Repetitorium

Der Morbus Crohn

Der Morbus Crohn ist eine zwar relativ seltene, aber eine sehr belastende Erkrankung. Sie ist durch massive Entzündungen im Magen-Darm-Trakt charakterisiert. Diese können sich bis in den Mundbereich erstrecken, woran man als Zahnarzt bei entsprechenden Veränderungen denken muss. Auch andere Organsysteme können befallen sein. Die Erkrankung tritt häufig bereits im Kindes- oder Jugendalter auf und erfordert oftmals eine lebenslange Behandlung.

Es handelt sich beim Morbus Crohn um eine chronisch entzündliche Darmerkrankung, an der den Schätzungen zufolge in Deutschland mehr als 200 000 Menschen leiden. Die Krankheitssymptome können in praktisch jedem Alter erstmals auftreten, das mittlere Alter bei der Erstmanifestation liegt bei 30 Jahren. Das bedeutet, dass nicht selten auch schon Kinder und Jugendliche betroffen sind. Etwa ein Drittel der Patienten erkrankt vor dem 18. Lebensjahr. Damit dürften in Deutschland rund 60 000 Kinder und Jugendliche mit einem Morbus Crohn leben. Benannt wurde die Erkrankung, der im wesentlichen eine chronische Entzündung der Darmschleimhaut zu Grunde liegt, nach ihrem Entdecker, dem amerikanischen Gastroenterologen Dr. Burrill B. Crohn.

Da die Erkrankung chronisch verläuft und praktisch immer wieder akute Krankheitsschübe auftreten, belastet sie die Betroffenen und auch das öffentliche Gesundheitswesen enorm. Rezidivierende Krankheitsschübe oder auch eine chronische Aktivität machen immer wieder Krankenhausaufenthalte notwendig, es kann zu Komplikationen und zur Notwendigkeit von Operationen kommen. Das hat immer wieder Krankheitszeiten und Arbeitsausfälle zur Folge, was auch den Lebenslauf der – oft jungen – Patienten massiv belastet.

Die Symptome

Leitsymptom des Morbus Crohn ist der chronische Bauchschmerz. Das erschwert die Diagnostik im Kindesalter, da generell zehn bis sogar 15 Prozent der Kinder immer wieder über Leibschmerzen klagen. Beim Morbus Crohn gehen die Bauchschmerzen in der Mehrzahl der Fälle mit heftigem Durchfall einher, anders als bei der Colitis ulcerosa kommt es in der Regel aber nicht zu blutigen Stühlen.

Allerdings treten meist auch allgemeine Krankheitszeichen auf, die Betroffenen leiden unter Müdigkeit, fühlen sich nicht mehr leistungsfähig und haben meist keinen Appetit. Im akuten Schub tritt oft Fieber auf. Speziell bei Kindern äußert sich der Morbus Crohn auf lange Sicht häufig durch ein verzögertes Wachstum und auch durch ein verzögertes Eintreten der Pubertät.

Der Morbus Crohn kann akut auftreten und mit heftigen krampfartigen Bauchschmerzen und starken Durchfällen einhergehen. Weit häufiger entwickelt sich die Erkrankung aber keineswegs schlagartig, sondern langsam schleichend und mit unspezifischen Symptomen, etwa einer auffallenden Blässe, mit Stimmungsschwankungen, Gewichtsverlust und bei Kindern oft mit einer Wachstumsstörung.

Besonders dann, wenn zunächst der Dickdarm von der Entzündung nur wenig befallen ist, können die heftigen Durchfälle, die schließlich zur Diagnosestellung führen, noch völlig fehlen. Im Vordergrund stehen dann die Bauchschmerzen, was zur Folge hat, dass der Morbus Crohn zum Teil über Jahre nicht richtig erkannt wird. Bei einem solchen Verlauf besteht außerdem die Gefahr, dass die Erkrankung mit anderen Störungen, wie einer Blinddarmentzündung, verwechselt wird.

Ausdehnung der Erkrankung und Verlauf

Anders als die Colitis ulcerosa, bei der die chronische Entzündung auf den Dickdarm, also auf das Kolon, beschränkt ist, kann der Morbus Crohn den gesamten Gastrointestinaltrakt befallen. In der Zahnarztpraxis muss deshalb bei entzündlichen Veränderungen der Mundschleimhaut stets auch an einen Morbus Crohn als Ursache gedacht werden. Sehr häufig finden sich bei den Patienten außerdem Veränderungen im perianalen Bereich mit Bildung von Marisken, Fissuren oder auch mit perianalen Abszessen oder Fisteln.

Der Verlauf ist sehr variabel. Es kann eine kontinuierliche chronische Aktivität bestehen, meist aber verläuft die Erkrankung in akuten Schüben, die von mehr oder weniger langen symptomfreien Intervallen unterbrochen sind.

Extraintestinale Manifestationen

Bei nahezu jedem zweiten Morbus Crohn- Patienten kommt es neben der Entzündung des Darmes zur Manifestation der Erkrankung in anderen Organbereichen. Solche extraintestinalen Manifestationen können die Gelenke betreffen, wobei sowohl die großen wie auch die kleinen Gelenke der Arme und Beine von der Entzündung befallen sein können, wie auch die Gelenke der Wirbelsäule und des Beckens. Sehr häufig sind Knie-, Hüft-, Sprung- sowie Ellenbogenund Handgelenke betroffen. Es kann zu Schwellungen kommen, zu Schmerzen und zu Bewegungseinschränkungen.

Ein zweites Organsystem, das beim Morbus Crohn oft mitbeteiligt ist, ist die Haut, wobei sich ein so genanntes Erythema nodosum, eine violett-rot verfärbte schmerzhafte Hautverdickung, ausbildet. Etwas seltener kommt es zu wiederholten Entzündungen der Augen als Folge der Grunderkrankung.

Selten finden sich bei den Patienten Entzündungen des Pankreas mit eingeschränkter Bildung der Pankreasenzyme sowie Störungen der Atemwege, der Nieren oder des Nervensystems. Allerdings können durchaus auch mehrere Organsysteme betroffen sein Daher wird die chronische Darmentzündung nicht selten erst über die extraintestinalen Manifestationen diagnostiziert. Hierbei kann auch der Zahnarzt differentialdiagnostisch tätig werden.

Diagnostik

Hinweisend auf einen Morbus Crohn sind die Leibschmerzen, die Durchfälle sowie die allgemeinen Krankheitszeichen. Steht die Verdachtsdiagnose, so kann die Entzündung durch Laboruntersuchungen (Blutsenkung, Bestimmung des C-reaktiven Proteins) nachgewiesen werden. Allerdings lässt sich das Krankheitsbild allein durch diese Maßnahmen nicht gegen andere entzündliche Erkrankungen abgrenzen. Hierzu muss stets eine Darmspiegelung mit Gewebeentnahme und histologischer Untersuchung herangezogen werden. Mit der endoskopischen Untersuchung lässt sich dann die Ausdehnung der entzündlichen Veränderungen erfassen.

Ursachen des Morbus Crohn

Über die Ursachen des Morbus Crohn wird seit vielen Jahren diskutiert, letztlich geklärt ist die Frage nach den Krankheitsgrundlagen bis auf den heutigen Tag nicht. Die Wissenschaftler gehen von einem Zusammenspiel zwischen genetischen Faktoren und Umweltfaktoren aus, wobei dem körpereigenen Immunsystem bei der Krankheitsvermittlung eine zentrale Rolle zuzukommen scheint.

Der Verdacht auf eine starke genetische Komponente bei der Krankheitsentstehung konnte in den vergangenen Jahren eindeutig verifiziert werden, nachdem der Nachweis eines für den Morbus Crohn offenbar spezifischen Gendefektes gelang. So lässt sich bei rund 25 Prozent der Morbus Crohn Patienten eine Mutation im so genannten NOD2-Gen nachweisen, die offenbar mit einer erhöhten Bereitschaft für entzündliche Veränderungen im Darm assoziiert ist. Die Genmutation stellt aber nicht die alleinige Krankheitsursache dar, denn die Genveränderung findet sich generell bei vier Prozent der Bevölkerung, ohne dass jedoch eine Erkrankung manifest wird.

Zu der genetischen Prädisposition müssen folglich Umweltfaktoren kommen, ehe sich ein Morbus Crohn entwickelt. Dieses können Infektionen mit Viren oder Bakterien sein, veränderte Ernährungsgewohnheiten oder auch Nahrungszusätze sowie Störungen der Immunabwehr. Trotz intensiver Forschungen konnte aber für keinen dieser Faktoren ein eindeutiger Zusammenhang zum Morbus Crohn belegt werden.

Folgekomplikationen des Morbus Crohn

Neben den akuten Beschwerden kann der Morbus Crohn mit erheblichen Folgen und Komplikationen behaftet sein. Die chronische Entzündung der Darmschleimhaut geht in aller Regel mit einer Malnutrition einher, was eine verminderte Aufnahme von Vitaminen und Spurenelementen bedeutet. Das kann zur Nachtblindheit führen, zu Hörstörungen, Veränderungen des Geschmacks, zu Haarausfall, einer erhöhten Infektanfälligkeit und zu Wachstumsstörungen bei Kindern und Jugendlichen. Der Eisenmangel, eine gestörte Vitamin B-Aufnahme und unter Umständen Blutverluste im Darm können außerdem eine Anämie nach sich ziehen. So kann es durch die verminderte Aufnahme von Gallensäuren im Darm auch zur Ausbildung von Gallensteinen kommen.

Auch direkt im Darmbereich drohen den Patienten Komplikationen, wie eine akute Darmerweiterung, das so genannte toxische Megakolon, oder eine Perforation, ein Darmdurchbruch sowie eine Darmlähmung oder ein Darmverschluss. Situationen, die die sofortige Klinikeinweisung und Notoperation erfordern.

Eine vergleichsweise häufige Komplikation beim Morbus Crohn ist die Bildung von Darmstenosen infolge der Entzündungsreaktion und der Narbenbildung. Bei rund einem Drittel der Patienten kommt es außerdem zur Bildung von Fisteln quasi wie eine Art Kurzschlussverbindung zwischen den Darmschlingen oder auch anderen Organen wie der Haut oder der Harnblase. Am häufigsten entstehen die Fisteln im Bereich des Afters als Verbindung zwischen dem Enddarm und dem umgebenden Hautbereich.

Behandlung des Morbus Crohn

Bei der Therapie des Morbus Crohn geht es in erster Linie darum, die Entzündung zum Abklingen zu bringen. Die Wahl des jeweiligen Medikamentes richtet sich primär nach der Krankheitsaktivität. Bei einem leichten bis moderaten akuten Schub wird zunächst mit dem Wirkstoff 5-Aminosalizylsäure behandelt. Meist ist das jedoch nicht ausreichend und es muss mit einem Kortisonpräparat, wie dem Prednisolon, behandelt werden. Alternativ kann auch Budesonid verabreicht werden, ein Kortikoid, das kaum resorbiert wird, daher vorwiegend lokal wirksam ist und somit weniger Nebenwirkungen bedingt.

Anders sieht die Behandlung bei einem schweren akuten Schub aus. Dann ist direkt ein Kortisonpräparat indiziert. Allerdings plädieren die Experten seit Jahren zunehmend dafür, wegen der geringeren Nebenwirkungen bei einem schweren akuten Krankheitsschub zusätzlich mit einem Immunsuppressivum, wie dem Azathioprin, zu behandeln. Dieses entfaltet allerdings seine volle Wirksamkeit erst nach zehn bis zwölf Wochen, so dass anfangs das Kortison- Präparat unverzichtbar ist. Nach Abklingen der akuten Symptomatik kann das Kortikoid dann langsam ausgeschlichen und schließlich abgesetzt werden, während das Immunsuppressivum für längere Zeit als Erhaltungstherapie weiter eingenommen wird. Dieses Vorgehen empfiehlt sich insbesondere bei Kindern und Jugendlichen, die von den Nebenwirkungen des Kortisons bei langfristiger Einnahme infolge der Wachstumshemmung besonders stark betroffen sind.

Chronisch-aktiver Morbus Crohn

Nicht immer lässt sich der akute Schub zur Remission bringen. Halten die Symptome über sechs Monate an, so wird von einem chronisch-aktiven Morbus Crohn gesprochen. Es wird zudem der steroidabhängige Morbus Crohn unterschieden als Krankheitsform, die lediglich durch die Einnahme von Kortison-Präparaten in Remission zu halten ist, und der steroidrefraktäre Morbus Crohn, bei dem trotz Steroidgabe die Akutsymptomatik nicht zum Abklingen zu bringen ist.

Liegt ein chronisch-aktiver Morbus Crohn vor, so ist ebenfalls ein Immunsuppressivum angezeigt, wobei Azathioprin oder 6-Mercaptopurin Mittel der Wahl sind. Lässt sich eine Besserung nicht herbeiführen, so kann als Reservemedikation auch Methotrexat eingesetzt werden.

Große Hoffnungen wurden in jüngster Zeit auf die Entwicklung des Wirkstoffs Infliximab gesetzt, einen monoklonalen Antikörper gegen den Tumornekrosefaktor (TNF), also gegen einen körpereigenen Botenstoff, der Entzündungsprozesse fördert. Der Anti- TNF-Antikörper hat sich in klinischen Studien als gut wirksam beim chronisch-aktiven Morbus Crohn erwiesen, allerdings ist er mit der Gefahr schwerster Nebenwirkungen behaftet und wird deshalb nur in anders nicht beherrschbaren Fällen als Reservemedikation eingesetzt.

Rezidiv und Remissionserhaltung

Ist eine Remission eingetreten, so muss praktisch stets mit einem Rezidiv gerechnet werden. Die Gefahr ist hoch, wenn trotz Abklingen der Symptomatik laborchemisch die Krankheitsaktivität weiter besteht und wenn sich im Ultraschall oder in anderen Untersuchungen weiterhin entzündliche Veränderungen darstellen. Ein klarer Risikofaktor für einen erneuten akuten Schub ist der Nikotinabusus. Bei Patienten mit hoher Rezidivneigung kann deshalb ähnlich wie bei denjenigen mit chronisch aktiver Krankheitsform eine Erhaltungstherapie mit einem Immunsuppressivum sinnvoll sein. Das Medikament sollte dann mindestens vier bis fünf Jahre lang eingenommen werden, ehe ein vorsichtiger Auslassversuch erfolgt. Treten dabei wieder akute Symptome auf, so muss erneut wie im akuten Schub behandelt werden.

Operationsindikationen

Operative Eingriffe werden beim Morbus Crohn in aller Regel durch Komplikationen der Erkrankung wie etwa durch Darmstenosen oder durch Fistelbildungen notwendig.

Anders als bei der Colitis ulcerosa, die auf das Kolon beschränkt ist, kann beim Morbus Crohn, der den gesamten Gastrointestinaltrakt befallen kann, durch eine Kolon-Resektion keine Heilung erwirkt werden. Es soll deshalb stets darmerhaltend operiert werden. Dabei geht es darum, kurzstreckige Stenosen zu beheben, so dass eine normale Stuhlpassage wieder möglich wird.

Ernährungstherapie

Neben der medikamentösen Behandlung und gegebenenfalls erforderlichen operativen Eingriffen ist außerdem eine gezielte Ernährungstherapie notwendig. Im akuten Schub kann es dabei notwendig sein, durch eine so genannte Astronautenkost die Ernährung zu sichern, wobei häufig eine Sondenernährung verordnet wird.

Auch muss ferner darauf geachtet werden, dass die Patienten möglichst keine Mangelzustände entwickeln. Zeigt sich ein Mangel an Vitaminen oder Spurenelementen, wie etwa Zink, so ist eine entsprechende medikamentöse Substitution erforderlich.

Psychotherapie

Der Morbus Crohn hat keine psychischen Ursachen, wohl aber kann durch psychische Belastungssituationen das Auftreten eines akuten Krankheitsschubes begünstigt werden. Es besteht zudem kein Zweifel daran, dass die chronische Erkrankung ihrerseits eine enorme psychische Belastung für den Patienten bedeutet.

Eine Verhaltens- oder auch eine Psychotherapie wird umso bedeutsamer sein, je jünger die Patienten sind und je stärker die Belastung durch die Erkrankung erlebt wird. Speziell bei erkrankten Kindern ist eine gute psychologische Betreuung von großer Bedeutung, um das Selbstwerterleben der Kinder zu stärken und eine normale Entwicklung zu gewährleisten.

Christine Vetter

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