Leitartikel

Hausaufgaben für den Staat

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

.... und sie bewegt sich doch: Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt hatte auf dem Deutschen Ärztetag letzten Jahres die Novellierung der ärztlichen Approbationsordnung zur Chefsache erklärt. Sie zeigte sich zuversichtlich, dass es noch vor Ende der Legislaturperiode zwischen Bund und Ländern zu einem Kompromiss käme. Der ist jetzt verabschiedet. Vorausgegangen war „ein langer Weg“, kommentierte das Deutsche Ärzteblatt die zähe Entwicklung bis zum jetzt vorliegenden Ergebnis. Dessen ausführliche Analyse seitens der Ärzteschaft steht allerdings noch aus.

Befragt, ob auch die längst überfällige zahnärztliche Approbationsordnung auf der „To do-Liste“ der Regierung stehe, antwortete die Ministerin auf einer gemeinsamen Veranstaltung mit der Bundesärztekammer im Juli 2001 noch mit einem sybillinischen „Erst die Mediziner, dann sehen wir“. Dieses Hinhalte-Argument ist obsolet. Ulla Schmidt wäre inzwischen die dritte Person im Amt des Bundesgesundheitsministers, die sich seit dem von der Zahnärzteschaft Mitte der neunziger Jahre eingebrachten Entwurf für eine Novellierung aus der Verantwortung stiehlt.

Offensichtlich ist: Dass die aus dem Jahre 1955 stammende zahnärztliche Approbationsordnung längst nicht mehr den Erfordernissen heutiger Zahnheilkunde Rechnung trägt, stufen die Ressortchefs des Gesundheitswesens wohl nicht unter der Kathegorie „Vordringlich“ ein. Eine fatale Fehleinschätzung, deren Ausmaß sich angesichts der drängenden Probleme immer deutlicher darstellt. Schuld für diese Form staatlicher Vernachlässigung, so die Reaktionen der jeweiligen Gesundheitsminister, waren dabei immer andere. Mit Verabschiedung der ärztlichen Approbationsordnung ist jetzt aber klar: Auch ohne eine eigene Mehrheit auf Länderebene kann eine Bundesregierung ihre „Hausaufgaben“ gemeinsam mit dem Bundesrat erledigen. Das gilt auch für die Zeit nach der Bundestagswahl. Wer auch immer dann das Gesundheitsressort übernimmt, muss handeln.

Reform tut not, weil die wissenschaftliche Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde den nunmehr fast ein halbes Jahrhundert alten Lehrinhalten für eine staatliche Anerkennung längst entwachsen ist. Die modernen Entwicklungen in allen Bereichen der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde ebenso wie ein mit der Medizin integrierter fachübergreifender Unterricht kommen längst viel zu kurz. Die Zahnärzteschaft dokumentiert mit der Neubeschreibung der Zahn-, Mundund Kieferheilkunde überdeutlich, dass die bestehende Verordnung der heutigen Situation kaum noch Rechnung trägt. Was die staatliche Approbationsordnung fordert, entspricht längst nicht mehr den Erfahrungen aus Praxis und Wissenschaft.

Schlecht beraten, die Novelle einer zahnärztliche Approbationsordnung noch länger zu verzögern, wäre der Staat aber auch wegen der zur Zeit noch nicht berücksichtigten Anforderungen im Bereich zahnmedizinischer Prävention. Hier geht es um die Kernfrage zur Glaubwürdigkeit von Forderungen dieser Bundesregierung. Auf Dauer wird es nicht reichen, einfach den Präventionsgedanken in den Mittelpunkt sämtlicher Reformüberlegungen des Gesundheitswesens zu stellen, ohne dass die Leistungsträger des Systems auch durch entsprechende Grundlagen für diese Aufgabe befähigt werden. Sich in dieser Frage schlicht und ausschließlich auf die von den Zahnärztekammern getragene, berufsintern organisierte und gut funktionierende Fortbildung zu verlassen, ist keine Lösung für die immer unzureichenderen finanziellen, personellen und strukturellen Voraussetzungen an Deutschlands Universitäten.

Wir Zahnärzte werden jetzt mit Nachdruck die ausstehende Novellierung einfordern. Die Zeit ist reif, die Fakten legen wir – sorgsam aufbereitet – auf den Tisch. Die ärztliche Approbationsordnung soll für das Wintersemester 2003/2004 in Kraft treten. Aus Sicht der deutschen Zahnärzteschaft spricht nichts dagegen, dass noch im selben Jahr auch für Deutschlands Zahnmedizin-Studenten eine Approbationsverordnung in Kraft tritt, die endlich den Erfordernissen unserer Zeit entspricht.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Dr. Jürgen WeitkampPräsident der Bundeszahnärztekammer

Melden Sie sich hier zum zm-Newsletter des Magazins an

Die aktuellen Nachrichten direkt in Ihren Posteingang

zm Heft-Newsletter


Sie interessieren sich für einen unserer anderen Newsletter?
Hier geht zu den Anmeldungen zm Online-Newsletter und zm starter-Newsletter.