Gesundheitspolitik auf dem Prüfstand

Viele Konzepte und wenig Klarheit

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So viel scheint sicher: Gesundheitspolitik wird zu einem der zentralen Wahlkampfthemen für die kommende Bundestagswahl. Kaum vergeht in den letzten Wochen ein Tag, wo nicht eine Partei, ein Politiker, eine Institution, ein Verband oder ein Experte sich zu Wort meldet mit neuen Aussagen zur Reform des Gesundheitswesens. Hier sind ein paar neue Schlaglichter der letzten Zeit. Die Quintessenz lautet: Vieles ist offen und zum Schluss bleibt die Qual der Wahl.

Gerade erst hat die SPD Eckpunkte für den Wahlkampf vorgestellt. Dabei hat Generalsekretär Franz Müntefering sich eindeutig für den Erhalt der Solidarsysteme ausgesprochen. Zwar würden sich auch die Sozialdemokraten für das Prinzip der Eigenverantwortung aussprechen. Jedoch sollten sich Arbeitslose, Kranke oder Pflegebedürftige weiterhin auf die Solidargemeinschaft verlassen können, so Müntefering. Qualitätssicherung und Prävention sollten gefördert werden. Die Thesen sind bekannt und wurden unter anderem von Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt vor der Friedrich-Ebert-Stiftung im Dezember ausführlich zusammengefasst. Doch so richtig festgezurrt scheinen die SPD-Vorstellungen zur Gesundheitspolitik innerhalb der Partei nicht zu sein. Der Weg ist zwar klar, aber bisher liegt kein geschlossenes Reformkonzept auf dem Tisch. Unklar ist derzeit, wer sich in der SPD im Streit um weitere Konkretisierungen durchsetzt: Ulla Schmidt oder der rheinlandpfälzische Sozialminister Florian Gerster (siehe auch Bericht in der Ärzte Zeitung vom 15. Februar 2002) , der sich immer wieder mit provokanten Reformvorschlägen in die Schlagzeilen gebracht hatte. Ein Kongress der Partei am 20. Febraur in Berlin soll der Vorbereitung des endgültigen Regierungsprogramms dienen.

Druck bekommt die Regierung unterdessen von den unionsgeführten Ländern. Unter Federführung Baden-Württembergs haben diese vor kurzem ein Eckpunktepapier für eine Gesundheitsreform beschlossen. Der Titel: „Patient im Mittelpunkt eines wettbewerblichen Gesundheitssystems“.

Mehr Eigenverantwortung

Darin spricht man sich für eine größere Eigenverantwortung und mehr Entscheidungsfreiheit und Wahlmöglichkeiten für den Patienten aus. Die Grundsätze der freien Arztwahl und der Grundsatz der leitlinienunterstützten Therapiefreiheit dürften vom Gesetzgeber nicht eingeengt werden, heißt es dort. Die unionsgeführten Länder sprechen sich gegen eine Aufsplittung des GKV-Leistungskataloges in Grund- und Wahlleistungen aus. Als Kernstück des Reformkonzeptes soll ein so genanntes Drei-Stufen-Modell eingeführt werden. Die erste Stufe beinhaltet den gesamten GKV-Leistungskatalog, der auch weiterhin paritätisch finanziert werden soll. Der Versicherte kann sich freiwillig für eine Selbstbeteiligung entscheiden. Die zweite Stufe sieht kassenindividuelle Mehrleistungen vor, die zu 100 Prozent von den Arbeitnehmern finanziert werden sollen. Die dritte Stufe beinhaltet das Recht des Versicherten, einzelne beziehungsweise alle satzungsmäßigen Mehrleistungen einer Krankenkasse abzuwählen.

Gerade ist die dritte Phase der großen öffentlichen Aufklärungsoffensive der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) gestartet (siehe zm-Titelstory Nr. 4/2002). Es gibt noch weitere Initiativen. So haben der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), die IG Metall und die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di in Stuttgart eine Kampagne zur Gesundheitsreform gestartet, die Signalwirkung für ganz Baden-Württemberg haben soll. Darin spricht man sich für die paritätische Finanzierung und die Beibehaltung von Chipkarten-Abrechnungen von Krankenkassen-Leistungen aus. Es dürfe auch keine Aufteilung in Grund- und Wahlleistungen geben.

Klarheit herrscht anscheinend – zumindest was die rechtliche Situation angeht – über die gemeinsame Plakataktion des Freien Verbandes Deutscher Zahnärzte (FVDZ) und des Hartmannbundes. Der Stuttgarter Verfassungsrechtler Prof. Dr. Rüdiger Zuck bestätigte in einer Studie, dass die von Ulla Schmidt angekündigten Schritte gegen die Aktion nicht verfassungsrechtlich gedeckt seien. Auch Renate Jaeger, Richterin beim Ersten Senat des Bundesverfassungsgerichts, hat die Plakataktion für zulässig erklärt. Die zweite Phase der Kampagne ist am gesundheitspolitischen Aschermittwoch in Halle gestartet. Streit gibt es indes zum Beispiel in Westfalen-Lippe. Hier hat Landesgesundheitsministerin Birgit Fischer (SPD) dazu aufgefordert, die Kampagnen auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Kammer und KZV haben die Aufforderung energisch zurückgewiesen, in gesundheitspolitische Diskussionen zwischen Zahnarzt und Patient einzugreifen.

Die Reformvorstellungen der Zahnärzteschaft sind seitens der Vertreter der zahnärztlichen Standespolitik stets in alle maßgeblichen Diskussionen eingebracht worden. Erst jüngst bekräftigen BZÄK und KZBV anlässlich der Beratungen am Runden Tisch erneut ihr Konzept der Vertrags- und Wahlleistungen. Die dort eingerichtete additive Arbeitsgruppe „Zahn- , Mund- und Kieferheilkunde“ werde begrüßt, da dort die Chance bestehe, den spezifischen Belangen der Zahnheilkunde Rechnung zu tragen. Ziel des Tisches sei nicht, den Konsens aller Beteiligten zu erzielen, sondern ein möglichst breites Interessenspektrum zu integrieren.

Politik auf dem Prüfstand

Die Bundeszahnärztekammer hat die in jüngster Zeit veröffentlichten Kernpositionen von Parteien, Fraktionen und Verbänden zur Gesundheitspolitik intensiv geprüft und in einer Synopse zusammengestellt. Die Messlatte der Zahnärzteschaft ist hoch und fußt auf dem Konzept der Vertragsund Wahlleistungen. Die Politik befindet sich auf dem Prüfstand.

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