Leitartikel

Freier Beruf ohne Wenn und Aber

Sehr verehrte Frau Kollegin,sehr geehrter Herr Kollege,

nicht umsonst haben wir unser Streben nach Freiberuflichkeit in den Mittelpunkt des diesjährigen Deutschen Zahnärztetages in Erfurt gestellt. Sie ist eine der wenigen Alleinstellungsmerkmale, die unseren Beruf von anderen unterscheidet. Freiberufler zeichnen sich durch ihre besondere Rolle in der Gesellschaft aus. Sie erbringen ihre Dienstleistung, indem sie sich am Gemeinwohl ausrichten, haben eine besondere berufliche Qualifikation und Professionalität auf der Basis ihrer akademischen Ausbildung und verrichten ihre Tätigkeit persönlich und eigenverantwortlich. In klarer fachlicher Unabhängigkeit, mit einem besonderen Vertrauensverhältnis zum Patienten und unter umfangreicher berufsrechtlich unterlegter Selbstkontrolle üben sie ihren Beruf aus.

Umso destruktiver erscheinen die Pläne der Koalition zum sogenannten GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz. Hinter dem Etikettenschwindel der Wettbewerbsstärkung versteckt sich die reine Machtfrage. Hinzu kommt, dass nicht nur die Freiberuflichkeit massiv bedroht ist, sondern dass der Weg geradezu in die Staatsmedizin führt. Davor kann man nicht eindringlich genug warnen. Deshalb haben wir in den Botschaften der Zentralveranstaltung im Kaisersaal, aber auch in allen Versammlungen ganz dezidiert auf die künftigen Gefahren im Gesundheitswesen hingewiesen und auch entsprechende Beschlüsse gefasst. Die Selbstverwaltung wird immer mehr verstaatlicht. An die Stelle von Konsensbildung treten staatsmonopolistische Entscheidungen. Wir erleben es immer deutlicher: Bismarck ist tot – es lebe Beveridge. Und dessen Plan führte bekanntlich 1945 zum Nationalen Gesundheitsdienst in Großbritannien.

Freiberuflichkeit ist ein hoher Wert – doch das öffentliche Ansehen der Freien Berufe verfällt in dem gleichen Maße, in dem ein Teil unseres Berufsstandes sich in seiner Praxis von diesen Grundsätzen zu entfernen droht. Der Gesetzgeber drängt die Heilberufler in abhängige Beschäftigungsverhältnisse. Da ist dann davon die Rede, dass Medizinische Versorgungszentren viel wirtschaftlicher seien, auch für den Zahnarzt, der sich dann nicht mehr um seine Praxisorganisation und -einrichtung und um sein Personal kümmern müsse. Fern von wirtschaftlichen Zwängen könne er fachlich arbeiten. Er bekäme ein regelmäßiges Gehalt, und familienfreundlich sei das Ganze allemal.

Aber: Ist es nicht Kennzeichen des Freiberuflers, dass er seine Leistungen in wirtschaftlicher Selbständigkeit erbringt? Dass er gerade aus dieser Selbstverantwortung seine Fähigkeit und Kraft schöpft? Zwar kann man als abhängig Beschäftigter auch im Sinne der Freiberuflichkeit arbeiten. Aber die ganzen Zielvorgaben in einem solchen Beschäftigungsverhältnis führen oft zur wirtschaftlichen und damit letztlich zur fachlichen Abhängigkeit. Doch es gibt Alternativen. Suchen wir eher nach Gestaltungsmöglichkeiten in der freiberuflichen Praxis! Mit etwas Kreativität können Sozietäten, Kooperationen, Vertretungen und viele Formen mehr flexible Arbeitsbedingungen schaffen. Die Selbstständigkeit bleibt dadurch erhalten.

Wehren wir uns gegen die Zangenbewegungen, in die die Freien Berufe genommen werden und stemmen wir uns gegen Reglementierung und Vergewerblichung. Freiberuflichkeit im eigenen Berufsstand ist nichts für Sonntagsreden, sondern muss gelebt werden, jeden Tag in der Praxis und mit den Patienten. Nur so wird ihr Nutzen offenbar und auch wirksam für die Versorgung der Bevölkerung.

Zahnärztliche Leistungen werden am wirtschaftlichsten und qualitätvollsten in freier Berufsausübung erbracht. Bis heute gibt es keinen Beweis, der das Gegenteil zeigt. Darauf sollten wir mit Selbstbewusstsein hinweisen, das sollte auch die Politik beachten.

Unsere Aufgabe ist es, die Freiberuflichkeit unseres Berufsstandes ohne Wenn und Aber aufrechtzuerhalten, gerade auch in widrigen Zeiten. Und um diese Botschaften in die Öffentlichkeit zu bringen und in den Köpfen zu verstetigen, hat der Deutsche Zahnärztetag in Erfurt einen wichtigen Beitrag geleistet.

Mit freundlichen kollegialen Grüßen

Dr. Dr. Jürgen WeitkampPräsident der Bundeszahnärztekammer

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