Vorsymposium von Procter & Gamble

Allgemeingesundheit und Parodontitis –ein vernetztes Krankheitsgeschehen

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Als eines der Highlights im Vorfeld der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Parodontologie in Nürnberg darf mit Fug und Recht der Vortrag von Prof. Dr. Christof Dörfer aus Kiel bezeichnet werden. Hier eine Zusammenfassung zu seinem Thema „Was hat Parodontitis mit der Allgemeingesundheit zu tun?“. Anhand zahlreicher aktueller Studien – darunter Ergebnisse eigener Forschung – erläuterte der Referent, welche Zusammenhänge nach heutiger Kenntnis bestehen.

Offensichtlich ist die Beziehung zwischen Parodontitis und Entzündungserkrankungen in anderen Regionen des Körpers, wobei namentlich die Korrelation zu Lungenentzündung, Gastritis und Endokarditis evident sind. So weisen Parodontitis-Patienten ein 5,4-fach erhöhtes Risiko für Pneumonie auf, verbunden mit einer erhöhten Sterblichkeit durch diese Erkrankung [Awano et al., 2008]. Auch zeigt sich der Gastritis-Auslöser Helicobacter pylori, wenn er sich im Magen eines Patienten befindet, ebenfalls in dessen dentaler Plaque. An Endokarditiden sind zu 85 Prozent Bakterien beteiligt, die aus der Mundhöhle stammen. [Drangsholt et al., 1998]. Die aktuell gültigen Empfehlungen zur Endokarditisprophylaxe sehen eine antibiotische Abschirmung nur noch für Hochrisikogruppen vor, da nur diese von einer Antibiose profitieren würden. Alle Risikogruppen würden jedoch von Maßnahmen zur Reduktion beziehungsweise Prophylaxe oraler Entzündungen profitieren, da bei vorhandener Parodontitis je nach Entzündungsgrad des Parodonts und Ausmaß der mechanischen Belastung temporär Bakterien in das Blut des betroffenen Patienten gelangen (Bakteriämie). Dies bleibt freilich in der Regel komplikationslos, kann jedoch bei immungeschwächten Patienten zu Problemen führen. Durch zahnärztliche Prophylaxemaßnahmen und regelmäßige Zahnpflege wird das Bakteriämierisiko auch bei alltäglichen Maßnahmen, zum Beispiel Zähnebürsten und Kauen, reduziert [Forner et al., 2005].

Viele Zusammenhänge sind heute unbestritten

Als weiteren wichtigen Zusammenhang nannte Dörfer vaskulär bedingte Erkrankungen. Eine Kausalität zwischen kardio- beziehungsweise zerebrovaskulären Störungen und Parodontitis konnte bisher nicht nachgewiesen werden [Persson, 2008]. Allerdings ist bei jüngeren Patienten das Schlaganfallrisiko bei einer Taschentiefe von mehr als 6,0 Millimetern gegenüber Patienten mit unauffälligen PA-Befunden um das 4,6-Fache erhöht [Dörfer et al., 2004]. Tierversuche haben gezeigt, dass parodontalpathogene Keime die Bildung arteriosklerotischer Plaques initiieren. Möglicherweise hängt dies damit zusammen, dass diese Keime Thrombozyten aktivieren und so zu einer verstärkten Blutverklumpung führen können. Parodontitis gilt darüber hinaus als ein zuverlässiger Prädiktor für eine stabile koronare Herzkrankheit. In einer Interventionsstudie konnte darüber hinaus gezeigt werden, dass eine Parodontitistherapie die Gefäßreaktion auf Druckänderungen normalisierte, was als ein Hinweis auf ein gesenktes Herzinfarktrisiko angesehen werden kann [Tonetti et al., 2007].

Unbestritten ist ferner ein Zusammenhang zwischen Parodontalerkrankungen und Diabetes mellitus. Leidet ein Patient an dieser Erkrankung und ist sein Blutzuckerspiegel nicht gut eingestellt, so weisen die Prävalenz, das Ausmaß und das beschleunigte Fortschreiten von Parodontalerkrankungen erhöhte Werte auf [Taylor & Borgnakke, 2008, Systematic Review]. Umgekehrt reduzieren akute Entzündungen stets die Wirkung von Insulin, so dass sich ein Diabetes mellitus weniger gut beherrschen lässt. Ob die Behandlung einer Parodontitis tatsächlich zu einer Verbesserung des diabetischen Status der Patienten führt, wird derzeit allerdings aufgrund uneinheitlicher Studienergebnisse kontrovers diskutiert.

Schließlich findet auch die sprichwörtliche Redewendung, nach welcher jede Schwangerschaft einen Zahn kostet, ihre Entsprechung in aktuellen Forschungsresultaten. Tatsächlich wurden unter ungünstigen Lebensbedingungen Korrelationen zwischen Parodontalerkrankungen, der Quote der Frühgeburten, einem geringeren Geburtsgewicht und einer höheren Komplikationsrate festgestellt. Ein ursächlicher Zusammenhang konnte aber bisher nicht bewiesen werden, das heißt, es ist nach wie vor unklar, ob eine Therapie oder Prophylaxe parodontaler Erkrankungen während der Schwangerschaft das Komplikationsrisiko senken [Wimmer & Pihlstrom, 2008, Systematic Review].

Insgesamt bekamen die rund vierzig Teilnehmer des Symposiums von Procter &  Gamble, das am Vortag der Jahrestagung der DGP in Nürnberg stattfand, einen breiten Überblick über den Stand der Forschung in einem der aktuell spannendsten Gebiete der Zahnmedizin. Auch, wenn die ursächlichen Zusammenhänge mit allgemeinmedizinisch diagnostizierten pathologischen Zuständen vielfach nicht abschließend geklärt sind, drängen zumindest zahlreiche punktuelle Beobachtungen zu einer verstärkten Zusammenarbeit von Ärzten unterschiedlicher Fachrichtungen. Nicht zuletzt die hohe Prävalenz der chronischen Parodontitis mit einem Befall von zirka 80 Prozent der Bevölkerung weist dem Zahnarzt dabei eine zentrale Rolle bei der Risikoabschätzung für andere Störungen – zum Beispiel von unterschiedlichen Entzündungserkrankungen – zu. Vice versa sind bei allgemeingesundheitlichen Erkrankungen wie bei Diabetes mellitus die im engeren Sinne zahnmedizinischen Implikationen zu beachten, sofern der Blutzuckerspiegel nicht stabil eingestellt ist. In jedem Fall sollte der kollegiale Austausch mit Vertretern der anderen medizinischen Fachdisziplinen gesucht werden.

Fazit

Vielfach können statistische Korrelationen zwischen Parodontalerkrankungen und anderen Störungen der Gesundheit festgestellt werden, unter ihnen zum Beispiel Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Entzündungserscheinungen und Diabetes mellitus. Oft bleibt bisher unklar, welches die Ursache und welches die Wirkung ist. Möglicherweise gibt es auch andere Auslöser, die unabhängig sowohl eine Parodontitis und andere pathologische Zustände initiieren können. Bei der augenblicklichen Datenlage sollte die zukünftige Forschung diese Zusammenhänge klären, damit geeignete ursachengerichtete Therapien beziehungsweise Prophylaxemaßnahmen definiert werden können.

Dr. Christian EhrensbergerZum Gipelhof 860594 Frankfurt/M.

 

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