbandes, plädierte für mehr Transparenz, eine stärkere Standardisierung, Vernetzung, mehr Wirtschaftlichkeit und mehr Prävention.

Vertreter der Ärzteschaft plädierten ebenfalls für die Weiterentwicklung von Reformen im System. Seitens der Deutschen Krankenhausgesellschaft hob deren Präsident, Dr. Burghard Rocke, den drohenden Ärztemangel und die Notwendigkeit hervor, angesichts der demografischen Entwicklung und des medizinischen Fortschritts neue Wege zu beschreiten.

Im Rahmen der Veranstaltung kamen zwei in sich geschlossene innovative Konzepte im Gesundheitswesen zur Sprache: Die befundorientierten Festzuschüsse der Zahnärzte und die DRGs im Krankenhauswesen. Dr. Weitkamp stellte die Systematik des zahnärztlichen Modells ausführlich dar. Er machte deutlich, dass es sich dabei um ein Konzept handelt, in dessen Mittelpunkt der Patient und das Verhältnis zu seinem Zahnarzt stehe. Es sei europakompatibel, fördere den Wettbewerb und ermögliche gleichen Zugang zum medizinischen Fortschritt für jeden. Prof. Beske sprach sich dafür aus, dass ein solches System einmal modellhaft erprobt wird.

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