GRPG-Symposion zum gesundheitspolitischen Regierungsprogramm

Verurteilt, eine Lösung zu finden

Am Tag 13 der niederländischen Gesundheitsreform trafen sich deutsche Vertreter der Ärzteschaft, Kassen und Politik auf Einladung der Gesellschaft für Recht und Politik im Gesundheitswesen (GRPG) in Hamburg. Gemeinsames Ziel – für diesen Tag: Unter dem Motto „Gesundheitspolitik nach der Wahl. Große Koalition und kleine Schritte“ auszuloten, wohin die Reise gehen wird oder könnte. Durchaus mit Blick auf den reformfreudigen kleinen Nachbarn im Westen.

„Das gesundheitspolitische Programm der Bundesregierung für die neue Legislaturperiode“, bedauerte Franz Knieps, Abteilungsleiter im Bundesministerium für Gesundheit (BMG), könne er an diesem Tage nicht – wie er im Vorfeld angenommen habe – vorstellen. Trotz inzwischen erreichter guter Basis seien die Vorstellungen der Parteien und ihrer Flügel in vielen Punkten zu unterschiedlich gewesen, und er wolle der Ministerin nicht vorgreifen. Doch die Politik sei sicher „dazu verurteilt, 2006 eine Lösung zu finden“, eine Reform müsse jetzt den Status quo ändern, prophezeite Knieps. Allerdings schöben alle Akteure nach dem Floriansprinzip, doch bitte die Häuser anderer anzuzünden, jegliche Last nur in fremde Ressorts. Ginge es nach ihm, so stünde die Verbandskompetenz hinter der der Kassen zurück, sollte die Selbstverwaltung mehr bewirken, würden Vernetzung und Verzahnung vorangetrieben: „Mir hat nie eingeleuchtet, warum ein Patient, solange er im Bett ist, von einem angestellten Krankenhausarzt behandelt werden muss, aber sobald er laufen kann, von einem Unternehmer!?“ Die dringende Finanzierungsreform müsse laut Knieps drei elementare Punkte berücksichtigen:

• die Finanzierung sichern und vom Faktor Arbeit lockern, aber nicht lösen

• Nutzen und Lasten gerecht verteilen (was die gegenwärtige GKV übrigens nach oben wie nach unten nicht schaffe)

• bei Versichernden und Leistenden mehr Wettbewerb zulassen.

Es gelte, interessante Geschäftsund Steuerungsmodelle aus der PKV zu nutzen, damit in ein, zwei Jahren ein stabiles Vergütungssystem den Ärzten Kalkulierbarkeit bringe. Es sei noch nicht abzusehen, wozu die Politik tendiere, ob zur Kopfprämie à la Schweiz, oder zu einer Bürgerversicherung wie in Österreich, Steuerfinanzierung wie in Skandinavien … halt, die heiß diskutierte fiskalische Vorab-Pauschale etwa für beitragsfrei GKV-versicherte Kinder, an die glaube er nicht, betonte Knieps, sicherte aber internationalen Input zu: „Wir werden über die Landesgrenzen hinausschauen!“

Gleich gemacht

Gesagt, getan: Alle Teilnehmer wandten sich dem – seinerzeit lange umstrittenen – Erfolgs-Modell der Niederlande zu. Dass es ein Erfolgskurs für seine Heimat sei, schilderte jedenfalls Geert Jan Hamilton, Direktor für Gesetzgebung und rechtliche Angelegenheiten im Niederländischen Gesundheitsministerium. Einstige Gemeinsamkeiten beider Länder brachte er in seinem Referat „Die niederländische Reform 2006: Ein Modell für Deutschland?“ auf den Punkt. Seit Jahresbeginn ist jeder Niederländer im neuen System krankenversichert, musste zuvor mit Policen seiner Wahl eine gesetzlich definierte Versicherung abschließen. Die Reform krempelte ein zersplittertes System völlig um: aus dem „Nebeneinander“ von ehemals öffentlich-rechtlicher GKV, privater (PKV) und jener für Beamte schuf sie ein obligatorisches „Aufeinander“ von fester Basisabsicherung plus variabler Police. Das Ziel: Sicherheit ebenso wie Spielräume für Innovationen und mehr Freiheiten für alle Akteure, natürlich mit der entsprechenden Verantwortung dafür. Hamilton, der vom NL-Modell schwärmte, warnte dennoch vor übereilter Euphorie, und doch: „Keine zwei Länder weisen so viele Parallelen auf wie die Niederlande und Deutschland“, etwa die Zweiteilung in GKV und PKV und die zusätzliche Pflegeversicherung (mehr zum NL-Modell siehe zm 19/2005, Seite 118f).

Das Echo auf Hamiltons Rede war – natürlich – gespalten bei Koaltionären und Oppositionspolitikern, ebenso bei der Selbstverwaltung.

Dr. Andreas Köhler, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, (KBV), sagte, das Modell der Niederlande könne eine Blaupause für Deutschland werden. Dr. Volker Leienbach, Verbandsdirektor der privaten Krankenversicherungen (PKV), vermisste die alterskalkulierte Finanzierung, aber die Niederländer seien ja soziokulturell „korrekturfähig“ – ganz anders als die Deutschen, die gleich alles fest betonierten. Prof. Dr. Norbert Klusen, Vorstandsvorsitzender der Techniker Krankenkasse zeigte deutliches Missbehagen bei dem Gedanken die rechtlich-öffentliche GKV aufzulösen. Auch gehe er konform mit Knieps in Sachen steuerfinanzierte Kindermitversicherung: „Und er muss es wissen, denn er arbeitet beim Staat: Dem Staat kann man nicht trauen.“ 

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