Leitartikel

Höchste Eisenbahn

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

ginge es nur um unseren Berufsstand, könnte es jetzt losgehen. Der diesjährige Zahnärztetag in München war ein klares Signal für die Dialog- und Handlungsbereitschaft unseres Berufsstandes. Die Delegierten haben – nach zum Teil ausführlicher Diskussion – dem KZBV-Vorstand grünes Licht gegeben, sich auf den großen Bahnhof der schwarz-gelben Koalition einzulassen.

Für die Gesundheitspolitik hat der Koalitionsvertrag wesentliche Ziele aufgestellt. Vieles von dem, was CDU/CSU und FDP als Route zum Paradigmenwechsel festgelegt haben, können wir Zahnärzte tatkräftig mitgehen. Da geht es um den Erhalt von Freiberuflichkeit und freier Arztwahl als tragende Prinzipien des Gesundheits- systems. Da wird die Vereinfachung der Kostenerstattung genau so gefordert wie der Grundsatz, Mundgesundheit zu optimieren und präventionsorientierte Versorgung zu stärken. Sei es der Gedanke einer Neuausrichtung der Gesundheitsausgaben weg von der Grundlohnsummenentwicklung, sei es die Bereitschaft, die überfällige Gebührenordnung in optimierter Form anzugehen oder auch die neue Approbationsordnung endlich auf den Weg zu bringen – all das wirkt nach lauterer Absicht, den Kurs- wechsel in der Gesundheitspolitik endlich anzugehen.

Sicher: Vieles im Koalitionsvertrag hätten wir uns konkreter im Inhalt, präziser in der Zeitplanung und klarer in der Wortwahl gewünscht. Da wabert viel im Unverbindlichen. Und dass die Koalition schon ihre erste Klausur zur Streitschlichtung hinter sich hat, zeugt nicht gerade vom Dampfbaden im Konsens.

Dennoch: Die Richtung stimmt, die Weichen sind gestellt und die Signale hängen diesmal wirklich auf gelb. Jetzt geht es nur noch darum, endlich loszufahren, um der inzwischen schon Jahrzehnte zählenden Verspätung nicht noch eine weitere Legislaturperiode hinzuzufügen.

Wir Zahnärzte sind bereit, die Heizerrolle zu übernehmen. Die Zielvorgaben sind bekannt: Sei es die Anhebung der Osthonorare auf West-Niveau, sei es die Abschaffung der Budgetierung, die Sicherung der regionalen Kompetenzen, sei es eine endlich sachgerechte Betrachtung der wenig sinnfälligen Einführung der elektronischen Gesundheitskarte, die Abschaffung der Praxisgebühr, oder die Korrektur des Selektivvertragswesens zur Bildung fairer Wettbewerbsbedingungen – all das ist längst überfällig, um das Gesundheitswesen in der Spur zu halten.

Vorerst beruhigend ist, dass die Koalition als Lokführer einen ärztlichen Kollegen eingesetzt hat. Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler muss eigentlich wissen, wovon er spricht. Der Arzt in ihm sollte die Zwänge von Bürokratie und Zwangsregulierung, die Stellbremsen und Drosselungen kennen, die den Wachstumsmotor Gesundheitswesen immer wieder im Anzug hindern. Momentan scheint er gewillt, die eingefahrenen Gleise zugunsten neuer Wege zu verlassen. Stimmt das Ziel, sind wir dabei!

Aber keine Bahn ohne Bremse! Zum einen sind da die alten Stellwerker: Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer wie auch Bundeskanzlerin Merkel haben schließlich am Kursbuch Ulla Schmidts mitgewirkt. Hier einfach die Richtung zu wechseln, ist Wählern nur schwer zu vermitteln. Und auch die Opposition – im Parlament wie außerhalb – wird keine Chance auslassen, die Fahrt auszubremsen und, wo möglich, die Weichen anders zu stellen. Mit Schlagworten wie „Sozialabbau“ und „Ende des Solidarprinzips“ läuft man sich schon warm. Also Vorsicht bei der Abfahrt!

Wir Zahnärzte haben bei all dem beachtenswerte Vorteile: Strukturveränderungen erfordern hier vergleichsweise geringen Einigungsaufwand. Sie kosten vergleichsweise kaum Geld, sind als überfällig anerkannt, und eignen sich als Modellvorhaben für weiter reichende Veränderungen. Sie können den Einstieg in den Systemwechsel einleiten. Und sie arbeiten mit Rezepturen, die in der Zahnärzteschaft anerkannt, von der Bevölkerung angenommen und in der Politik angekommen sind.

Deshalb: Bitte einsteigen, der Zug fährt in Kürze ab. Es wird auch höchste Eisenbahn!

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Jürgen FedderwitzVorsitzender der KZBV

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