Steuern: Die Quellen des Fiskus

Der gläserne Bürger

Heftarchiv Praxis
Den Steuerzahlern bleibt kaum noch eine Möglichkeit, dem Finanzamt etwas zu verbergen. Die gesetzlichen Änderungen erlauben der Behörde den Zugriff auf beinahe alle persönlichen Daten der Bürger. Anleger liebäugeln mit einer Kapitalanlage im Ausland, doch der Arm des Fiskus reicht manchmal weit über die Grenzen.

Das Wohlgefühl der Finanzbeamten an ihrem Arbeitsplatz dürfte sich im vergangenen Jahr entscheidend gesteigert haben. Der Gesetzgeber hat ihre Arbeitsbedingungen stark verbessert. Seit 1. April 2005 verschafft ihnen die Kontenabfrage eine Übersicht über jede Bankverbindung, die ein Steuerzahler in Deutschland unterhält. Angeblich gut 20 000 Mal nutzten die Kontrolleure ihre Möglichkeiten bis jetzt. Die Zahl der Anfragen differiert stark, je nachdem wen man fragt. Das Bundesfinanzministerium spricht von 62 000, der Vorsitzende der Deutschen Steuergewerkschaft Peter Ondraceck von 2 000 pro Monat. Die Finanzbeamten erfahren dabei alle Basisdaten des Kontoinhabers: Kontonummer, Tag der Eröffnung und Auflösung des Kontos oder des Depots, Name, Geburtsdatum und Anschrift, Angaben über weitere Kontoverfügungsberechtigte.

Bei Verdacht geht’s weiter

Verwehrt bleiben ihnen zunächst einzelne Kontobewegungen und der Inhalt von Schließfächern. Hegen sie allerdings den Verdacht einer Straftat, dürfen sie auch darin Einsicht nehmen. Die Begründung dafür ist schnell bei der Hand: Es reicht schon, wenn jemand viele Konten führt, aber keine Zinserträge versteuert. Dann wird man hellhörig.

Neben den Steuerbehörden dürfen sich auch das Sozialamt, die Bafög-Ämter, die Arbeitsagentur und natürlich die Gerichte bei den Kontendaten bedienen.

Zurzeit arbeiten die Behörden- Mühlen (wie gewohnt) langsam: Die Steuerfahnder müssen den Abruf schriftlich auf einem Formular beantragen. Der Sachgebietsleiter hakt ab. Die Anfrage geht auf dem Postweg an das Bundeszentralamt für Steuern nach Bonn. Diese Beamten rufen die entsprechenden Daten beim Bundesaufsichtsamt für Finanzdienstleistungen (BaFin) ab, reichen sie postalisch an den Anfrager weiter.

Die BaFin verwahrt Daten über 500 Millionen Konten. Peter Ondraceck geht davon aus, dass ab Anfang 2007 dank verbesserter Elektronik der Zugriff auf die Informationen sehr viel schneller erfolgen wird. Die Voraussetzungen, um eine Kontoabfrage zu starten, sind schnell geschaffen. Hegt der Steuerprüfer einen Verdacht, fragt er den Kunden, ob er noch über weitere Konten verfügt. Verneint dieser die Frage, nimmt das Verfahren seinen Lauf. Existieren tatsächlich noch weitere Konten, fragt der Beamte wieder nach näheren Informationen. Bekommt er sie nicht, darf er Einsicht nehmen. Informiert wird der Steuerzahler über diese Maßnahme erst im Nachhinein. Und das nicht immer, weiß die Zeitschrift Finanztest aus den Erfahrungen des Bundesbeauftragten für Datenschutz. Danach stellten sich bei drei nordrheinwestfälischen Finanzämtern bei neun von zehn Kontenabfragen gravierende Mängel heraus: Entweder wurden die Steuerzahler vorher nicht befragt oder nach der Abfrage nicht informiert. Gegen die Kontenabfage hatte die kleine westfälische Volksbank Raesfeld zusammen mit einem ihrer Kunden eine Verfassungsbeschwerde gegen den automatisierten Zugriff auf die Kontendaten ohne schwere Straftat eingelegt. Das Urteil der Verfassungsrichter erwarten sie für Ende des Jahres.

Doch nicht nur die Kontenabfragen interessieren den Fiskus. Er hat sich noch einige Quellen mehr erschlossen:

Auktionen

So mancher Finanzbeamte kennt sich bei eBay gut aus. Im Internet und in den Katalogen der bekannten Auktionshäuser recherchieren sie gern. Haben sie Fragen, sind die Versteigerer zur Auskunft über die Eigentümer der eingelieferten Objekte verpflichtet.

Baubehörden

Sie melden erteilte Baugenehmigungen sowohl an das Finanzamt des Architekten als auch an die für den Bauherrn zuständige Behörde.

Betriebsprüfung

Bei der Durchforstung der Buchungsunterlagen eines Betriebes halten die Prüfer auch Ausschau nach gezahlten Honoraren an freie Mitarbeiter. Sie vergleichen diese Daten dann mit den Steuererklärungen der Betroffenen.

Erbe

Banken und Versicherungen sind verpflichtet, die Guthaben von Verstorbenen an das zuständige Finanzamt zu melden. Auch von einem offiziell hinterlegten Testament erfährt der Fiskus und weiß somit genau, wie viel Bargeld, Schmuck, Antiquitäten, Kunstwerke und so weiter vorhanden sind.

EU-Zinsrichtlinie

Seit dem Frühjahr melden 21 EU-Staaten Zinserträge von deutschen Anlegern an deren Heimat-Finanzämter. Nur Belgien, Luxemburg und Österreich sorgen für Anonymität und behalten eine Quellensteuer ein.

Freistellungsaufträge

Darin enthalten sind Erträge, die die Banken ohne Abzug der 30- prozentigen Zins- beziehungsweise Kapitalertragssteuer auszahlen. Da Zinsen und Dividenden getrennt ausgewiesen sind, weiß das Finanzamt von vorhandenem Aktienbesitz.

Jahresbescheinigung

Erstmals 2004 mussten alle Kreditinstitute die Kapitalerträge und Wertpapiergeschäfte ihrer Kunden vollständig erfassen. In diesem Jahr erhielten die Steuerprüfer nur auf Verlangen Einblick in die Jahresbescheinigung. Ab Januar 2007 dürfen sie die Liste direkt bei der Bank anfordern.

Notare

Jeder Notar meldet Grundstücksgeschäfte an die Finanzbehörden. Die interessieren sich dann automatisch für die Finanzierung beziehungsweise dafür, was mit dem Verkaufserlös geschieht.

Renten und Versicherungen

Seit 2005 sind die öffentlichen und privaten Rentenkassen, Versorgungswerke, Pensionskassen und -fonds sowie Lebensversicherer verpflichtet, alle ausgezahlten Renten an die Zulagenstelle für Altersvermögen (ZfA) zu melden. Von dort wandern die Informationen automatisch an die jeweiligen Finanzämter. Im Visier der Prüfer sind natürlich alle, die sich über besonders hohe Rentenbezüge und Nebeneinkünfte freuen dürfen. Um diesen Vorgang zu beschleunigen wird voraussichtlich ab dem nächsten Jahr die Steueridentifikationsnummer eingeführt. Die begleitet den deutschen Bürger dann von der Wiege bis zur Bahre. Die Weitergabe von Informationen wird dann voll automatisiert.

Schon seit rund zwei Jahren interessieren sich die Steuerfahnder für den Klassiker Lebensversicherung. Sie sammelten Daten von zigtausend Kunden und werteten sie aus.

Dabei wollten sie wissen, ob das ausgezahlte Geld ordnungsgemäß versteuert wurde und vor allem eines: Woher stammte das eingezahlte Geld? Der Grund: Die 5 + 7-Police. Dabei zahlt der Anleger eine hohe Summe beispielsweise in einen Fonds ein. Daraus wandern dann fünf Jahre lang Monatsraten in eine Lebensversicherung. Anschließend schafft das eingezahlte Kapital sieben Jahre lang Erträge. Nach zwölf Jahren wird der Endbetrag bei Policen, die vor dem 31.Dezember 2004 abgeschlossen worden sind, steuerfrei ausgezahlt. Bei Verträgen jüngeren Datums bleiben immerhin 50 Prozent der Erträge steuerfrei. Bei Rentenpolicen, deren Auszahlung nach dem 65. Lebensjahr des Versicherten beginnt, fallen meist noch weniger Steuern an.

Die Steuerfahnder unterstellen, dass Anleger dieses Modell nutzen, um schwarzes Geld weiß zu waschen: Der eingezahlte Betrag fließt um die Erträge am Ende aufgestockt wieder legal in den Geldkreislauf ein. Das Finanzamt hat dann keinen Zugriff mehr, weil die zehnjährige Verjährungsfrist für Steuerhinterziehung abgelaufen ist.

Betroffenen raten Steuerexperten: am besten so schnell wie möglich den Steuerberater einschalten. Der hilft dann bei der Selbstanzeige und erspart zusätzlichen Stress.

Marlene Endruweit

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