Karlsruher Symposium

Die Professionalisierung der Profession

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„Professionalisierung des Zahnarztes – die neue Dimension der zahnärztlichen Fortbildung“ – unter dieser Überschrift fand am 9. Juli 2004 ein Symposium der Akademie für Zahnärztliche Fortbildung Karlsruhe statt. Hier wurde in Punkto Weiterentwicklung des Berufsstandes Vordenkerarbeit geleistet. Fazit: Es geht nicht ohne den Erhalt der Fachlichkeit und eine lebenslange Fortbildung auf allen Ebenen.

Was hat der Begriff der Professionalisierung mit dem Zahnarztberuf zu tun? Warum beschäftigen wir uns damit? Diese Fragen wird sich so mancher der rund 70 Fachteilnehmer aus zahnärztlicher Standespolitik und Wissenschaft zunächst einmal verblüfft gestellt haben. Denn, so drückte es Dr. Bernd Borckmann, Vorsitzender des Verwaltungsrates der Akademie zur Begrüßung aus, „wenn jemand professionell ist, dann wir“. Doch die gesteigerten Anforderungen an den Beruf und an die moderne Wissensgesellschaft sowie das ethische Selbstverständnis erforderten stetige Anpassungen, skizzierte die stellvertretende Präsidentin der Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg, Dr. Antoinette Röttele.

Angekurbelt durch den Wettlauf um Punkte, der die Fortbildung zu einem bürokratischen Akt macht, oder durch die Einführung fragwürdiger Spezialisierungen durch Fortbildungsprogramme stelle sich die Frage, ob die Fortbildung am Ende sei, sagte Prof. Dr. Michael Heners, Leiter der Akademie Karlsruhe. Die klassische Fortbildung , bei der der Zahnarzt ständig altes Wissen durch neues Wissen ersetzen müsse, bezeichnete Heners als „Substitutionsmodell“. Fortbildung, die diesem Modell verpflichtet sei, vermittele Wissen in der Regel durch Instruktion im Rahmen eines traditionellen Studenten-Professoren- Verhältnisses. Der Praktiker von jetzt habe jedoch mit dem Zahnarzt von 1960 nichts mehr gemein, deswegen sei das Substitutionsmodell auch nicht zukunftsorientiert. Der Zahnarzt von heute verfüge über Fachwissen, Fallwissen und methodisches Wissen, das ihn zu einem gleichberechtigten Partner des universitären Lehrers mache. Er sei kein Student, sondern ein Experte, der dabei sei, sich zu professionalisieren. Deswegen stellte Heners das Substitutionsmodell gegen das Fortbildungsmodell „Professionalisierung“. Dieses biete dem Zahnarzt die Grundlage, sich kontinuierlich weiter zu entwickeln, und zwar auf der Basis von Autonomie, Selbstbestimmung und ärztlichem Denken und Handeln. Dazu gehöre die Einübung handlungsrelevanter Kompetenzen wie Lernen, Kooperation, oder Kommunikation.

Eigenverantwortlich handeln

Aus Sicht der Berufspolitik referierte der Präsident der Bundeszahnärztkammer, Dr. Dr. Jürgen Weitkamp, über das professionelle Selbstverständis des Zahnarztes (siehe dazu auch den Leitartikel in diesem Heft). Sein Motto: „Wer alles bewahren will, muss alles verändern“. Weitkamp unterstrich die Notwendigkeit der weiteren Professionalisierung des Berufsstandes. Entscheidend sei, die Dinge in Eigenverantwortung aufzugreifen, als Freiberufler und mit einem Augenmerk auf die gesellschaftliche Verantwortung. Weitkamp sieht den Zahnarzt der Zukunft als den klassischen Hauszahnarzt. Implantologie und Parodontologie gehörten in jede Praxis. Darüber hinaus habe sich der Kollege besondere Kenntnisse und Fähigkeiten auf ein bis drei Teilgebieten erworben. Daneben werde es eine Anzahl von Spezialisten geben (Weiterbildung, Postgraduate etc). Prävention sei die Basis allen zahnärztlichen Handelns. In der Approbationsordnung müsse die Medizin die Grundlage sein. Was den Berufsstand angehe, müsse der Korporatismus nach deutschem Vorbild erhalten bleiben. Weitkamp wörtlich: „Kammern sind die Kompetenzzentren der Zukunft.“ Im Hinblick auf Europa müssten die Berufsordnung erneuert und der Wettbewerb gestärkt werden. Sein Fazit: „Es geht nicht ohne den Erhalt der Fachlichkeit und eine lebenslange Fortbildung auf allen Ebenen.“

Prof. Dr. Winfried Marotzki, Universität Magdeburg, plädierte dafür, den Gedankenaustausch zwischen Sozialwissenschaften und der Medizin zu intensivieren. Der Professionelle müsse heute in der Lage sein, sein Handeln sowohl klientenadressiert wie auch im öffentlichen Diskurs zu verteidigen. Eng verbunden mit dem Handeln des Professionellen sei die Entwicklung von Vertrauen. Der Professionelle müsse stabile Rahmenbedingungen aufbauen, in denen der Klient das erforderliche Vertrauen gewinnen könne. Marotzki: „Wenn das Vertrauen in eine Gesellschaft erodiert, kann professionelles Handeln unmöglich werden.“ Da Professionen sensibel auf gesellschaftliche Veränderungen reagierten, sei ein intensiver Anpassungsprozess erforderlich. Marotzki unterstrich: „Eine intensive Auseinandersetzung mit den eigentlichen Berufsaufgaben wird für jede Profession zur unabdingbaren Notwendigkeit.“

Qualitätsförderung sieht Prof. Dr. Ferdinand Gerlach, Universität Kiel, als eine entscheidende Herausforderung der Zukunft an. Durch den zunehmenden Qualitätswettbewerb ändere sich die Rolle des Zahnarztes: „Wer nicht gestaltet, wird gestaltet.“ Es gebe kein Patentrezept zur Qualitätsförderung in der Praxis, das alle Probleme löse, sondern es existiere eine Vielzahl nützlicher Ansätze, die ganz spezifische Aufgaben lösen könnten. Als Beispiel eines Konzeptes mit wissenschaftlicher Begründung stellte er das „European Practice Assessment (EPA)“ vor. Es handelt sich dabei um ein internationales Projekt basierend auf einem holländischen Modell. Der deutsche Teil wird vom AQUA-Institut in Göttingen betreut (mehr dazu unter www.aqua-institut.de). EPA werde in vielen humanmedizinischen Praxen erfolgreich angewandt, so Gerlach.

Prof. Dr. Winfried Walther, Akademie Karlsruhe, skizzierte, wie eine zukunftsorientierte Fortbildung die Ansprüche an die zahnärztliche Profession einlösen kann. Dazu sei wichtig, dass der Zahnarzt das Fortbildungsangebot, das die Anbieter im Wettbewerb gestalten, freiwillig annimmt. Er arbeite im Rahmen der Fortbildung selbstbestimmt, und diese Selbtbestimmung erfordere neue Arbeitsweisen. Diese Prämissen würden im Kursangebot der Akademie umgesetzt. Walther stellte eine zahnärztliche Bildungsbiographie auf, die idealtypisch die Ansprüche an eine zeitgemäße Professionalisierung erfüllen soll. Hierbei bilde sich der Zahnarzt fort, indem er lerne, ärztlich zu denken und zu handeln, die einzelnen Disziplinen der Zahnheilkunde in ein Gesamtkonzept zu integrieren und Qualitätsförderung anzuwenden. Die Akademie bereite sich derzeit darauf vor, hier konkreter zu werden. In Zusammenarbeit mit einer Universität soll ein allgemeinzahnärztlicher Bildungsweg als Masterstudiengang „Master of Integrated Practice in Dentistry“ angeboten werden.

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