Seltene odontogene Tumoren

Odontogenes Myxom im Oberkiefer

225551-flexible-1900
Heftarchiv Zahnmedizin

Kasuistik

Es handelte sich um einen 35-jährigen Patienten, bei dem über mehrere Jahre eine Auftreibung des rechten Oberkiefers entstanden war. Subjektiv hatte der Patient zwar eine Verbreiterung des Alveolarkammes wahrgenommen, Schmerzen waren allerdings nie aufgetreten. Klinisch lag eine balkonartige Aufweitung des Prozessus alveolaris insbesondere im Prämolarenbereich vor (Abb. 1). In der konventionellen Röntgendiagnostik zeigte sich im Orthopanthomogramm (OPG) eine ausgedehnte Osteolyse des rechten Oberkiefers mit einer feinwabigen Binnenstruktur (Abb. 2). Bei der Biopsie des Tumors zeigte sich ein helles, gallertartiges Gewebe (Abb. 3). Der Tumor hatte den Oberkiefer breit aufgetrieben und die Gaumenplatte aufgebraucht. Nach bioptischer Sicherung eines odontogenen Myxoms erfolgte die Tumorentfernung im Sinne einer partiellen Oberkieferresektion von Regio 12 bis zur Tuberregion mit einem Sicherheitsabstand von etwa fünf Millimetern, da der Tumor eine deutliche lokale Infiltration zeigte. Die primäre Defektdeckung erfolgte unter Mobilisierung eines Bichat-Lappens zur gesonderten Bildung eines Gewebeblattes zur Rest-Kieferhöhle. Zur knöchernen Rekonstruktion wurde nach einem Jahr, unter Erhaltung des Bichat-Lappens als trennende Schicht zur Kieferhöhle (Abb. 4), ein freies Beckenkammtransplantat zur Bildung des knöchernen Implantatlagers eingebracht. Nach sekundärer Implantation unter Sinusliftartiger Einlagerungsosteoplastik cranial des Beckenspanes erfolgte zwischenzeitlich die prothetische Versorgung durch eine implantatgetragene Brücke (Abb. 5).

Diskussion

Das odontogene Myxom wird heute überwiegend als Derivat des mesenchymalen Anteils der Zahnanlage betrachtet [Regezi, 2002; Sciubba et al., 2001]. Da es sich von der Zahnanlage ableitet, betrifft es die zahntragenden Abschnitte des Kiefers. Die Unterscheidung eines von der Zahnleiste ausgehenden odontogenen Myxoms von einem osteogenen Myxom auf der Basis von Knochenvorläufergewebe ist heute weitgehend verlassen worden [Neville et al., 2002]. Das odontogene Myxom ist ein Tumor des (jungen) Erwachsenenalters, nur in Einzelfällen wird über eine Manifestation bei Kindern berichtet [Fenton et al., 2003]. Ein sehr langsames Wachstum und, wie im vorliegenden Fall, auch ein langes symptomloses Intervall sind typisch für diese Knochenläsion. Nicht selten werden kleinere Myxome als Zufallsbefund anlässlich einer Röntgenuntersuchung erkannt. Anstelle der in Abbildung 2 dargestellten Röntgenmorphologie einer unregelmäßig begrenzten Osteolyse mit einer wabigen Binnenstruktur kommen auch randscharf begrenzte unizystische oder septierte beziehungsweise gekammerte Läsionen vor. Der Tumor wächst bezüglich der Zahnwurzeln eher verdrängend. Es sind aber auch Zahnresorptionen möglich. Während kleinere, scharf begrenzte Läsionen durch eine Kürettage meistens ausreichend behandelt sind, ist bei ausgedehnten, infiltrierend wachsenden Myxomen, wie im vorliegenden Fall, eine vollständige Resektion mit einem Sicherheitsabstand und histologischer Überprüfung der Knochenabsetzungsränder nötig [Sciubba et al., 2001]. Trotz ausgedehnter Knocheninfiltration und -destruktion infiltriert das Myxom die umgebenden Weichgewebe meist nicht. Auch im vorgestellten Fall konnte daher die palatinale Schleimhaut erhalten werden.

Für die zahnärztliche Praxis weist der Fall auf die Bedeutung einer vollständigen Röntgendiagnostik der Kieferregion hin. Wie bei zahlreichen anderen odontogenen Tumoren ist auch beim Myxom die Röntgenmorphologie sehr variantenreich, so dass letztlich erst die bioptische Absicherung zur Diagnose führt.

PD Dr. Dr. Martin KunkelProf. Dr. Dr. Torsten E. ReichertKlinik für Mund-, Kiefer- und GesichtschirurgieJohannes-Gutenberg-UniversitätAugustusplatz 255131 Mainz

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