1. Juli 2005: Stichtag für die EU-Zinssteuer

Vertraute Nachbarn

Um ein halbes Jahr geschoben tritt am 1. Juli die EU-Zinsrichtlinie in Kraft. Dann werden die Banken in 22 EU-Staaten Kontrollmitteilungen über die Zinseinkünfte ihrer ausländischen Kunden verschicken. Doch drei Länder sprechen sich fürs Schweigen aus.

Die Steueramnestie, ein Sonderangebot von Bundesfinanzminister Hans Eichel an die abtrünnigen Anleger, die ihr Erspartes auf den Konten der Nachbarn verstecken, erwies sich als ausgemachter Flop. Statt der erhofften fünf kassierte der Fiskus nur 1,24 Milliarden Euro von den reumütigen Heimkehrern. Die Übrigen trauten sich aus ihren Verstecken nicht heraus.

Jetzt hat die Staatsmacht zum Angriff geblasen. Seit dem 1. April dieses Jahres hat sich das deutsche Bankgeheimnis so zu sagen in Nichts aufgelöst, Finanz- und Sozialämter haben Zugriff auf die heimischen Konten der Bankkunden.

Erspartes - ganz transparent …

Daran wird sich so schnell nichts ändern. Denn die Beschwerde von Hermann Burbaum, Leiter einer Volksbank im Westfälischen, lehnte das Bundesverfassungsgericht ab. Während sich hier zu Lande der Fiskus selbst bedienen darf, melden die ausländischen Banken ab dem 1. Juli alle Zinseinkünfte deutscher Kunden bei europäischen Banken in 22 EU-Ländern an ihre eigenen Finanzbehörden. Diese wiederum reichen die Daten schnurstracks an ihre deutschen Kollegen weiter.

… oder gut geschützt

Doch einige standhafte Mitglieder nehmen an diesem Informationsaustausch nicht teil. Schließlich haben sie ein Bankgeheimnis zu verteidigen: Belgien, Luxemburg und Österreich weigern sich so lange, Meldung zu erstatten, bis auch die Schweiz und Liechtenstein sowie Off-Shore-Adressen, wie die Kanalinseln Guernsey und Jersey, sich auf diesen Deal einlassen. Bis dahin ziehen sie von den ausländischen Bankkunden eine Zinssteuer ein, die sie an den deutschen Fiskus abführen. Mit dabei sind auch die Schweiz und Liechtenstein als Nicht-EU-Staaten.

Und so funktioniert der Steuerabzug: Ab dem 1. Juli 2005 bis 2008 erheben die Banken anonym eine Quellensteuer von 15 Prozent. Dann steigt der Prozentsatz für drei Jahre auf 20 Prozent. Ab dem 1. Juli 2011 verzichten die Kunden auf 35 Prozent ihrer Zinseinkünfte. Die Banken überweisen diese Abgaben an die heimischen Finanzämter ihrer Kunden.

Doch gemäß dem Sprichwort, wonach nichts so heiß gegessen wird, wie es gekocht wird, wird kaum ein Kunde auf die Renditen seiner Investitionen im nahen Ausland verzichten müssen. Denn einige Formen der Geldanlagen bleiben von der neuen Steuer verschont.

Dazu gehören:

• Indexzertifikate, unabhängig davon, ob der Index Aktien oder Renten abbildet.

• Investmentfonds, die zu mindestens 60 Prozent in steuerfreie Anlagen investieren. Abgabenfrei bleiben danach vor allem alle Aktienfonds und Mischfonds, die die oben genannten Vorgaben erfüllen. Dividenden sind selbstverständlich nicht betroffen.

• Strukturierte Zertifikate, zum Beispiel Bonus- oder Discountzertifikate, für die es keine laufenden Zinszahlungen gibt.

• Fondsgebundene Lebensversicherungen.

• Anleihen, die vor dem 1. März 2001 emittiert und anschließend nicht weiter aufgestockt worden sind. Entscheidet sich der Kunde für die Anleihen, fragt er vor dem Kauf sicherheitshalber noch einmal nach, ob es eine Kapitalveränderung gegeben hat. Verlässlich sind meistens Papiere, die die Konto führenden Institute selbst herausgegeben haben. Dann wissen sie genau, ob Kapital aufgestockt wurde oder nicht. Manche Institute, etwa die UBS in der Schweiz, kennzeichnen Anleihen, deren Zinserträge steuerfrei sind, mit einem "G".

Allerdings unterliegen diese "Grandfathered Bonds" einer Übergangsregel, die nur bis zum 31. Dezember 2010 gilt. Nach dieser Frist empfiehlt es sich für private Anleger, auf niedrig verzinste Papiere mit hohem Kursabschlag vom Nominalwert umzusteigen. Auf diese Weise reduzieren sie die Abgaben an den Fiskus auf ein Minimum. Den gleichen Effekt hat die Anlage in Wandelanleihen. Hierbei zieht die Bank nur vom Kupon die Steuer für den ausländischen Fiskus ein. Der Kursgewinn bleibt abgabenfrei.

Ruhe sanft, mein Sparstrumpf

Deutsche Anleger, die ihr mühsam Erspartes ins nachbarliche Ausland bringen, um es dort zu deponieren, scheuen sich allerdings, von einer sicheren Zinsanlage in einen risikoreicheren Aktienfonds umzusteigen. Die meisten Institute wissen um die Nöte ihrer Kunden und halten sichere Alternativen bereit. Die beliebtesten Ziele im deutschsprachigen Ausland sind übrigens die Bankenhauptstadt Zürich in der Schweiz, die touristischen Lieblingsorte in Österreich - darunter besonders häufig frequentiert die Enklaven Kleinwalsertal und Jungholz - und das Großherzogtum Luxemburg, denn hier spricht man neben dem einheimischen Letzeburgisch auch Französisch und Deutsch. Für deutsche Sparer liegen diese Ziele quasi vor der Haustür und passen für einen Kurzurlaub. Was so nahe liegt, wird gern genutzt - in diesen drei Ländern haben zwei Drittel des Schwarzgeldes aus Deutschland eine Heimat gefunden. Viele Banken locken in Bedrängnis Geratene mit mehr oder weniger lukrativen Anlagen und versprechen besonders guten Service.

Mehr als eine Performance

Die Spreu vom Weizen getrennt haben die Spezialisten der Fuchs-Briefe, ein deutsches Anlage-Informationsblatt. In Zusammenarbeit mit dem Institut für Qualitätssicherung (IQF) in Hannover und dem Frankfurter Spezialisten firstfive AG für den Vergleich von Vermögensverwaltungen und zuständig für die Messung der Performance, testeten sie Banken in Deutschland, dem deutschsprachigen Ausland und auf Mallorca. Ganz bewusst hat sich das Expertenteam die Banken in den Urlaubsgebieten ausgesucht. Allein in der Schweiz und Österreich versteckt sich vermutlich etwa die Hälfte der rund 300 im Ausland vermuteten Milliarden Euro aus Deutschland. Abgesehen von der Schönheit der Landschaften locken beide Alpenländer mit - immer noch - intakten Bankgeheimnissen.

Schweizer Schweigen

Die Schweizer rücken erst dann mit Informationen über Bankkonten heraus, wenn feststeht, dass es sich bei dem Vergehen des Kontoinhabers um Steuerbetrug handelt. Einfache Steuerhinterziehung reicht nicht. Keine Hemmungen bei der Weitergabe von Informationen kennen die Eidgenossen, wenn es sich um Geldwäsche oder den Verdacht auf organisierte Kriminalität handelt. Um dem möglichst vorzubeugen, verlangen die Banken von ihren Kunden, bei der Kontoeröffnung und bei Überweisungen von mehr als 25 000 Euro ihre Identität offenzulegen. Abgesehen von der neuen EU-Zinssteuer kassieren die Schweizer 35 Prozent Verrechnungssteuer auf Wertpapiere, ausschließlich der Schweizer Emittenten. Als diskret und sehr kompetent erwiesen sich bei den Tests durch die deutschen Experten von Fuchs-Report, IQF und firstfive in der Schweiz einige Institute, wie Pictet & Cie., LGT Bank, UBS, ABN Amro Bank oder die Commerzbank in Zürich. Allerdings verlangen die Meisten von ihren Kunden Einlagensummen in Höhe von einer Million Euro an aufwärts.

Reichlich Service

Nicht ganz so gut wie in der Schweiz schützt das Bankgeheimnis in Österreich. Dort ist es zwar in der Verfassung festgeschrieben. Allerdings reicht eine einfache Steuerhinterziehung, und die Alpenländler müssen dem deutschen Fiskus Auskunft geben, der bereits ein Strafverfahren eingeleitet hat. Der Vorwurf muss zusätzlich nachweisbar sein und in einem direkten Zusammenhang mit einem österreichischen Konto stehen. Um der Kriminalität schon möglichst früh Einhalt zu gebieten, verlangen die Banken, dass sich ihre Kunden bei Überweisungen von mehr als 15 000 Euro ausweisen. Diesen Umstand versuchen die Geldhäuser durch besonders guten Service wieder wettzumachen. So wurden die deutschen Tester bei ihrer Suche nach guten Vermögensverwaltern auch in Österreich fündig. In Wien bietet sich das kleine aber feine Bankhaus Gutmann an. Die Bankiers an der Donau heimsten das Lob nicht nur von Fuchs-Report ein. Dank ihrer Diskretion, Sicherheit und Fürsorge für den Kunden zählt auch das britische Magazin "Euromoney" die Wiener zu den besten Privatbanken. Um diesen All-inclusive-Service genießen zu können, reichen 300 000 Euro Vermögen.

Bereits ab 50 000 Euro bietet Österreichs größte Raiffeisenbank (Raiba) in Riezlern im Kleinwalsertal vorzügliche Dienste an. Das idyllisch gelegene Tal ist nur von Deutschland aus zu erreichen. Mit dem Auto fährt man zehn Kilometer. Gute Wanderer oder Skiläufer nehmen eine Abkürzung. In der anderen österreichischen Enklave Jungholz wartet unter anderem ebenfalls eine Raiffeisenbank mit einem guten Bankservice auf deutsche Kunden, so das Experten-Team von Fuchs-Report.

Abge"luxt"

Die luxemburgischen Banken, vor allem die Töchter deutscher Großbanken, haben vor einigen Jahren dank deutscher Kontrollen in Sachen Kundenschutz Federn lassen müssen. Längst hat sich die Lage beruhigt, viele Deutsche vertrauen ihr Erspartes wieder den großherzogtümlichen Geldhäusern an.

Das Bankgeheimnis ist gesetzlich geregelt und verpflichtet zur Verschwiegenheit. Aufgehoben wird es bei internationaler Rechtshilfe und bei dem Verdacht auf Geldwäsche. Um der vorzubeugen, fragen die Luxemburger ihre Kunden bei Überweisungen ab 15 000 Euro ebenfalls nach dem Ausweis. Luxemburg gilt als der größte europäische Standort für Investmentfonds. Der Großteil des ausländischen Kapitals stammt von deutschen Anlegern. Bislang zahlen sie keine Quellensteuer. Die wird - wie bei den anderen Verweigerern der Kontrollmitteilungen - ab dem 1. Juli fällig.

In Luxemburg finden Kunden mit kleineren und mittleren Vermögen eine gute Betreuung. Neben den großen einheimischen Instituten sind auch die deutschen Großbanken sowie einige Privatbanken mit ihren Töchtern vertreten. Eine davon - Hauck & Aufhäuser Banquiers Luxembourg - machte beim deutschen Expertenteam in den Fuchsbriefen das Rennen.

Gestiefelt und gespornt

Anleger, die ihr Einkommen ordnungsgemäß versteuert haben und ihre Ersparnisse zwecks guter Rendite im Ausland Früchte tragen lassen wollen, können das Geld vom Konto ihrer Hausbank überweisen. Diesen schnellen und bequemen - und für Finanzbehörden nachvollziehbaren Transfer - bieten viele Auslandsbanken an. So mancher Urlauber dagegen, der das Geld für die Auslandsanlage in seinen Koffer packt, glaubt nur, er handele geschickt. In realiter findet der erfahrene Zöllner vor der Grenze seine Spezis. Interessiert er sich für deren Kofferinhalt, dürfen sie nicht mehr als 15 000 Euro dabei haben, sonst kann er das Geld konfiszieren. Entdeckt er Konten- und Depotunterlagen, schickt er diese Papiere direkt an das Heimatfinanzamt des vermutlichen Sünders.

Geschnürt und geschnüffelt

Besonders sensibel reagieren die Grenzer offensichtlich auf Senioren, die die Grenzen in die steuerfreundliche Schweiz überschreiten wollen. Nach einem Bericht im "Manager-Magazin" haben sie es besonders auf Frauen abgesehen. So fanden sie im Mieder einer Seniorin aus Berlin 88 000 Euro. Eine Schwäbin hatte 14 500 Euro - eingetütet in einem Gefrierbeutel - in ihrem Schlüpfer verstaut. Zugleich entdeckte die Zollbeamtin einen Zettel mit Notizen über sämtliche Schwarzgeldanlagen. Da lohnt es sich, 34 Spürhunde zu halten, einer davon auf Bargeld spezialisiert.

Diskretion als Gebot

Damit sie möglichst wenig Aufmerksamkeit erregen, versorgen die Banken in Österreich, Schweiz oder Luxemburg ihre Kunden mit guten Ratschlägen. Sie selbst verschicken ihre Post in neutralen Umschlägen. Manche verzichten sogar bei den Visitenkarten auf ihr Logo und nennen nur den Namen des zuständigen Beraters und dessen Telefonnummer. Besonders vorsichtige Kunden lernen die Daten auswendig und vernichten das Kärtchen. Geheimniskrämerei mag den Kontoinhaber vor ungebetenen Mitwissern schützen. Doch stirbt er, gucken seine Erben in die Röhre, falls er sie nicht rechtzeitig über den geheimen Schatz informiert hat. Erfahrene Bankiers empfehlen ihren Kunden, einen persönlichen Brief für die Erben bei einem Notar zu hinterlegen, das Auslandskonto aber im Testament nicht zu erwähnen. Zusammen mit dem Erbschein können die Nachkommen dann das Geld abheben. Oder gegebenenfalls den Bundesfinanzminister über ihren Fund informieren.

Marlene Endruweit

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