Bulgarien und Rumänien

Korruption fördert Zwei-Klassen-Medizin

Bulgarien und Rumänien sind die bislang jüngsten EU-Mitglieder. Anfang vergangenen Jahres traten sie der Gemeinschaft bei. Bei der medizinischen Betreuung hinken die beiden ehemaligen Ostblockstaaten den meisten EU-Staaten allerdings noch weit hinterher. Geldmangel und Korruption prägen das öffentliche Gesundheitssystem. Dringend notwendige Reformen sowohl in der ambulanten als auch stationären Versorgung bleiben dadurch auf der Strecke.

Säuglinge und werdende Mütter leben in Bulgarien und Rumänien besonders gefährlich. Denn in keinem anderen Land der Europäischen Union (EU) ist die Mütter- und Säuglingssterblichkeit so hoch wie in den ehemaligen Ostblockstaaten. In Rumänien beispielsweise sterben fünf Mal so viel Schwangere und Mütter wie im EU-Durchschnitt. Die Gründe hierfür sind schlecht ausgeführte Abtreibungen oder eine unzureichende medizinische Betreuung der Schwangeren.

Dies ist nur ein Beispiel dafür, wie sehr die gesundheitliche Versorgung in den beiden jüngsten EU-Mitgliedsländern der übrigen EU-Staaten hinterherhinkt.

Armut verwehrt medizinische Leistungen

Bulgarien und Rumänien sind der Gemeinschaft im Januar letzten Jahres beigetreten. Doch trotz jährlicher Wirtschaftswachstumsraten von bis zu sechs Prozent bilden die beiden Länder weiterhin das Schlusslicht der EU. Der durchschnittliche Monatslohn eines Bulgaren beträgt 120 Euro. Das entspricht auch den jährlichen Pro-Kopf-Ausgaben für die gesundheitliche Versorgung. Zum Vergleich: In Deutschland sind es knapp 3000 Euro. Die allgemeine Armut hat zur Folge, dass vielen Menschen zahlreiche medizinische Leistungen verwehrt bleiben. Zwar gibt es sowohl in Bulgarien als auch in Rumänien eine staatliche Gesundheitsversorgung. Beide Länder haben nach dem Ende der kommunistischen Ära ein Krankenversicherungssystem nach dem Bismarckschen Modell eingeführt. Vergütet wird in der Regel über Kopfpauschalen. Der Zugang zu Spezialisten ist nur nach Überweisung durch einen Familienarzt möglich.

Die staatliche Gesundheitsfürsorge deckt jedoch nur die notwendige Grundversorgung ab. Die Beiträge, die die Arbeitgeber und Arbeitnehmer an die Versicherungen abführen, sind zudem nicht kostendeckend. In Rumänien liegt das unter anderem daran, dass die Regierung den Beitragssatz von 14 Prozent im Jahr 2000 auf elf Prozent gesenkt hat, um Wählerstimmen zu gewinnen.

Eine schnelle und qualitativ hochwertige Behandlung bekommt somit in der Regel nur, wer es sich leisten kann, diese aus eigener Tasche zu bezahlen – sei es bar oder mit Lebensmitteln. Das Ergebnis ist eine Zwei-Klassen-Medizin. Die Armut treibt viele Bulgaren und Rumänen ferner dazu, sich gegen Geld illegal Organe entnehmen zu lassen, mit oftmals gravierenden Folgen für die eigene Gesundheit.

Hinzu kommt, dass immer mehr ärztliche Fachkräfte aufgrund der niedrigen Gehälter ihrer Heimat den Rücken kehren, um ihr berufliches Glück im europäischen Ausland zu versuchen. So wanderte allein im vergangenen Jahr zehn Prozent der rumänischen Ärzte aus.

Krankenhäuser ohne ausreichende Mittel

Die Folge dieser Missstände ist eine alarmierend hohe Zahl an Krebstoten sowie Patienten mit Herzkreislaufkrankheiten (HKK) und psychischen Erkrankungen. Die Mortalitätsrate bei HKK beispielsweise ist in beiden Ländern etwa drei Mal so hoch wie die der ehemals 15 EU-Staaten. Viele Rumänen und Bulgaren tragen hierzu durch einen ungesunden Lebensstil bei. Dazu gehören vor allem eine fettreiche Ernährung und ein übermäßiger Tabakkonsum. Typische Armutskrankheiten wie die Tuberkulose breiten sich ebenfalls rasant aus.

Korruption und fehlende Mittel verhindern zugleich eine zügige Modernisierung der Gesundheitssysteme. So hat es beispielsweise in Bulgarien in den letzten sieben Jahren keine Reformen im Gesundheitswesen mehr gegeben.

Eins der Hauptprobleme bei der Versorgung in beiden Ländern ist daher immer noch der hohe Spezialisierungsgrad der Ärzte. In Bulgarien beispielsweise können sich Ärzte erst seit wenigen Jahren zum Allgemeinmediziner ausbilden lassen. Auch leiden vor allem ländliche Regionen unter einer ärztlichen Unterversorgung. Vielen Krankenhäusern mangelt es zudem an Geld, um dringend notwendige Investitionen zu tätigen.

Petra SpielbergRue Belliard 197/b4B-1040 Brüssel

Melden Sie sich hier zum zm-Newsletter des Magazins an

Die aktuellen Nachrichten direkt in Ihren Posteingang

zm Heft-Newsletter


Sie interessieren sich für einen unserer anderen Newsletter?
Hier geht zu den Anmeldungen zm Online-Newsletter und zm starter-Newsletter.