Leitartikel

Zielstrebig, aber geordnet aussteigen

Sehr verehrte Frau Kollegin, sehr geehrter Herr Kollege,

Die Bundesversammlung der Bundeszahnärztekammer hat im November letzten Jahres mit überwältigender Mehrheit den Gesetzgeber aufgefordert, die gesamte zahnärztliche Behandlung aus der gesetzlichen Krankenversicherung auszugliedern. Diesem Beschluss lag die Tatsache zu Grunde, dass das Sachleistungsprinzip als leistungsrechtlicher Gestaltungsgrundsatz der gesetzlichen Krankenversicherung überholt und nicht zukunftsfähig ist, das jüngste Reformgesetz keine Weiterentwicklung, sondern eine neuerliche Strukturverschlechterung bedeutet und die Freiberuflichkeit zahnärztlicher Tätigkeit innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung mehr und mehr unterzugehen droht.

Die Verwirklichung dieses Beschlusses zielstrebig zu verfolgen – dies wird ein Schwerpunkt unserer Arbeit in den kommenden Monaten des neuen Jahres sein, auf den wir alle Kraft konzentrieren wollen. Die Orientierungskrise der gesetzlichen Krankenversicherung hat einen Punkt erreicht, an dem der Ausstieg nicht mehr bloße Wunschvorstellung oder eine vage Zukunftsvision sein kann. Uns kommt es darauf an, den Ausstieg aus der GKV für die zahnärztliche Versorgung tatsächlich näher rücken und schließlich Wirklichkeit werden zu lassen.

Um dies zu erreichen, nutzen weder verbale Bekundungen, bloße Bekenntnisse und schon gar nicht gegenseitige Beschuldigungen und Anfeindungen. Nur unverantwortliche Phantasten würden hier einen selten erfolgreichen Weg, nämlich den mit dem Kopf durch die Wand, verfolgen und damit die Realisierungschancen dieses Konzeptes von vornherein zunichte machen.

Jetzt ist vielmehr ein Vorgehen gefragt, das den Ausstieg für Zahnärzte wie Patienten praktikabel und damit akzeptabel macht, das eine sichere Handlungsbasis für unsere Kollegen schafft, wenn sie diesen wichtigen Schritt tun – eben eine Politik, die den Ausstieg geordnet möglich macht. Dies sind wir den Kollegen, die uns an diese Stelle gesetzt haben, um sie zu vertreten, aber auch unseren Patienten schuldig. Nur so können sie sich mit dem Ausstieg identifizieren, nur so können wir sie auf diesem Weg mitnehmen, Schritt für Schritt, um in freieren Strukturen die Freiberuflichkeit zahnärztlicher Berufsausübung neu zu gestalten, zum Teil auch wiederzufinden.

Der Beschluss der Bundesversammlung geht diesen Weg, wenn er eine konsequente Umstellung auf das Prinzip der Kostenerstattung durch die betroffenen Kostenträger oder Versicherungen auf der Basis befundorientierter Festzuschüsse fordert. Alle, die Konzepte und Ratschläge für einen Ausstieg erarbeiten, bemühen sich letztlich um Ordnungsstrukturen hierfür. Schließlich gibt selbst der Bema nach seiner Umstrukturierung zahlreiche Möglichkeiten, um in Einzelfällen heute schon einen punktuellen Ausstieg zu praktizieren. Hier besteht ab jetzt die Perspektive für jeden einzelnen Kollegen, erste Schritte einer GKV-ferneren Behandlung einzuleiten. Je öfter und begründeter solche Möglichkeiten genutzt werden, desto selbstverständlicher werden weitere Ausstiegsschritte.

Die Bundeszahnärztekammer wird nicht nachlassen, im politischen Raum für einen Ausstieg aus der GKV zu kämpfen und den Kollegen Hilfestellung bei der schrittweisen Herauslösung aus den GKV-Strukturen zu geben, um freie Zahnheilkunde geordnet als reale Zukunft, nicht nur als ewigen, aber unerreichbaren Wunschtraum der Zahnärzteschaft zu gestalten.

Wo andere vom Ausstieg reden – wir wollen ihn auf allen Ebenen praktizieren.

Mit freundlichen kollegialen Grüßen

Dr. Dr. Jürgen WeitkampPräsident der Bundeszahnärztekammer

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