4. Keramik-Symposium in Kiel

Alle Segel für die Vollkeramik gesetzt

Das Keramik-Symposium, das in diesem Jahr als Auftaktveranstaltung zur Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Prothetik und Werkstoffkunde (DGZPW) in Kiel stattfand, bewährte sich erneut als Forum zum Erfahrungsaustausch zwischen Klinikern, Werkstoffspezialisten, niedergelassenen Zahnärzten und Dentallaborleitern.

Prof. Dr. Matthias Kern, Kiel, zeigte die klinischen Möglichkeiten von vollkeramischen Restaurationen. Inlays, Onlays, Teilkronen und Veneers aus Silikatkeramik weisen bei adhäsiver Befestigung und ausreichendem Schmelzangebot inzwischen sehr gute klinische Erfolgsraten von über 90 Prozent nach zehn Jahren auf und sind damit für die Praxis zu empfehlen.

Auch für Vollkeramikkronen liegen ausreichend klinische Belege zur Langzeitbewährung vor. Insgesamt gesehen haben sich adhäsiv-befestigte Keramikkronen im Frontzahnbereich gut bewährt. Leuzitverstärkte Silikatkeramik (Empress 1) und Lanthan-infiltriertes Aluminiumoxid (InCeram) verweisen auf klinische Erfahrungen über sechs Jahre; die Überlebensraten inklusive Verblendfrakturen liegen bei 85 bis 92 Prozent. Jüngere Restaurationen, ausgeführt mit modernen Oxidkeramiken (InCeram Zirconia, Zirkonoxidkeramik) mit konventioneller oder adhäsiver Befestigung, haben sich in allen Kieferbereichen gut bewährt und zeigen Potenzial für weit höhere Überlebensraten.

Strenge Indikation für Keramikbrücken

Bei vollkeramischen Brücken müssen noch strenge Indikationsregeln angelegt werden, denn nicht jeder Patient ist dafür geeignet. Der notwendige Platzbedarf für Präparation und Mindestwandstärken muss gegeben sein, wobei heute in angezeigten Fällen nicht unbedingt mehr Substanz reduziert werden muss als für eine klassische, metallgestützte Krone. Zusätzlich zu den oben erwähnten Faktoren hängt die Belastungsfähigkeit vollkeramischer Brücken von ihrer Spannweite ab. Bisher liegen in erster Linie klinische Daten für die Bewährung dreigliedriger Vollkeramik-Brücken vor. Während sich in anterioren Kieferbereichen Lithiumdisilikatkeramik mit Biegefestigkeit von 220 MegaPascal (Empress 2) und infiltriertes Aluminiumoxid mit 490 MPa (InCeram) bei einer Tragezeit von fünf Jahren qualifiziert haben, scheint sich Zirkonoxid mit etwa 1000 MPa für den posterioren Bereich zu eignen.

Metallkeramik ist Goldstandard

Maßstab für die Vollkeramik ist, dass metallkeramische Versorgungen einen Qualitätsstandard erreicht haben, der nur schwer zu übertreffen ist. Vollkeramische Brücken müssen sich stets an VMK-Daten messen lassen. Der „goldene Standard“ der Überlebensrate von metallkeramischen Brücken liegt nach fünf, zehn und 15 Jahren bei 96, 87 und 85 Prozent; das heißt die Verlustrate liegt bei etwa einem Prozent jährlich. Daten zur längerfristigen klinischen Bewährung vollkeramischer Brücken im Seitenzahnbereich stehen heute noch aus.

Experiment Inlaybrücke

Die minimal-invasive Versorgung mit der vollkeramischen Inlaybrücke ist noch im Experimentierstadium. Diese Substanz schonende Indikation bietet sich an, wenn die Pfeilerzähne schon Füllungen tragen und somit als Auflieger für die Lücken schließende Konstruktion genutzt werden können. Inlaybrücken mit Gerüsten aus Zirkonoxid, verblendet mit Aufbrenn-Glaskeramik zur Erfüllung hoher ästhetischer Ansprüche, sind seit einigen Monaten eingegliedert und stehen im Fokus klinischer Beobachtungen mit guten Prognosen.

Front-Lücken kleben

Für den Lückenschluss im Frontzahnbereich bei kariesfreien Pfeilerzähnen sind bisher mit einflügeligen Adhäsiv-Brücken laut Prof. Kern überzeugende klinische Resultate erzielt worden. So kann der Substanzabtrag für die Adhäsivbrücke deutlich geringer erfolgen als für eine wahlweise angezeigte Krone. Die klinische Erfolgsrate mit einflügeligen Adhäsivbrücken aus der glasinfiltrierten Aluminiumoxidkeramik liegt nach fünfjähriger Tragedauer bei über 90 Prozent und kann damit als überzeugend eingestuft werden.

Molarenbrücken aus Zirkonoxid im Test

Mit dem Thema „Professioneller Umgang mit Vollkeramik für optimale Ergebnisse“ eröffnete Privatdozent Dr. Joachim Tinschert vom Universitätsklinikum der RWTH Aachen, Gewinner des „Forschungspreises Vollkeramik 2003“, die Diskussion um die die Eignung von Hochleistungskeramiken für Brücken im Seitenzahngebiet. Brücken aus Zirkonoxidkeramik (ZrO) stehen seit vier Jahren unter klinischer Beobachtung und zeigen günstige Prognosen für den Molareneinsatz. Die Belastbarkeit der Brücke wird jedoch auch durch die Ausdehnung der Brückenspanne beeinflusst. Bei verblendeten dreigliedrigen Brücken sind höhere Belastbarkeitswerte erzielbar (2200 Newton) als bei fünfgliedrigen Spannen (1300 N). Diese Belastungsgrenzen sind in der Regel weit entfernt von den natürlichen Kaudruckbelastungen im Seitenzahnbereich, die bei etwa 800 bis 900 N liegen.

Im klinischen Alltag zeigen Brücken aus Zirkonoxid gute Ergebnisse. Beobachtet wurden 15 Frontzahn- und 50 Seitenzahnbrücken über drei Jahre(DCS). 44 Brücken waren dreigliedrig, 21 waren mehrgliedrig. Frakturen traten keine auf, lediglich 4,6 Prozent der Verblendungen zeigten Abplatzungen. Eine andere Studie prüfte 50 Seitenzahnbrücken nach durchschnittlich 26 Monaten (längste Verweildauer bis 55 Monate). Bei drei Brücken gab es Abplatzungen der Verblendung, zwei zeigten Friktionsverlust und in drei Fällen war Vitalitätsverlust eingetreten. Gerüstfrakturen gab es keine. Eine Studie aus Zürich untersuchte Zirkonoxidbrücken, gefertigt aus teilgesinterten Grünlingen mit anschließender Schrumpfsinterung (DCM). Nach drei Jahren zeigten die 58 Seitenzahnbrücken keine Fraktur; bei 6,3 Prozent waren Verblendungs-Abplatzungen festzustellen (Zembic, 2003). Die Abplatzungen bei den Keramikverblendungen, die im Übrigen generell auf dem Defekt-Niveau von VMK-Verblendungen liegen, werden Ziel weiterer Untersuchungen sein. Es gibt Hinweise, dass anatomisch reduzierte Kronenkappen, die eine dünnere, gleichmäßige Verblendkeramikschicht zum Ziel haben, das Risiko von Abplatzungen mindern. Für die Befestigungstechnik gibt es heute erprobte Methoden. Grundsätzlich können Oxidkeramiken (InCeram, Zirkonoxid) konventionell mit Glasionomerzement oder Zinkoxid-Phosphatzement befestigt werden, weil der Werkstoff über eine ausreichende Eigenfestigkeit verfügt. Zusätzlich klinische Haltbarkeit lässt sich durch eine adhäsive Verbindung mit dem Restzahn erzielen. Mit dem kraftschlüssigen Klebeverbund bietet die Restaurationsinnenseite keine mechanische Grenzfläche mehr, an der Riss auslösende Zugspannungen wirksam werden können.

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser

Dr. Bernd Reiss, Vorsitzender der AG Keramik, referierte über die seit 17 Jahren von ihm selbstgefertigten vollkeramischen Restaurationen. Seine Nachuntersuchungen führten zu einer größeren Vorhersehbarkeit der klinischen Ergebnisse; ferner wurde durch die Identifizierung von Risikogruppen und die Ermittlung günstiger Materialkombinationen der Therapieerfolg gesteigert. Das Co-Referat zu den „Neuen Wegen in der Qualitätsanalyse“ hielt Dr. Alexander Stiefenhofer, Zahnarzt in der Abteilung F&E von Ivoclar-Vivadent, der die Prüfmethoden für Keramikwerkstoffe vorstellte. Bevor präfabrizierte Keramikblanks zum klinischen Einsatz gelangen, durchlaufen sie eine Reihe von DIN-Testungen, wie Biegefestigkeit, chemische Löslichkeit und radiologisches Verhalten, um Kenndaten zu gewinnen und die gewünschten Eigenschaften sicherzustellen. Mechanische und zerstörende Prüfungen zeigen Werte zum Belastungsverhalten in kritischen Situationen. Werkstoffliche Testate mit superlativen Leistungsdaten können aber nur ein Informationsangebot sein. Mit der Auswahl des geeigneten Keramikwerkstoffs für seine Behandlung trifft der Zahnarzt eine wichtige Entscheidung, die über die klinische Performance der Restauration in den nächsten zehn bis 20 Jahren entscheidet.

Streitpunkt Farbe

Unerfreulich für Zahnarzt und Zahntechniker ist, wenn sich nach dem aufbrennkeramischen Verblenden einer Krone oder Brücke herausstellt, dass die zuvor bestimmte Zahnfarbe nicht mit den Nachbarzähnen übereinstimmt. Digitale Farbbestimmungsysteme versprechen Abhilfe und können das Farbempfinden objektivieren. Prof. Dr. Karl-Heinz Kunzelmann, Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie der Universität München, hat entsprechende Geräte untersucht und bezog mit dem Thema „Aktueller Stand der Farbbestimmungsysteme“ Stellung.

Angeboten werden Spektralphotometer und Colorimeter. Spektrophotometer messen im Wellenlängenbereich von 400 bis 700 Nanometern und rechnen die Daten in nummerische Werte um. Das Licht wird in seine spektralen Komponenten zerlegt und analysiert. Das System arbeitet unabhängig von der Lichtquelle. Das Colorimeter ist ein Dreibereichs-Farbmessgerät und arbeitet mit Farbfiltern. Die Art der Lichtquelle nimmt Einfluss auf die Messdaten. Nach dem Messprinzip des Spektralphotometers arbeiten EasyShade von Vita Zahnfabrik, SpectroShade und Pikkio von MHT. Colorimetrisch arbeiten ShadeEye-EX von Shofu, ShadeScan von Cynovad, ShadeVision von X-Rite. Praktikabler für die Praxis scheinen die Spektralphotometer zu sein, weil sie unabhängig von der Lichtquelle detaillierte Farbinformationen zur Verfügung stellen. Der Referent konzentrierte sich auf das ShadeVision, das mit einem stationären Computer arbeitet – und auf das EasyShade, ein transportables „hand held“-Gerät mit sehr kompakten Abmessungen. ShadeVision liefert Videobilder vom ganzen Zahn und kann Farbkarten im VITA-Standard oder anderen Farbsystemen von der gesamten Zahnfläche erstellen und unterscheidet farbliche Arealunterschiede als Anleitung zur Keramikschichtung. Mit EasyShade werden 26 Standardfarben definiert; durch Interpolation können bis zu 52 Zwischenfarben aus dem hinterlegten 3D-Master bestimmt werden.

Forschungspreis geht nach Zürich

Mit der Überzeugung, dass Forschung, Klinik und Praxis eng aufeinander angewiesen sind, tritt die AG Keramik alljährlich mit der Ausschreibung des „Forschungspreises Vollkeramik“ an die Fachwelt heran.

Der Preisträger des diesjährigen Forschungspreises ist Dr. Andreas Bindl, Zürich. Eine Anerkennung der Jury erhielt PD Dr. Daniel Edelhoff, Aachen. Eine weitere Anerkennung sprach die Jury aus für die Arbeit von Dr. Stefan Ries, Würzburg.

Manfred Kern,Arbeitsgemeinschaft für Keramikin der Zahnheilkunde e.V.info@ag-keramik.de

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