Leitartikel

Mehr als eine Empfehlung

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

bei einer Empfehlung kam es immer schon darauf an, von wem sie ausgesprochen wird. Die Palette reicht von unverbindlich bis hin zu fast verpflichtend. Das Robert Koch-Institut (RKI) spricht selbst in seiner aktuellen, zunächst im Internet veröffentlichten Empfehlung „Infektionsprävention in der Zahnheilkunde – Anforderungen an die Hygiene” davon, dass diese Empfehlungen keine unmittelbare rechtliche Verbindlichkeit besitzen. Das RKI führt jedoch weiter aus, dass diese Aussagen grundsätzlich medizinischer Standard sind und den Stand von Wissenschaft und Technik wiedergeben. Ein Abweichen davon sei daher nur mit guter Begründung angeraten. Insofern hat sich an der Bedeutung im Vergleich zu der uns allen bekannten 98er-Empfehlung nichts Grundsätzliches geändert. Auch im Aufbau hat man auf bereits Bekanntes zurückgegriffen. Doch in der Gewichtung und Intensität der Abhandlung einzelner Themenbereiche ergeben sich zum Teil gravierende Änderungen beziehungsweise Verschärfungen.

Dennoch kann der zahnärztliche Berufsstand froh sein, dass die Neuauflage endlich veröffentlicht ist. Es bleibt zu hoffen, dass sich zukünftig Praxisbegehungen – sofern sie denn nach Ansicht der Behörden wirklich erforderlich sein sollten – auf zahnärztlich relevante Regelungen stützen können. Bisher hat man zumindest in Nordrhein- Westfalen die wesentlich weiter gehenden Anforderungen zur Medizinprodukteaufbereitung, die im Jahre 2001 von RKI und BfArM (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte) gemeinsam veröffentlicht wurden, als Maß aller Dinge herangezogen. Hierbei werden Klinikstandards praktisch 1:1 auf die Praxis übertragen, ohne auf die speziellen Belange einer Zahnarztpraxis auch nur im Ansatz einzugehen. Berichte über derartiges Vorgehen der Behörden führen zwangsläufig zu teils erheblicher Verunsicherung in der Kollegenschaft und bereiten den Boden für Geschäftemacher und Abzocker.

An manchen Stellen sind die Aussagen des RKI nicht eindeutig. So zum Beispiel beim Thema Sterilgutassistentin oder in der Frage der so genannten Rückflussverhinderung. Letzteres ist besonders ärgerlich, da das RKI ursprünglich die Auffassung unseres Ausschusses Zahnärztliche Berufsausübung unterstützt hatte, wonach die in der Norm EN 1717 für zahnärztliche Behandlungseinheiten geforderten Rückflussverhinderungen nicht nur unnötig und damit überflüssig sind, sondern darüber hinaus sogar ein zusätzliches Gefahrenpotenzial im Hinblick auf Verkeimung der Wasser führenden Systeme in sich tragen.

Wir als freier Berufsstand sollten mutig genug sein, auf Grund unseres Fachwissens eigene Interpretationen vorzunehmen. Achten wir darauf, uns und unsere qualifizierten Mitarbeiter nicht von dubiosen Geschäftemachern in die Ecke von Unwissenheit und fachlicher Inkompetenz drängen zu lassen. Obwohl sie es eigentlich nicht verdient haben, sollten wir diese zum Teil selbsternannten Experten vor sich selbst und den Folgen ihres Handelns schützen. Wir müssen verhindern, dass fachlich kompetente Angehörige eines (noch) freien Berufsstandes immer mehr ersetzt werden durch pseudoqualitätsgesicherte Behandlungsmarionetten, die mit Arbeits-, Dienst-, Betriebs- und sonstigen Anweisungen förmlich zugeschütteten werden.

In diesem Sinne sollten wir nicht in den Chor derer eintreten, die voreilige Kritik an den zahnärztlichen Vertretern üben, die sich in teils zähem Ringen für die Belange der Zahnärzteschaft eingesetzt haben. Ergreifen wir vielmehr die Chance, die uns durch diese Kollegen eröffnet wurde. Wuchern wir mit diesem Pfund, auch und gerade im Bereich der Hygiene, und lassen wir uns unseren einstmals schönen Beruf nicht von zweifelhaften Kontrollorgien, die ihren Ursprung – und das möchte ich an dieser Stelle mit allem Nachdruck betonen – nicht im Robert Koch-Institut haben, vermiesen. Sozusagen als gelebter und nicht nur propagierter Patientenschutz.

Ich möchte mich bei allen Kollegen für die aktive Mitarbeit an der RKI-Empfehlung bedanken, insbesondere bei Prof. Dr. Jürgen Becker, Düsseldorf, Dr. Dieter Buhtz, Berlin, und Dr. Richard Hilger, Kürten.

Mit freundlichen kollegialen Grüßen

Dr. Joachim LüddeckeVorsitzender des Ausschusses ZahnärztlicheBerufsausübung der Bundeszahnärztekammer

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