Marburger Symposium „Sport und Krebs“

Mehr Fitness, weniger Krebs

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Erwachsene mit guter Fitness haben eine achtfach verringerte kardiovaskuläre Mortalität. Doch Sport ist nicht nur gut fürs Herz – er kurbelt auch das Immunsystem an und senkt so das Risiko einer Krebserkrankung, wie auf dem Marburger Symposium „Sport und Krebs“ zu erfahren war.

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Es ist nur wenige Jahre her, dass der amerikanische Radsportprofi Lance Armstrong an Hodenkrebs erkrankt ist – eigentlich hätte man von einem Ende der Sportlerkarriere ausgehen können. Doch auch im letzten Sommer ist Armstrong maschinengleich auf der Tour de France an Jan Ulrich vorbeigeradelt. Ein weiterer prominenter Krebs-Fall im Sportlermillieu: die erfolgreiche Leichtathletin Ludmilla Enquist, die an Brustkrebs erkrankte, bevor sie die Bronzemedaille bei Weltmeisterschaften gewann. Die Zusammenhänge von Sport und Krebs sind nicht zuletzt aufgrund dieser Ausnahmesportler sowohl in den öffentlichen als auch den wissenschaftlichen Blickpunkt gerückt.

Seit einigen Jahren wird der kanzerprotektive Effekt von Sport verstärkt untersucht und nachgewiesen. Epidemiologische Studien, die den Zusammenhang von Brustkrebs und körperlicher Aktivität in Beruf und Freizeit untersucht haben, konnten einen schützenden Effekt durch vermehrte Aktivität nachweisen. „Von 36 Studien zeigten 24 eine durchschnittlich 30- bis 40-prozentige Risikoreduktion“, so Dr. Christine Graf vom Institut für Kreislaufforschung und Sportmedizin an der Sporthochschule Köln. Neben Graf erläuterten sieben weitere Referenten auf dem Symposium „Sport und Krebs“ in Marburg ihre Forschungsschwerpunkte in diesem Bereich und standen Ärzten, Patienten und Selbsthilfegruppen Rede und Antwort. Sowohl Prävention als auch Rehabilitation waren Themen der Veranstaltung.

Zwei Hauptfragen beschäftigen derzeit die Forschung:

• Ist es möglich, durch gezielte sportliche Aktivitäten Krebserkrankungen vorzubeugen?

• Kann Sport die Krebsbehandlung positiv unterstützen oder das Risiko einer Wiedererkrankung mindern?

Modifikationen des Lebensstils – nicht rauchen, gesunde Ernährung, körperliche Aktivität – sind in der Primärprävention der Herz-Kreislauf-Erkrankungen bereits unumstritten. Doch es gebe auch diesbezügliche Hinweise für die Bedeutung von Sport – besonders beim Dickdarmkarzinom und Brustkrebs, wie Graf feststellte.

Diese Einsicht teilt auch Prof. Dr. Dr. Horst Michna: „Unter Erwachsenen mit guter physischer Fitness ist die Krebsmortalität dreimal geringer als im Durchschnitt.“ Das Risiko an Brustkrebs zu erkranken könne durch körperliche Aktivität um 30 bis 40 Prozent gesenkt werden. In den neuesten Studien über die Senkung des Brustkrebsrisikos durch körperliche Aktivität werden die Daten überwiegend als „überzeugend“ gewertet.

Großer Nachholbedarf

„Während die Relevanz primärer Tumorprävention bereits ins öffentliche Bewusstsein gerückt ist, scheint bei der Tumornachsorge sowie Sekundärprophylaxe noch Nachholbedarf zu existieren“, betont allerdings Prof. Dr. Joseph Beuth, Direktor des Institutes zur wissenschaftlichen Evaluation naturheilkundlicher Verfahren der Universität Köln. Insbesondere die therapieinduzierte Immunsuppression in der Folge chirurgischer, chemo- und strahlentherapeutischer Anwendungen sowie die Beeinträchtigung der Lebensqualität könnten durch adäquat terminierte supportive Maßnahmen kompensiert werden, so Beuth. Sekundärprophylaktische Basismaßnahmen, wie Ernährungsberatung und die Anleitung zu sportlichen Aktivitäten, könnten indikationsangepasste therapeutische Maßnahmen optimieren – dies sei auch durch Studien zu belegen.

Auch Prof. Dr. Gerhard Uhlenbruck, Köln, widmete sich auf dem Symposium den positiven Effekten von Sport in der Nachbetreuung. Durch Muskelarbeit werde der Botenstoff Interleukin 6 ausgeschüttet. So würden in der Leber Akute-Phase-Proteine freigesetzt und so genannte „bad cytocines“ nachweisbar gehemmt, während T-Lymphozyten, THelferzellen und natürliche Killerzellen stimuliert werden. Neben den somatischen Veränderungen – der Stimulation des Immunsystems – hob Uhlenbruck auch die psychischen Effekte hervor: Weniger Ängste und Depressionen, bessere Akzeptanz des eigenen Körpers und protektive Stressresistenz sind weitere positive Auswirkungen, die der Sport für den Krebspatienten birgt.

Einig sind sich die Wissenschaftler, dass das richtige Maß der sportlichen Betätigung den wesentlichen Faktor für den Erfolg darstellt. Leistungssport scheint eher ungünstig, doch eine gewisse Mindestaktivität darf auch nicht unterschritten werden. „Moderates Ausdauertraining“ ist das Zauberwort. 1000 bis 2000 Kalorien sollte der Mehrverbrauch pro Woche schon sein, empfiehlt Graf. Das Training – Jogging, Walking oder Rad fahren – sollte auf drei bis vier Einheiten wöchentlich verteilt sein. Uhlenbruck empfiehlt sogar ein tägliches moderates Walking von anderthalb Stunden. Doch schon bei drei bis vier Stunden pro Woche werde das Risiko von Brustkrebs halbiert.

Ausdauertraining

Krebs verursacht seit Jahren rund ein Viertel aller Todesfälle. Brustkrebs ist bei Frauen die häufigste Krebserkrankung. Bundesweit wird jährlich mit 46 000 Neuerkrankungen gerechnet. Gemeinsam mit der hessischen Krebsgesellschaft hat der Landessportbund Hessen mit fachlicher Beratung von Seiten der Sportmedizin das Programm „Spiel und Sport in der Brustkrebsnachsorge“ eingerichtet. Die Sport- und Betriebsmedizinerin Dr. Friederike Damm, Marburg, erläuterte dieses Programm. In den meisten Kliniken werde heute postoperativ Krankengymnastik angeboten. So soll die Beweglichkeit des Schultergelenkes wieder hergestellt werden. Eine stationäre Anschlussheilbehandlung werde allerdings nur von wenigen Patientinnen wahrgenommen. Dabei bestehen gerade hier – im Gegensatz zur ambulanten Nachsorge am Wohnort – weitere Bewegungsangebote, wie Wassergymnastik, Wandern oder Schwimmen.

Das Programm „Spiel und Sport“ ist eine sinnvolle Ergänzung zur ambulanten Nachsorge. Es hat keine speziellen Anforderungen in Bezug auf Alter oder sportliche Erfahrungen. Teilnahmevoraussetzung sei lediglich eine ärztliche Eingangsuntersuchung etwa drei Monate nach der Operation, so Damm. Als besonders günstig bewertet sie neben dem rein sportlichen Aspekt auch den psychischen Effekt der Gruppensituation: In dem Programm begegnen sich gleichbetroffene Frauen und unterstützen sich gegenseitig bei der Bewältigung ihrer Krankheit.

Fatigue – immer müde

Rund 70 Prozent der Tumorpatienten leiden während der Krebsbehandlung unter dem Müdigkeitssyndrom – auch als Fatigue bekannt. (Smets et al. 1993; British Journal of Cancer, 68:220-4). Untersuchungen bei Tumorpatienten während der Behandlung ergaben bereits beim einfachen Gehen Laktatwerte, die denen eines Marathonläufers entsprechen. „Kein Wunder, dass die Patienten den ganzen Tag müde sind“, betonte Dr. Fernando Dimeo von der Freien Universität Berlin. Doch er warnte vor falsch verstandener Rücksicht gegenüber diesen Patienten. Der Sportmediziner kritisierte die häufig ausgesprochene Empfehlung, während der Behandlung körperliche Aktivitäten zu reduzieren, um die Intensität der Müdigkeit zu verringern. Das Ergebnis sei meist paradox: Die Patienten reduzierten die körperliche Aktivität auf ein Minimum, so dass ein anhaltender Zustand von Bewegungsmangel entstehe. So kommt der Patient in eine Abwärtsspirale der Müdigkeit. „Warum sollte man mit körperlicher Aktivität sechs Monate warten? Geht es dem Patienten dann wieder gut, braucht man keine Reha mehr, geht es ihm immer noch schlecht, hat man ein halbes Jahr verloren.“ Dimeo empfiehlt Tumor-Patienten bereits während des Krankenhausaufenthaltes leichtes Gehtraining auf dem Laufband, was sich langsam auf bis zu einer dreiviertel Stunde täglich steigern lasse – auch eine Anämie sei kein Grund für Trainingsverzicht. Lediglich bei Patienten mit Fieber, Knochenmetastasen oder Mangelernährung sollte das Bewegungs-Training unterbleiben. Nur mit erhöhter Leistungsaktivität – langsam aber sicher gesteigert – kommt es zum Muskelaufbau und erhöhter kardiovaskulärer Leistungsfähigkeit, ist sich Dimeo sicher.

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