Cyberstalking

Digitaler Psychoterror

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Cyberstalker machen ihre Opfer in Internetforen schlecht, bestellen unerlaubt Waren in deren Namen, sie verbreiten Lügen, posten peinliche Fotos, aber vor allen Dingen bedrängen und bedrohen sie. Wer zur Zielscheibe des digitalen Psychoterrors wird, hat nur wenige Möglichkeiten, sich dagegen zu wehren.

Das Wort Stalking stammt aus der Jägersprache und bedeutet, sich an etwas heranschleichen. Der Begriff etablierte sich vor etwa 20 Jahren in den USA, wo Prominente immer exzessiver von ihren Fans verfolgt wurden. Was anfangs als kurioses, aber ungefährliches Verhalten gewertet wurde, nahm 1989 eine bittere Wendung, als die US-amerikanische Schauspielerin Rebecca Schaeffer in Hollywood von einem Stalker erschossen wurde. Nicht alle Stalkingepisoden enden mit Mord – ausgeliefert und schutzlos fühlen sich die Verfolgten natürlich dennoch. Dazu müssen sich Opfer und Täter nicht einmal von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen – auch im Web wird gestalkt.

Taten und Täter

Das Internet – insbesondere die Anwendungen des Web 2.0 – sind ein idealer Jagdgrund für Cyberstalker. In sozialen Netzwerken wie Facebook, StudiVZ oder MySpace tauschen User massenhaft persönliche bis intime Details über ihr Leben aus. Informationen über den Freundeskreis, die Lieblingskneipe oder die Pläne fürs nächste Wochenende: Alles lässt sich in den Foren abgreifen. Angelehnt an den Begriff Phishing – das Klauen von Zugangsdaten und Passwörtern, zum Beispiel beim Onlinebanking – sprechen Experten bei persönlichen Daten vom Social Phishing.

Beim Cyberstalking nutzen die Täter die Vorteile, die ihnen die Anonymität der digitalen Medien bietet. Ein weiteres Plus für die Verfolger: Durch die Vernetzung der Onlinecommunitys erreichen sie mit ihren Psycho-Attacken leicht einen großen Adressatenkreis. Der Art der Übergriffe sind keine Grenzen gesetzt – sie hängen eigentlich nur von der kriminellen Energie der Stalker ab.

Bei Drohmails, Verleumdung, Rufmord und Spambomben ins private Postfach muss noch lange nicht Schluss sein. Die Täter schrecken auch nicht davor zurück, Details über die finanzielle Situation oder das Sexualleben ihrer Opfer zu verbreiten, zum Beispiel, indem sie – echte oder gefakte – Nacktfotos online stellen oder gezielt an deren Freunde und Kollegen mailen. Identitätsdiebstahl ist eine weitere Möglichkeit, psychischen Druck auszuüben. Zu diesem Zweck melden Stalker ihre Opfer in Internetkontaktbörsen an oder begehen in deren Namen illegale Aktionen im Netz.

Als Stalker kann sich die Ex-Freundin, ein flüchtiger Bekannter, die Nachbarin oder auch ein völlig Unbekannter entpuppen. Oft haben die Opfer ihre Verfolger zuvor verlassen oder abgewiesen. Mit ihren Attacken versuchen sie, den oder die Angebetete doch noch für sich zu gewinnen oder ein Gefühl von Macht und Kontrolle über sie zu genießen. Ein weiteres Motiv ist Rache für einen privaten oder beruflichen Misserfolg. Immer gilt: Körperliche und sexuelle Angriffe lassen sich nicht ausschließen. Eine australische Studie hat ergeben, dass viele Stalker unter mentalen oder narzisstischen Störungen leiden, paranoid oder größenwahnsinnig sind. Vier von fünf Tätern seien Männer, die Opfer in drei von vier Fällen Frauen.

Schutz vor Stalkern

In sozialen Netzwerken möchten sich Mitglieder ausführlich präsentieren, damit sie für andere möglichst interessant werden. Aber je mehr ein User über sich verrät, desto mehr Angriffsfläche bietet er potenziellen Aggressoren. Außerdem gilt: Sind Daten einmal online gestellt, können sie nicht mehr kontrolliert werden. Deshalb sollte man generell vorsichtig sein mit dem, was man im WWW über sich ausplaudert.

Um keinem Cyberstalker ins Netz zu gehen, empfiehlt die 1997 gegründete US-amerikanische Selbsthilfeorganisation „Working to Halt Online Abuse“ (WHOA) ein paar präventive Schutzmaßnahmen:

• Usernamen und E-Mail-Adressen sollten geschlechtsneutral sein.

Für die Teilnahme an Newsgroups, Chat-Rooms, IMs und Nachrichten an Unbekannte sollte man immer Freemail-Accounts benutzen, nicht die Firmenadresse.

• User sollten nur Dinge schreiben, die sie jemand auch ins Gesicht sagen würden und ihrem unbekannten Gegenüber nicht zu früh vertrauen.

Wenn es zu Stalkingattacken kommt, gibt es verschiedene Gegenmaßnahmen:

• Auf Angriffe, zum Beispiel in einem Chatroom, mit einem Gegenangriff zu reagieren, spornt den Stalker oft an und löst die Verfolgung erst aus. Deshalb: Ruhe bewahren, die Seite verlassen und nicht mehr reagieren.

• Falls es doch zum Stalking kommt: E-Mails, Screenshots von Internetforen und andere Beweismittel auf einem Datenträger außerhalb des PCs abspeichern.

• Wenn man weiß, wer der Stalker ist, hilft manchmal ein Schreiben vom Anwalt, um die Verfolgung zu beenden. Bei fortgesetzter Belästigung: ohne weiter zu zögern, Anzeige erstatten. Im März 2007 trat für solche Fälle mit dem Paragraph 238 des Strafgesetzbuchs das „Gesetz zur Strafbarkeit beharrlicher Nachstellung“, das so genannte Anti-Stalking-Gesetz, in Kraft.

• Jeder User bekommt eine eindeutige Identifizierungsnummer (IP-Adresse) zugewiesen, sobald er sich ins Netz einwählt. Diese IP-Adresse erhalten auch die Provider der angesurften Internetseiten. Werden die Seiten für Cyberstalking missbraucht, kann die Polizei die Anbieter auffordern, den Namen des Users herauszugeben, der zu dem angegebenen Zeitpunkt mit dieser Kennung bei ihnen online war. Problem: Versierte User können ihre IP-Adresse maskieren, indem sie zum Beispiel einen obskuren Provider im Ausland nutzen.

• Veröffentlicht der Stalker in einem Internetforum, in Blogs oder sozialen Netzwerken verleumderische Inhalte, kann man von den Providern die Löschung der Postings verlangen. Unterstützung dabei bieten Onlinedienste wie Reputation Defender, die sich auf die Suche nach unerwünschten Einträgen, Fotos und Filmen spezialisiert haben und bei der Wiederherstellung des guten Online-Images helfen.

Susanne TheisenFreie Journalistin in KölnSusanneTheisen@gmx.net

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