Europäisches Forum für Freie Zahnmedizin

Auf der Suche nach Balance

Die nationalen europäischen Gesundheitssysteme müssen für die Staatengemeinschaft der EU fit gemacht werden – diese Forderung bildete zugleich auch das zentrale Thema des Europäischen Forums für Freie Zahnmedizin im vergangenen Monat. Zum mittlerweile dritten Mal hatten sich die Vertreter der europäischen Zahnärzte-Verbände in Brüssel getroffen. Diesmal sollte es vor allem um die Frage gehen, wieviel nationale Unterschiede es in der europäischen Gemeinsamkeit geben kann und darf.

Nach Ansicht der Veranstalter – der Europäischen Regionalen Organisation der Fédération Dentaire Internationale (ERO/ FDI) und dem Zahnärztlichen Verbindungsausschuss zur Europäischen Union – sollten die Systeme in den jeweiligen Ländern so gestaltet werden, dass sie zum einen den Binnenmarkt nicht behindern, zum anderen aber auch im Patienteninteresse finanzierbar bleiben.

Hauptvoraussetzung hierfür sei es, „die richtige Balance zwischen Subsidiarität und Solidarität zu finden“. Denn eines ist nach Ansicht von ERO/FDI mit Sicherheit nicht möglich: alle medizinisch verfügbaren Leistungen über ein solidarisch finanziertes System zu bezahlen. Das von der ERO/FDI verabschiedete Konzept sehe daher eine zahnmedizinische Grundversorgung in Europa vor.

Ein einheitliches, zentral geführtes europäisches Gesundheitssystem ist in den Augen der Forum-Teilnehmer nicht erstrebenswert. Zwar sei es wichtig, die nationalen Gesundheitssysteme miteinander kompatibel zu machen – die Schaffung eines gesamteuropäischen Gesundheitswesens bliebe hingegen eine „Utopie“.

Dr. Enrico Filippi, Auslandsbeauftragter des italienischen Zahnärzteverbandes Associazione Nazionale Dentisti Italiani (ANDI), stellte das Konzept der ERO/FDI für eine solidarisch finanzierte zahnmedizinische Grundversorgung in Europa vor. Ziel sei hierbei gewesen, die Strukturen so zu gestalten, dass die für eine europäische Integration notwendige Kompatibilität der nationalen Gesundheitssysteme verwirklicht wird. Bei der Bemessung des Umfangs einer solidarisch finanzierten zahnmedizinischen Grundversorgung in Europa seien neben der zahnärztlich-fachlichen Konzeption auch die Souveränität der Nationalstaaten und ihr jeweiliges wirtschaftliches Leistungsvermögen zu berücksichtigen. Grundlegend wichtig sei, dass Eigenverantwortung Vorrang haben müsse vor Solidarität – was der einzelne Patient selbst finanzieren könne, dürfe nicht Bestandteil einer Grundversorgung sein. Bei alternativen Versorgungsformen dürfe nur der Betrag bereit gestellt werden, der für die einfachste Therapiemöglichkeit ausreicht. Um komplexere Behandlungen zu ermöglichen, sollten diese Beträge als Festzuschüsse zur Verfügung gestellt werden.

Was die fachlichen Prioritäten eines europäischen Leistungskataloges betrifft, so hat die ERO/FDI folgende Reihenfolge festgelegt:

1. Prävention für Kinder und Jugendlicheals Erziehung zur Eigenverantwortung, um Kariesbehandlungen bei Kindern zu reduzieren

2. Schmerz- und Notfallbehandlungen

3. Behandlung von Kindernund Jugendlichen bis maximal 18 Jahre

4. Behandlung von Schäden des Kauorgans,welche die Folge von Tumoren, Traumen, angeborenen Erkrankungen oder einer schweren systemischen Erkrankung sind

5. Risikodiagnostik mit Beratung

Das dazugehörige Finanzierungskonzept der ERO/FDI sieht eine Kombination aus Steuerfinanzierung, Pflichtversicherung und eigenverantwortlicher Privatversicherung vor. In sozialen Härtefällen sollen zudem weitere Beiträge hilfsweise aus Steuermitteln gezahlt werden.

Dr. Wilfried Beckmann, Vorsitzender des Freien Verbandes Deutscher Zahnärzte (FVDZ), sprach sich ebenfalls für „Solidarität und Subsidiarität im Gesundheitswesen“ als das geeignete Modell für Europa aus. Um einen gemeinsamen Nenner für ein europäisches Gesundheitssystem zu finden, müssten zudem „einige feste Größen“ einbezogen werden. Hierzu gehöre etwa das Sozialstaatprinzip, so Beckmann, „welches den Gedanken der Solidarität besonders betont“. Auch müsse das Wohlstandsgefälle zwischen den einzelnen Staaten der Europäischen Union berücksichtigt werden. Wettbewerb und Vielfalt, so der FVDZ-Vorsitzende, seien wesentliche Voraussetzungen, um Wirtschaftlichkeit und Entwicklung des europäischen Gesundheitssystems zu ermöglichen.

Die größte Herausforderung sei aber in der Finanzierbarkeit zu sehen. „Ein System, bei dem alle Bürger mehr Leistungen in Anspruch nehmen wollen, als sie finanzieren, wird nie funktionieren“, so Beckmann. „Leider verstehen viele genau diese moralisch korrupte Einstellung als solidarisch.“

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