Der wurzelbehandelte Zahn

Restauration endodontisch versorgter Zähne

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Die vorliegende Studie an 573 wurzelbehandelten Zähnen belegt eine hohe Erfolgsrate endodontisch versorgter Zähne bei fachgerechter endodontischer Behandlung, rascher definitiver Versorgung und weitgehender Schonung der Zahnhartsubstanz und Nutzung moderner adhäsiv verarbeiteter Werkstoffe auf Kunststoffbasis.

In den letzten Jahrzehnten haben restaurative Behandlungsmöglichkeiten auf Grund werkstoffkundlicher Forschungen erhebliche Therapieerweiterungen erfahren. Durch die Einführung adhäsiv verarbeiteter Materialien auf Kunststoffbasis sind Substanz schonende Präparationstechniken möglich geworden und viele klassische Kavitätenpräparationen sind bereits neu überdacht worden. Für den Indikationsbereich der Restauration kleinerer bis hin zu größeren kariösen Defekten der Zahnhartsubstanz gehören beispielhaft die Blackschen Regeln bereits dem „letzten Jahrhundert” an. Andere Behandlungsbereiche haben jedoch in den letzten Jahrzehnten kaum Änderungen im Therapiekonzept erhalten, wie unter anderem die definitive Versorgung wurzelkanalbehandelter Zähne. In der Lehre werden oft noch aggressive Substanz opfernde Stiftstumpfaufbauten propagiert und es werden Stiftpräparationen mit einer Länge von zwei Dritteln – bezogen auf die Gesamtwurzel – empfohlen Sorensen et al. [1984], ohne die Anatomie der meist gekrümmten Wurzelkanäle besonders zu berücksichtigen. Versuche von Nergiz et al. [1993] belegten das Vorliegen von gleichen Abzugskräften bei unterschiedlichen Stiftlängen, bei vorheriger Bearbeitung (Aufrauung) der Wurzelkanalinnenflächen und der Stiftoberflächen. Die Stiftstumpfversorgung wurzelkanalbehandelter Zähne wurde bis heute oft als Dogma (Definition: eine nicht hinterfragbare Überzeugung beziehungsweise Lehrmeinung) hingenommen. Viele Überlegungen, die damals zur Einführung der Stiftstumpfversorgung geführt haben, wie Unsicherheiten einer andiskutierten Versprödung des devitalen Zahnes, begrenzte Möglichkeiten der Stabilisierung des Zahnes und der Forderung nach extremen Belastbarkeitswerten für avitale Zähne, konnten in den letzten Jahrzehnten wissenschaftlich deutlich widerlegt werden.

 Die Frage der Eigenschaften und Eigenheiten des Dentins nach Devitalisierung wurde ebenso kontrovers diskutiert und es zeigte sich, dass keine physikalischen Unterschiede zwischen vitalen und devitalen Zähnen vorlagen, bezogen auf die Mikrofestigkeit, Härte, Frakturanfälligkeit sowie Zahnstabilität. Die Studien von Sedgley und Messer et al. [1992] bestätigten die Thesen von Stanford, dass avitale Zähne nicht vermehrt zur Versprödung und Frakturanfälligkeit neigen.

Auch Argumente bezüglich der Unterscheidung des Feuchtigkeitsgehalts zwischen avitalen und vitalen Zähnen konnten nicht bestätigt werden. Degeneration beziehungsweise Rückgang kollagener Fasern sowie Feuchtigkeitsverlust von Dentinstrukturen scheinen nach Gutmann et al. [1992] eine untergeordnete Rolle zu spielen. Als wesentliche Erkenntnisse konnte demonstriert werden, dass keine klinisch relevanten Unterschiede zwischen vitalen und avitalen Zähnen vorlagen.

Die Frage der Notwendigkeit einer Stiftversorgung wurzelkanalbehandelter Zähne wurde in den letzten Jahren ebenso vielfältig diskutiert. Für stark zerstörte Zähne stehen heute neben den klassischen individuell gegossenen Stiftaufbauten eine Vielzahl von passiven und aktiven Ankersystemen sowie konfektionierte moderne Adhäsiv-Stiftsysteme zur Verfügung, zu denen Karbonfaserstifte, faserverstärkte Kompositstifte und Zirkonoxid-Stiftsysteme zählen.

Die früher propagierten extrem hohen Belastbarkeitswerte bei Zwack-Tests an extrahierten stiftversorgten Zähnen mit Belastungsmaxima von bis zu 2000 Newton und Abzugskräften bis zu 1000 Newton bei Wurzelstiften geben Anlass zur Überlegung, ob solch hohe Werte in einer Relation zur natürlichen Situation des menschlichen Gebisses stehen [Pröschel et al. 1994]. Attin und Hellwig et al. [1994] werfen in ihren Untersuchungen die Frage auf, ob Stiftsysteme in Anbetracht der gemessenen Kaukräfte überhaupt notwendig seien. Reeh et al. [1989] stellten fest, dass endodontisch versorgte Zähne vorrangig durch Stiftpräparationen geschwächt werden und Howe und McKendry [1990] belegten diese Aussage ein Jahr später (Abbildungen 1-3). Trabert et al. [1978] konnten in ihren Untersuchungen sogar Erhöhungen der Frakturanfälligkeit nach Stiftversorgung feststellen. Assif et al. [1993], Isidor [1992] und Stiefenhofer et al. [1994] folgerten aus ihren Untersuchungen, dass die Form der Wurzelstifte ohne wesentlichen Einfluss auf die Frakturresistenz des Zahnes sei. Studien von Libman et al. [1995] und Sorensen et al. [1990] belegten, dass eine Restdentinstärke von 1,5 bis zwei Millimetern die Frakturanfälligkeit deutlich vermindern kann. Trope et al. [1985] wiesen darauf hin, dass große Frakturwiderstände bei Zähnen beobachtet wurden, wenn diese nicht stiftversorgt waren. Die größte Zahnstabilität zeigte sich folglich bei möglichst großem Erhalt von Zahnhartsubstanz. Metallische Stiftsysteme, die in den letzten Jahrzehnten meist verwendet wurden, zeigten verschiedene Nachteile, beispielsweise Korrosionserscheinungen, Verlust der Stifte und gehäufte Fakturen [Morgano et al. 1999; Trabert et al. 1978]. Die Misserfolge leiteten sich von den mechanischen Eigenschaf-ten der Werkstoffe ab und es zeigten sich Zusammenhänge zur Länge und Formgestaltung der jeweiligen Stiftsysteme [Asmussen et al. 1999, Weine et al. 1991]. Die Autoren Sidoli [1997] und Morgano [1996] beschrieben, dass Stiftsysteme die Frakturgefahr von wurzelkanalbehandelten Zähnen deutlich erhöhen. Als Folgerung dieser Beobachtungen vermerkten Morgano et al. [1996] sowie Torbjöner [1995], dass grundsätzlich Stifte nicht der Stabilisierung des Zahnes sondern der Retention des prothetischen Aufbaus dienen sollten.

In den letzten Jahrzehnten hat der Bedarf endodontischer Behandlungen in Deutschland auf Grund gestiegener Prophylaxe, Patientenerwartungen, veränderter Bevölkerungsstrukturen und Behandlungsfortschritten erheblich zugenommen.

Wesentlich für den Erfolg einer Wurzelkanalbehandlung sind die optimale Wurzelkanaltechnik, der rasche definitive Verschluss der endodontischen Kavität sowie eine Substanz schonende Rekonstruktion des Zahnes (Abbildungen 4, 5). Breitgefächerte Meinungen liegen zum Zeitpunkt der definitiven Restauration nach erfolgreicher Endodontie vor. Während in Deutschland meist auf Grund kassenzahnärztlicher Empfehlungen eine Beobachtungszeit von drei bis sechs Monaten nach der Wurzelkanalbehandlung bis zur definitiven prothetischen Versorgung wahrgenommen wird, beschreibt die amerikanische Gesellschaft für Endodontie zur Vermeidung von Reinfektionen und möglicher Frakturen eine zügige permanente Zahnkronenrestauration [Endodontics 1995]. Durch die steten Erweiterungen der Indikationsbereiche moderner Füllungswerkstoffe stehen uns gegenwärtig neben adhäsivverarbeitbaren Stiftsystemen und Aufbauwerkstoffen eine Vielzahl werkstoffkundlich hervorragender Füllungsmaterialien zur maximalen Zahnhartsubstanz schonenden Restauration zur Verfügung. Die Verwendung friktionsloser, adhäsivverankerter Stiftsysteme in Kombination mit Faserstiften scheint sich als eine viel versprechende Alternative zu den klassischen Metallstiftaufbauten darzustellen. Diese Stiftsysteme zeigen auf Grund der positiven Eigenschaften eine deutliche Zunahme der Popularität. Zu den Vorzügen zählen die Elastizitätseigenschaften der Stifte, die mit Dentin vergleichbar sind, die drucklose Applikation der Stifte und der adhäsive stabilisierende Verbund mit den Dentinflächen [Vichi et al. 2002, Duret et al. 1990].

In der vorliegenden Untersuchung zur Erfolgsbewertung endodontischer Maßnahmen mit anschließender definitiver Restauration unter maximaler Schonung der Zahnhartsubstanz sind ausschließlich Behandlungen von erfahrenen Zahnärzten einer Universitätszahnklinik nachuntersucht worden. Neben der radiologischen Kontrolluntersuchung sind Zeitpunkt und angewandte Technik der definitiven Kronenversorgung einschließlich möglicher Komplikationen und Misserfolge ausgewertet

Material und Methoden

In der vorliegenden retrospektiven Studie sollte der Erfolg endodontischer Behandlungen einschließlich der definitiven Restaurationen nachuntersucht werden. Alle Therapiemaßnahmen sind bei ambulanten Patienten (381 Patienten beiderlei Geschlechts, Alterspanne: 18 bis 78 Jahre) aus der Poliklinik für Zahnerhaltungskunde der Zahnklinik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz durchgeführt worden. Insgesamt sind 573 Zahnbehandlungsfälle überprüft worden, deren Restauration unter der besonderen Beachtung der Zahnhartsubstanzerhaltung stand. Die Ausgangsdiagnosen umfassten akute pulpitische Beschwerden, chronische apikale Entzündungen, traumatische Verletzungen der Pulpa, Wurzelkanalrevisionen, sowie Wurzelkanalbehandlungen auf Grund prothetischer Präparationsmaßnahmen. Zu den Ausschlusskriterien der Patienten in der vorliegenden Studie zählten Patienten mit schweren Allgemeinerkrankungen oder gravierenden Systemerkrankungen. Alle erforderlichen Behandlungen sind von erfahrenen Zahnärzten mit mehr als fünf Jahren Berufserfahrung durchgeführt worden. Als Auswertungskriterien sind bei allen Patienten neben der klinischen Diagnostik des Pulpazustandes der Ablauf der Wurzelkanalbehandlung sowie die Häufigkeit der erforderlichen Behandlungstermine dokumentiert worden. Röntgenologische Kriterien waren: apikale und periradikuläre Veränderungen, Wurzelresorptionen, parodontale Veränderungen und verbreiterter Desmodontalspalt. Ebenso von Bedeutung war der Zeitabstand zwischen abgeschlossener Wurzelkanalbehandlung und definitiver Restauration, die verwendeten provisorischen Verschlussmaterialien sowie Art und Umfang der Kronenrestauration. Besonders berücksichtigt wurden die ausschließliche Kronenversorgung mit plastischen Materialien auf Kunststoffbasis, die Anwendung von Stiftsystemen bei stark zerstörten Zahnkronen (metallische Stifte, Ankersysteme, Keramikstifte, Adhäsivstiftsysteme) einschließlich Onlayversorgung und Überkronungsmaßnahmen.

Vermerkt wurden mögliche Verluste der Füllungen, der Stiftaufbauten oder der Kronen, Frakturen von Kronen oder Wurzeln sowie die Bildung von Abszessen, Paro-Endo-Läsionen oder apikaler Prozesse. Alle Misserfolge wurden in Bezug zu den durchgeführten Wurzelkanalbehandlungen und Kronenrekonstruktionen gebracht.

Ergebnisse

Insgesamt sind 573 endodontische Behandlungsfälle von 381 gesunden Erwachsenen (49 Prozent Männer, 51 Prozent Frauen) nachuntersucht worden. Von allen untersuchten Zähnen entfielen 20 Prozent auf Frontzähne, zu 30 Prozent waren es Prämolaren und zu 50 Prozent Molaren. 58 Prozent der wurzelkanalbehandelten Zähne fanden sich im Oberkiefer und 42 Prozent im Unterkiefer (Abbildung 6). Die Zeit zwischen erfolgter Wurzelkanalbehandlung und definitiver Füllung betrug in 60 Prozent der Fälle weniger als drei Wochen, gefolgt von 15 Prozent mit drei bis vier Wochen, bei zehn Prozent wurde die definitive Restauration erst nach drei Monaten durchgeführt, bei sechs Prozent ergab sich eine Zeitspanne von sechs Monaten, in zwei Prozent erfolgte die Restauration nach einem Jahr und in den verbliebenen Fällen wurde die definitive Versorgung auf Grund besonderer Situationen (Patientencompliance) erst nach mehr als zwölf Monaten durchgeführt (Abbildung 7).

Die negativen Auswirkungen der zeitlich erheblich verzögerten definitiven Restauration von erfolgreich wurzelkanalbehandelten Zähnen ist auf den Abbildungen 4 und 8 zu sehen. Nach abgeschlossener Wurzelkanalbehandlung und Schmerzfreiheit erschien diese Patientin erst 19 Monate später zur Kontrolle und Weiterversorgung des Molaren.

Für die Zeit zwischen dem Abschluss der Wurzelkanalbehandlung und der definitiven Restauration (Abbildung 9) erfolgte ein provisorischer Verschluss (Abbildung 10) mit verschiedenen Materialien: In 57 Prozent der Fälle erfolgte eine Kunststofffüllung, in 20 Prozent kam Cavit zur Anwendung, in 20 Prozent Glasionomerzemente, in einem Prozent Phosphatzement und in zwei Prozent der Fälle eine Amalgamfüllung.

Bei der Erfassung der definitiven Versorgung der Frontzähne zeigte sich, dass die Zähne (OK und UK) in 50 Prozent der Fälle mit Kompositen definitiv versorgt wurden (Abbildung 11). Bei 39 Prozent fand eine Versorgung mit keramisch verblendeten Einzelkronen statt, und bei neun Prozent der wurzelkanalbehandelten Zähne wurden die Frontzähne in eine Brückenkonstruktion mit einbezogen. Zusätzlich zu der genannten definitiven Versorgung der Frontzähne wurden in 20 Prozent der Fälle Stiftsysteme verwendet. Meist kamen Radix-Anker mit GIZ / Kompositaufbau (neun Prozent) zur Anwendung, gefolgt von weiteren konfektionierten Stiftsystemen (sechs Prozent); bei vier Prozent wurden gegossene Metallstifte und in einem Prozent ein Keramik-Stift-System verwendet.

Die Prämolaren sowohl des Oberkiefers als auch des Unterkiefers wurden in 50 Prozent der Fälle mit keramisch verblendeten Kronen versorgt, und bei 23 Prozent sind ausschließlich Komposite verwendet worden, wie das Fallbeispiel 12 belegt. 17 Prozent der Prämolaren dienten als Pfeiler für Brücken, bei vier Prozent erfolgte eine Versorgung mit Goldteilkronen, gefolgt von Keramik-Inlays, Keramik-Teilkronen und Vollkeramikkronen. 16 Prozent der Prämolaren wurden mit Stiftsystemen versorgt, wobei in sieben Prozent Kronenaufbauten mit Radix-Ankern durchgeführt wurden, gefolgt von anderen konfektionierten Stiftsystemen.

Die Molaren wurden zu 60 Prozent mit Vollgusskronen versorgt, zu 13 Prozent mit Kompositen, zu neun Prozent sind die Zähne in eine Brückenkonstruktion einbezogen worden und eine Inlay/Onlay-Versorgung erfolgte in zwölf Prozent. Bei Situationen mit ausgeprägter Kronenzerstörung wurde bei neun Prozent eine Restauration mit Stiftsystemen angewandt (konfektionierte Stiftsysteme; Radix-Anker). Schmerzempfindungen und Irritationen nach Wurzelkanalbehandlungen traten in seltenen Fällen auf.

Die Frontzähne zeigten in drei Prozent der Fälle Schmerzempfindungen unmittelbar nach abgeschlossener Endodontie; nach sechs bis zwölf Monaten fanden sich bei fünf Prozent Missempfindungen, wobei nur bei einem Patienten gravierende Komplikationen (Abszess mit Zahnverlust) zu verzeichnen waren. Bei den Prämolaren traten in fünf Prozent der Fälle unmittelbar nach der Behandlung leichte bis mittlere Beschwerden auf. Nach etwa sechs Monaten klagte ein Patient und nach zirka drei Jahren ein weiterer Patient über geringfügige Missempfindungen. Unmittelbar nach der abgeschlossenen Wurzelkanalbehandlung kam es bei den Molaren in drei Prozent der Fälle zu Problemen, in zwei Prozent nach etwa sechs Monaten, in zwei Prozent nach zirka drei Jahren.

Komplikationen in Form von Frakturen der Kronen traten in 2,5 Prozent der untersuchten Zähne auf und Wurzelfrakturen wurden zu 0,8 Prozent vermerkt. Röntgenologische Veränderungen ohne Beschwerden fanden sich in einem Prozent und in 1,4 Prozent kam es zu Abzessbildungen. In weiteren 0,7 Prozent traten Fistelbildungen auf, in zwei Prozent der Fälle musste eine Wurzelspitzenresektion durchgeführt werden und in 2,5 Prozent erfolgte die Extraktion des betreffenden Zahnes.

Diskussion

Der Bedarf endodontischer Maßnahmen wird in Deutschland insbesondere auf Grund der speziellen Bevölkerungsstruktur weiterhin eine starke Zunahme erfahren. Dies erfordert von den Zahnärzten fachgerechte und dennoch zeitlich angemessene Wurzelkanalbehandlungen, die Nutzung moderner Restaurationsmaterialien sowie von Seiten der Patienten eine gute Compliance und Mundgesundheitseinstellung. Ein wurzelkanalbehandelter Zahn kann erst dann als vollständig behandelt betrachtet werden, wenn eine definitive Restauration zur Erlangung der vollen Funktionsfähigkeit durchgeführt worden ist.

In zahlreichen Studien konnte nachgewiesen werden, dass Undichtigkeiten im Kronenbereich, Sekundärkaries oder lange provisorische Versorgungen signifikante Faktoren für endodontische Misserfolge darstellen [Sundqvist 1998].

Bei der Entscheidung zur Rekonstruktion des endodontisch behandelten Zahnes müssen des weiteren verbliebene Zahnhartsubstanz, okklusale Funktionen, Lage des Zahnes im Kiefer sowie Länge und Krümmung der Zahnwurzel berücksichtigt werden.

Bei wurzelkanalbehandelten Zähnen mit stark zerstörten Zahnkronenanteilen sollen oft Wurzelstiftversorgungen durchgeführt werden, um die erforderliche Retention der prothetischen Restauration zu ermöglichen. In zahlreichen klinischen Studien wurde die Stabilität von Stiftaufbauten überprüft und mögliche Faktoren der Misserfolgsraten untersucht. Zu den Hauptursachen der Misserfolge zählen: Verlust der Stifte und der Stumpfaufbauten, Sekundärkaries und Wurzelfrakturen, Stiftdrehungen und Stiftfrakturen [Hatziryakos et al. 1992, Torbjöner et al. 1995]. Da bei dem Auftreten von Wurzelfrakturen meist nur die Extraktion als einzige Therapie möglich ist, zählen diese Misserfolge zu den schwerwiegendsten Komplikationen [Morfis et al. 1990]. In der vorliegenden Studie kamen Stiftverankerungen nur bei großen Defekten der Zahnhartsubstanz zur Anwendung und in keinem Fall erfolgte die klassische Stiftstumpfversorgung mit der empfohlenen Stiftlänge von zwei Drittel der Wurzellänge. Der überwiegende Anteil der wurzelkanalbehandelten Zähne wurde minimal Substanz opfernd restauriert unter Verwendung adhäsiv verarbeiteter Werkstoffe auf Kunststoffbasis, wie die klinischen Fälle belegen.

Die in jüngster Zeit vermehrt empfohlenen adhäsiv befestigten Faserstiftsysteme zeigen auf Grund der werkstoffbedingten Flexibilität einen deutlich geringeren Prozentsatz von Frakturen. Vorteile der adhäsiven Stiftsysteme sind die drucklose Applikation, die nahezu dentinähnlichen Elastizitätskoeffizienten der Kompositstifte und der Karbonfaserstifte sowie der adhäsiv stabilisierende Verbund des Befestigungskomposites mit den Dentinflächen [Vichi und Ferrari et al. 2002; Mannocci et al. 2001]. Die in der vorliegenden Untersuchung überprüften wurzelkanalbehandelten Zähne sind des Weiteren in den meisten Fällen innerhalb weniger Wochen definitiv versorgt worden.

In dieser Studie konnte insgesamt eine Erfolgsrate von etwa 95 Prozent festgestellt werden, wobei Misserfolge teils durch mangelnde Patientencompliance, lange bestehende provisorische Versorgungen und Paro-Endoläsionen auftraten. Bei dieser sehr hohen Erfolgsrate der endodontisch behandelten und definitiv restaurierten Zähne muss sicherlich berücksichtigt werden, dass alle Behandlungsmaßnahmen ausschließlich von erfahrenen Zahnärzten an der Universitätszahnklinik durchgeführt wurden. Extrem selten waren auch Wurzelspitzenresektionen, da apikale Radioluszensen durch sorgfältige und zeitopfernde Aufbereitungstechniken unter Nutzung von Mehrfachbehandlungsterminen in der Regel zur Ausheilung kamen, wie die Abbildung 13 belegt.

Die Befunde dieser Studie sind in etwa mit den Untersuchungen von Barbakow [1980] und Morse vergleichbar, die Erfolgsdaten von 87,4 Prozent beziehungsweise von 94,5 Prozent belegen konnten. Die Studie von Benenati [2002] zeigte Erfolgsraten von 91,1 Prozent.

Eine sehr hohe radiologische Erfolgsrate von 96,8 Prozent nach einer Beobachtungszeit von zwölf Monaten konnten in der Studie von Rubinstein und Kim [2002] beschrieben werden, die bei Zähnen mit apikalen und periradikulären Radioluszenzen mikrochirurgische Maßnahmen nach abgeschlossener Wurzelkanalbehandlung ausschließlich unter mikroskopischer Betrachtung durchführten. Diese Arbeiten wurden ebenso von erfahrenen Zahnärzten durchgeführt.

Zusammenfassend zeigte sich, dass die vorliegende Studie eine hohe Erfolgsrate wurzelkanalbehandelter Zähne belegte. Alle Zähne waren von erfahrenen Zahnärzten endodontisch versorgt und zeitnah definitiv restauriert worden. Klassische Stiftstumpfversorgungen mit Stiftlängen von zwei Dritteln der Wurzellängen sind in keinem Fall angewandt worden. Diese Untersuchung mit einer großen Behandlungsfallzahl lässt es folglich als sinnvoll erscheinen, endodontisch behandelte Zähne einerseits frühzeitig und andererseits unter dem Gesichtspunkt der minimal Substanz opfernden Technik unter Nutzung moderner adhäsiver Werkstoffe definitiv zu restaurieren.

Zusammenfassung

Die rapide Weiterentwicklung dentaler Werkstoffe hat in vielen Therapiebereichen zur Überholung bisheriger Restaurationskonzepte geführt. Die Empfehlungen und Lehrmeinungen zur definitiven Restauration wurzelkanalbehandelter Zähne haben sich in Deutschland jedoch innerhalb der letzten 30 Jahre nicht wesentlich geändert. Obwohl moderne adhäsiv verarbeitete Materialien auf Kunststoffbasis weltweit als Zahnhartsubstanz schonende Restaurationswerkstoffe in der Lehre und Praxis angewandt werden, finden diese Materialien bei der Versorgung avitaler Zähne eine zu geringe Beachtung. Aus der Sicht der prothetisch orientierten Zahnärzte werden meist wurzelkanalbehandelte Zähne, trotz oft noch ausreichend vorhandener koronaler Zahnhartsubstanz, durch Stiftstumpfaufbauten aus metallischen Werkstoffen rekonstruiert. Neben dem gravierenden Verlust von Zahnhartsubstanz zählen Wurzellängsfrakturen zu den häufigsten Komplikationen von Stiftstumpftherapien. In der vorliegenden Studie wurden insgesamt 573 wurzelkanalbehandelte Zähne (381 Patienten, Altersspanne: 18 bis 78 Jahre) nachuntersucht, deren definitive Restauration primär unter Zahnhartsubstanz schonenden Gesichtspunkten erfolgte. Erfasst wurden Wurzelkanalfüllmethoden, radiologische Kontrolle, Zeitspanne zwischen Wurzelkanalfüllung und definitiver Restauration, verwendete restaurative Füllungswerkstoffe, Stiftsysteme sowie mögliche Komplikationen.

Die Wurzelkanalbehandlungen (58 Prozent OK, 42 Prozent UK) umfassten zu 50 Prozent Molaren, 30 Prozent Prämolaren und zu 20 Prozent Frontzähne, die in der Regel innerhalb von einer bis vier Wochen nach Wurzelkanalfüllung definitiv restaurativ versorgt wurden. Frontzähne wurden zu 50 Prozent ausschließlich mit Kompositen versorgt und bei 20 Prozent waren zusätzlich Stiftsysteme erforderlich. Bei den Prämolaren fand sich ein 15-prozentiger Anteil von Stiftversorgungen und ein überwiegender Anteil von Überkronungen. Die Molaren sind zu einem geringen Prozentsatz (neun Prozent) mit zusätzlichen Stiftaufbauten versehen worden, meist wurde die Wiederherstellung der zerstörten Zahnstumpfsubstanz mit Kompositen oder Glasionomerzementen durchgeführt und die Kronenrestauration erfolgte zu 60 Prozent mit Vollgusskronen. Komplikationen traten bei Paro-Endoläsionen und bei mangelnder Patientencompliance auf.

Die vorliegende Studie belegt eine hohe Erfolgsrate endodontisch versorgter Zähne, bei fachgerechter endodontischer Behandlung, rascher definitiver Versorgung und weitgehender Schonung der Zahnhartsubstanz und Nutzung moderner adhäsiv verarbeiteter Werkstoffe auf Kunststoffbasis.

Prof. Dr. Brita WillershausenProf. Dr. Benjamin BriseñoPD Dr. Claus-Peter ErnstZA Haki TekyatanDr. Alexander PistoriusKlinik und Poliklinik für ZMKPoliklinik für ZahnerhaltungskundeAugustusplatz 2, 55101 Mainz

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