Leitartikel

Im Abseits oder aus der Tiefe des Raumes

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

der Confederations Cup ist vorbei, Deutschland pegelt sich wieder vom Fußballfieber auf Normaltemperatur. Doch manch banale Fußballweisheit gibt Tipps für den politischen Sommer: „Der Ball ist rund, das Runde muss ins Eckige, das nächste Spiel ist das Schwerste.“ Auch diese oder jene Aktion auf dem grünen Rasen passt zur politischen Bühne. Gedankenloses Rumgekicke in eigenen Reihen, womöglich noch im eigenen Strafraum, lässt den Gegner schneller an den Ball, führt auch mal zum Eigentor. Falls der Bundespräsident das Großereignis des Sommers anpfeift, wird es spannend – auch wenn für die Buchmacher alles klar zu sein scheint. Auf dem Weg zum „Finale Furioso“ wird mit harten Bandagen gespielt, die Fouls sind vorprogrammiert. Schließlich – auch diese Floskel kommt vom Platz – „steht zuviel auf dem Spiel“.

Klar scheint, dass die Finalisten in einem Mix aus rot-grün und schwarz-gelb antreten werden. Aber noch brüten die Spielführer über Strategie und Taktik. Keiner weiß – bis auf programmatische Lippenbekenntnisse ohne stichhaltigen Inhalt – so recht, wo es lang gehen wird. Nicht einmal die Besetzung der Mannschaften steht.

Kanzler Schröder – „noch“ Spielführer bei Rot-Grün – hat Probleme mit dem linken Flügel. Wie weit „kommt“ die Mannschaft über links? Haben die, die dort spielen wollen und sollen, genug Erfahrung und Kondition? Muss er auf die sich „fit“ gerierenden „Edel“-Reservisten auf der Auswechselbank zurückgreifen, die im neuen Trikot zu neuem Ego gefunden haben? Das letzte Aufgebot wird kämpfen – bis zum Letzten.

Die Probleme von Angela Merkels Mannschaftsführern liegen ganz anders: Zu viele Topleute – in ihren Heimatteams bewährte Spielgestalter – stehen sich in der Mannschaft noch im Wege. Der eine will bedingungslose Offensive, den Angriff stärken. Da mag manches überhastet wirken, aber Treffer sind möglich. Der andere will erst einmal die eigene Hälfte sichern, aus der Defensive kommen und auf die Konter vertrauen. Selbst der Bayernblock rotiert noch. Zusätzlich meldet sich einer aus der bayerischen Provinz, der sich schon verabschiedet, die Sportart eher gewechselt hatte, nun aber wieder mitspielen möchte.

Ungewiss ist auch noch die Trikotfarbe: schwarz bis tiefschwarz, doch wie sozialrot sind die Stutzen? Oder muss man doch auf die gelben Mehrheitssöldner Rücksicht nehmen, die es gar nicht abwarten können, wieder mitzuspielen und vor Freude schon jetzt Purzelbäume schlagen?

Kurzum: Alles weist auf eine selbst von Experten nicht eindeutig zu beurteilende Gemengelage. Und die verspricht kein schönes, aber zumindest ein spannendes Spiel.

Wir Zahnärzte, die wir gerade dabei sind, mit dem Festzuschusssystem den seit Jahren für Gesundheitssystem, Patienten und Heilberufler wohl wichtigsten Systemwechsel umzusetzen, verstehen zwar einiges vom anstehenden Polit-Gekicke. Dennoch wird sich die KZBV in dieser Hochphase aus guten Gründen nicht einmischen.

Denn wer jetzt in den Trainingslagern auftaucht, läuft, so er überzeugend auftritt, Gefahr, schnell vereinnahmt, benutzt und im Testspiel verheizt zu werden. Den Rest besorgen dann die Fans aus den entsprechenden Kurven des öffentlichen Stadions. Wohin so etwas führt, hat die Zahnärzteschaft im Wahlkampf 1998 erleben müssen. Damals hatte Gesundheitsminister Seehofer nach lauten Schlachtrufen der Krankenkassen- Kurven die eingeführten therapiebezogenen Festzuschüsse – und mit ihnen die entrüstet dagegen protestierenden Zahnärzte – einfach vom Platz genommen.

Diesmal steht – gerade mit Blick auf die unbewältigten Schwierigkeiten des GKV-Systems und anstehende Grundreformen – gewaltig viel auf dem Spiel. Eine rote Karte für das Festzuschusssystem – aus welchen Gründen auch immer – dürfte uns für längere Zeit die Kraft nehmen, weiter mitzuspielen. Vorrangig muss es folglich in den nächsten Monaten darum gehen, das noch nicht überall willkommene Festzuschusssystem sicher durchs Spiel zu bringen.

Die KZBV wird dabei den Kopf nicht in den Sand stecken, aber auch nicht „Loddar“ Matthäus’ berühmten Versprecher vom „Sand in den Kopf“ ausleben. Um im Bild zu bleiben: Wer jetzt meint, mit programmatischen Statements seinen Platz auf dem Spielfeld suchen zu müssen, steht schnell im Abseits oder verhilft auch mal zum Eigentor. Die KZBV bleibt beim ruhigen Aufbau wie bisher. Sie kommt – um im Bild zu bleiben – lieber aus der Tiefe des Raumes.

Mit freundlichen kollegialen Grüßen

Dr. Jürgen FedderwitzVorsitzender der KZBV

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