Tansparenzmängel im Gesundheitswesen

Das Recht auf "saubere Verhältnisse"\r

Anfang Februar lenkte Transparency International (TI) mit einer Pressekonferenz über das neue Jahrbuch in London die Aufmerksamkeit auf ein öffentlichkeitswirksames Thema: Korruption im Gesundheitswesen.

"Im Gesundheitswesen entscheidet Korruption über Leben und Tod." TI legte mit dieser dramatischen Formulierung zu Beginn des Jahres publikumswirksam wiederholt den Finger auf eine Wunde, die bereits 2000 im letzten Jahrbuch offengelegt wurde: die Anfälligkeit dieses öffentlichen Sektors für Korruption aufgrund seiner Komplexität. Aber im Gesundheitsmarkt seien Millionen von Menschen beschäftigt und noch viel mehr Menschen als Patienten betroffen; alle haben ein Recht auf "saubere Verhältnisse" lautet eine bekannte Forderung von TI. Dazu bedürfe es dringend stärkerer Transparenz.

Seit 13 Jahren bemüht sich die - wie sie sich selbst beschreibt - "einzige internationale Nichtregierungsorganisation, die sich ausschließlich dem Kampf gegen Korruption und für Transparenz in Politik und Wirtschaft verschrieben hat", diese komplexen Systeme durchschaubar zu machen, um vorrangig die Beitragszahler vor korruptiven Machenschaften marktstarker Anbieter besser zu schützen. Laut "Global Corruption Report 2006" leidet die medizinische Versorgung der Menschen weltweit - in führenden Industrienationen ebenso wie in Entwicklungsländern - unter Missbrauch, weil Beamte oder Ärzte sich kostenfreie Leistungen bezahlen lassen, gefälschte Medikamente das Leben kosten, todbringende Keime durch Lücken im Impfschutz neue Resistenzen entwickeln. "Die Auswirkungen der Korruption treffen immer den Endverbraucher - den kranken Menschen, der gezwungen wird, mehr zu zahlen als nötig wäre, oder der unsichere, gefälschte Medizin erhält," fokussierte TI den Schaden auf die Patienten, überwiegend in gesetzlichen Versicherungssystemen. Doch, ergänzt die Organisation, geschädigt werde auch die Vielzahl derer, die in diesem Sektor redlich und verantwortungsbewusst agiere. Nur mehr Transparenz der Abläufe, der Strukturen und der Kosten könne den Missbrauch eindämmen; ein klares Votum etwa für die Rechnungsstellung direkt an den Patienten gab TI bereits im letzten Jahrbuch ab. Zugleich werden Patienten unter den schwarzen Schafen keineswegs ausgeklammert: Gestohlene, gefälschte, verhökerte Rezepte oder Versichertennachweise seien ebenso zu finden wie das Erschleichen von Lohnfortzahlung oder Heilbehandlungen.

Die Antikorruptions-Organisation geht von einem Schaden von jährlich 20 Milliarden Euro aus; eine nach Ansicht einer Hamburger Beraterfirma allerdings überhöhte Schätzung, weil sie Daten aus den USA und Großbritannien auf Deutschland übertrage. Immer mehr Fälle von Korruption werden jedenfalls hierzulande aufgedeckt, weil sich in Deutschland die Sensitivität für Missbrauch im Medizinsektor erhöht hat. Auch bei den Fahndern: In Hessen ermittelt die "Arbeitsgruppe Ärzte" von der Frankfurter Generalstaatsanwaltschaft und dem Landeskriminalamt seit fünf Jahren gegen anfällige Mediziner. In Hamburg jagt Frank Keller, Chefermittler der Techniker Krankenkasse, eine neue, offenbar "vernetzte Kriminalität", die bundesweit Milliardengelder bewege. Ärzte und Apotheker würden mitunter zwar unwissentlich zu Komplizen der Korrumpteure, weil sie in Treu und Glauben davon ausgehen, dass dem Patienten die Karte tatsächlich gehört. Die Hamburger Apotheker, Ärzte, Kassenärztliche Vereinigung und Kassen wehrten sich mit einer gemeinsamen Task Force gegen den Betrug. Laut Keller ein Pionierprojekt, das schnellen Info-Austausch ermögliche, auch mit den staatlichen Ermittlern. 

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