Gastkommentar

Der Fonds als Flop

Der zur Jahresmitte mit nur noch 14,9 Prozent der Bruttoeinkommen dotierte Gesundheitsfonds hängt zunehmend am Tropf des Staates. Zum einen steigen die Zuschüsse aus allgemeinen Steuermitteln, zum anderen musste die Berliner Große Koalition bereits rettende Maßnahmen ergreifen.

Klaus Heinemann
Freier Journalist

Bedeutete aus Sicht der gesetzlichen Krankenkassen bereits die gesetzliche Festlegung des allgemeinen Beitragssatzes zum Jahresbeginn auf 15,5 Prozent eine krasse Unterfinanzierung, so gilt dies erst recht von der Jahresmitte an. Anstatt sich auf eine spürbare Absenkung der Steuersätze zu verständigen, vollführte die Koalition in klassischer Manier einer Echternacher Springprozession die Volte hin zu einer Reduzierung des Beitragssatzes zur Gesetzlichen Krankenversicherung. Mit der Konsequenz, dass jene Bürger, die Steuern zahlen, auch noch diese Absenkung finanzieren müssen. Und zwar mit zusätzlichen 3,2 Milliarden Euro im laufenden und 6,3 Milliarden im kommenden Jahr.

Nun jedoch erfasst die globale Finanz- und Wirtschaftskrise auch den deutschen Arbeitsmarkt. Die Folge ist, das alle bisherigen Berechnungen obsolet sind. Selbst wenn sich jene Szenarien als übertrieben herausstellen sollten, die von einem Anstieg der Arbeitslosigkeit im Jahresverlauf um 700 000 ausgehen, ist eines schon jetzt sicher: Auch das Instrument des Kurzarbeitergeldes wird nicht verhindern können, dass sozialversicherungspflichtige Beschäftigung wegbricht. Und das in erheblichem Umfang. Das heißt, weniger Beitragsgelder und folglich weniger Einnahmen des Gesundheitsfonds. Dieses bürokratische Monster ist politisch verpflichtet worden, im laufenden Jahr sämtliche vorhandenen Mittel an die gesetzlichen Kassen auszuzahlen. Es werden folglich keinerlei Rücklagen zur Abfederung von Konjunkturschwankungen gebildet. Dahinter steht die gleichermaßen politisch begründete Zusage, im Startjahr des Fonds die durchschnittlichen Ausgaben der Kassen vollständig abzudecken. Da sich jedoch bereits jetzt abzeichnet, dass sich diese Zusage angesichts der Wirtschaftskrise als zu blauäugig erweist, stützt der Staat noch weiter; die sich aus einer deutlich verschlechternden Einnahmesituation ergebenden finanziellen Engpässe des Fonds werden durch Liquiditätsdarlehen des Bundes abgedeckt.

Nun müssen Darlehen ja gewöhnlich zurückgezahlt werden. Ursprünglich war vorgesehen, dass dies für Darlehen dieses Jahres für den Gesundheitsfonds im Jahr 2010 erfolgen sollte. Vor dem Hintergrund der sich dramatisch verschlechternden gesamtwirtschaftlichen Situation ist dieses Tilgungs-Datum inzwischen bis Ende 2011 gestreckt worden. Der Steuerzahler würde also in diesem Fall als Kreditgeber für den Fonds einspringen. Damit weitet der Bund seine Bürgschaft für diesen Gesundheitsfonds in seiner unverkennbaren Eigenschaft als Vorstufe zu einer staatlich reglementierten Einheitsversicherung deutlich aus.

Im Falle einer unzureichenden Mittelzuweisung bleibt den gesetzlichen Krankenkassen zwar noch der gesetzlich eröffnete Ausweg, einen Zusatzbeitrag zu erheben. Da dieser jedoch vom Versicherten allein zu tragen wäre und mit einem unmittelbaren Kündigungsrecht verknüpft ist, versuchen die Kassen, diesen Weg nach Möglichkeit zu meiden. Oder, wie hinter vorgehaltener Hand bereits zu hören ist, dies in einer konzertierten Aktion möglichst vieler Kassen zu bewerkstelligen. Das allerdings würde dem vielbeschworenen Wettbewerb unter den Krankenkassen den Todesstoß versetzen.

Die Tür hin zur Einheitsversicherung unter Einschluss der unter dem Basistarif ächzenden PKV wäre endgültig und weit geöffnet. Wo im Kreis der Sozialpolitiker der (noch) großen Volksparteien regt sich eigentlich erkennbarer Widerstand gegen derartige Tendenzen? Und wo bleibt der Mut, vor einem Wahlgang klipp und klar zu sagen: „Wir schaffen den Fonds ab. Er war gleichermaßen ein Irrweg wie der staatlich verordnete Einheitsbeitragssatz, der Basistarif oder der Versuch, über politisch motivierte Gebührenordnungen einer freien Berufsausübung das Handwerk zu legen.“

Gastkommentare entsprechen nicht immer der Ansicht der Herausgeber.

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