Leitartikel

An die Wand gefahren \r

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

für manchen ist es ein Blick zurück im Zorn: Die KZBV-Vertreterversammlung in Neuss war für den Großteil der Delegierten eine verpasste Chance, für wenige ein „außer Spesen nichts gewesen“. Wer die außerordentliche VV am 19. Juni miterlebt hat, dem stellen sich andere Fragen als die von Kosten versus Nutzen. Der KZBV-Vorstand ist mit seinen – von der Mehrheit der Delegierten übrigens klar befürworteten – Anträgen für die künftige Satzungs- und Wahlordnung an der erforderlichen Zweidrittelmehrheit gescheitert. Zwar fehlten nur zwei Stimmen. Aber das ist formelle Demokratie – und die erfordert unsere parlamentarische Toleranz. Trotzdem: Das „cui bono“ künftiger GMGKZVen in niedersächsisch-bayerischer Art schwarz-weiß malend mit schlichter Verweigerungshaltung zu beantworten, war nicht nur simpel, sondern schädlich. Die mit Sperr-Minorität gegen eine Zweidrittelmehrheit ausstaffierten Hardliner der FVDZFraktion haben in Neuss die Möglichkeit ignoriert, die künftigen Spielregeln der KZBV soweit wie möglich im Sinne der niedergelassenen Zahnärzte zu beeinflussen.

Eigentlich waren die Delegierten angetreten, Selbstverwaltung so zu praktizieren, wie wir sie alle als Auftrag erfahren haben: Von Zahnärzten für Zahnärzte, dem Ziel verpflichtet, das Feld nicht leichtfertig dem Gesetz- Gegner zu überlassen. In Neuss sollte das vom Gesetzgeber geforderte Mindestmaß zur Vorbereitung der – von uns allen so nicht gewünschten – künftig hauptamtlich strukturierten KZBV verabschiedet werden. Vorstand und Satzungsausschuss hatten nach ausführlicher Abwägung und Absprache mit der Vorsitzendenrunde der KZVen die notwendigen Änderungen in Anträgen verarbeitet und der Vertreterversammlung zur Entscheidung präsentiert. Ein Sachverhalt, den viele auf Länderebene bereits hinter sich haben, darunter auch die KZV Niedersachsens. Deren Vertreter – und die der KZV Bayerns – waren es im Wesentlichen, die die von der Mehrheit gewollte Satzungsänderung boykottiert haben.

Die Vorsitzenden der 20 übrigen KZVen haben in einer Resolution diese Handlungsweise missbilligt und bedauert, dass der vorgelegte Satzungsentwurf durchfiel. Eine Woche vor Neuss waren alle zusammengekommen, um über die Problematik zu diskutieren. Nur die Vertreter Bayerns und Niedersachsens fehlten. Ein Schelm, der Böses dabei denkt. Aber zu einem späteren Aha- Erlebnis reichte es. Und das wäre noch größer gewesen, wenn sie auch auf der VV in Neuss gefehlt hätten.

Sicher ist es für uns Standespolitiker notwendig, angesichts der von uns allen obstruierten Angriffe auf die zahnärztliche Selbstverwaltung konsequent und für die Kollegenschaft vorbildlich zu handeln. Aber welcher Weg da der richtige ist, darüber scheiden sich die Geister. Einzelne Delegierte hatten sich – und das ist anerkennenswert – vorab entschieden und waren für die Beschlussfassung zur Vorbereitung der GMG-geprägten KZBV gar nicht angetreten. Wer allerdings in Neuss erschien, der wusste eindeutig, was ihn erwartete. Und die Mehrheit wollte eine deutliche Entscheidungsgrundlage. Dort mit dem Wissen um die Sperrminorität zu erscheinen, um denjenigen, die weitermachen wollen, die Zukunft durch Hinterlassen verbrannter Erde zu erschweren, hat nichts mit Freiheit, wohl aber vieles mit Revanchismus zu tun.

Gerade die Niedersachsen müssen sich fragen lassen, wer, beziehungsweise was sie (an-)geleitet hat, die „Satzungskarre“ an die Wand zu fahren. Auf Bundesebene provozieren sie die Aufsichtsanordnung, in Hannover kommen sie ihr zuvor, indem sie freiwillig unter Protestgeheule eine Satzung mit notwendiger Mehrheit durchbringen. In Hannover erklären sie – alles gestandene Freiverbändler –, demonstrativ in die dortige Vertreterversammlung einziehen zu wollen, in Neuss mutieren sie zu politischen Autisten. Das verstehe, wer will.

Und auch die Bayern verstehen sich sicher selbst am besten. Daheim zerstritten und zersplittet, zeigten sie in Neuss stramme Einigkeit. Daheim im Zwiespalt zwischen erneutem Staatskommissar und begriffener Eigenverantwortung, setzten sie in Neuss leichtfertig eine Stimmgewichtung aufs Spiel, die ihre zahlenmäßige Größe berücksichtigte. Wenn die politische Kraftmeierei zum Hakeln in die Finger rutscht, bleibt anderes halt auf der Strecke. Auch hier gilt: Das verstehe, wer will.

Seien wir doch ehrlich. Selbst wenn man der Überzeugung ist, dass die künftigen KZVen keine Zukunft haben, so gilt doch: Kapitäne springen nicht zuerst in die wenigen Rettungsboote, sie verlassen gefälligst als letzte das Schiff. Mangels realistischer Alternativen für die Vielzahl der Kollegen scheint es fast naiv, auf hoher See zum Sprung ins kalte Wasser aufzufordern. Und schon gar nicht kann es angehen, nach vollmundig erklärten Ausstiegsaufforderungen das Schiff selbst zu versenken, damit einem die Nachkommen dann bestätigen, dass man im Recht war.

Mit kollegialen Grüßen

Dr. Jürgen FedderwitzAmtierender Vorsitzender der KZBV

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