Steuerliche Aspekte beim Praxisverkauf

Ein (fast) vergessenes Sammelgebiet

Wer lesen will, kann heute zum Computer greifen. Dort gibt es Weltliteratur auf Abruf. In den Buchhandlungen stapeln sich die Bestseller nach dem Motto: heute hipp, morgen hopp. Bibliophile Menschen denken anders. Sie kaufen Bücher, um der Bücher willen – sei es des Inhalts wegen, aufgrund der besonderen Gestaltung oder weil es sich um ein besonders seltenes Exemplar handelt. Ihnen erschließen sich Welten, die dem schnellen Konsumenten verschlossen bleiben.

Still ist es in den weitläufigen Räumen des Antiquariats Heuberger in Köln-Deutz. Bis unter die Decke reichen die Regale gefüllt mit Büchern aus allen Epochen und zu unzähligen Wissensgebieten. Bibliophile wie Erwin Freiherr von Seherr-Thoss finden hier Schätze, die sie in einer der supermarktähnlichen Buchhandlungen vergeblich suchen würden. Der pensionierte Bauingenieur, der für eine renommierte deutsche Baufirma jahrelang im Ausland gearbeitet hat, interessiert sich für die Geschichte der Länder, die er dank seines Berufs gründlich kennen lernen durfte: Iran, Afghanistan und Argentinien. Dabei geht es ihm weniger um die luxuriöse Ausstattung oder die Seltenheit eines Buches, sondern vielmehr um die Inhalte. Bei Heuberger wird er fündig: „In den Ländern selbst gibt es kaum Literatur. Mir gefällt es sehr, dass ich hier zwei oder drei Stunden stöbern, mal einen Text anlesen und ein nettes Gespräch führen kann“, umschreibt der Sammler seine Freizeitbeschäftigung. „Die Menschen sammeln aus den unterschiedlichsten Gründen“, erzählt Roman Heuberger aus seiner jahrzehntelangen Erfahrung als Antiquar. Dass Sammler zu ihm ins Geschäft kommen, sich mit ihm über ihre Vorlieben unterhalten, kommt leider nur noch selten vor. „Vor 25 Jahren war das noch anders. Damals tauschte man sich aus, erzählte sich Geschichten über Bücher oder ich bekam einen Suchauftrag.“

Antiquariate im Zeitalter des Internet

Doch die Zeiten haben sich geändert. Auch das Antiquariat findet inzwischen im Internet statt. Antiquare und Branchenfremde bieten Millionen Bücher in den unterschiedlichsten Qualitäten und Preisen an. Wer sich nicht auskennt, ist angesichts dieses Überangebots verloren. Allein unter 30 Millionen Büchern kann der Sammler wählen, wenn er das Zentrale Verzeichnis Antiquarischer Bücher (www.zvab.de) anklickt. Hier bieten 4 100 Antiquare aus 27 Ländern ihre Bestände an. Über die Qualität sagen diese Zahlen nichts aus. Antiquar Heuberger schätzt, dass rund 80 Prozent der Anbieter zur Gattung der Flohmarkthändler gehören. Dort finden Sammler Angebote zu jedem Sammelgebiet. Allerdings sollten sie schon genau wissen, was sie suchen und welchen Preis sie dafür zahlen wollen.

Um sich von der Masse zu distanzieren, haben sich renommierte Antiquare zu einer Art Genossenschaft zusammengeschlossen und eine eigene Seite gegründet. Unter www.prolibri.de bieten 285 Händler rund 3,1 Millionen Warenpositionen an. Dabei handelt es sich um Bücher, Autographen, Grafik und andere Kunst auf Papier. Als Anbieter können nur Händler auftreten, die genügend Berufserfahrung mitbringen und sich bei den Beschreibungen an einen bestimmten Qualitätsstandard halten. Der Kunde findet einen Link zur Homepage des jeweiligen Händlers. So können Sammler direkt Kontakt zum Anbieter aufnehmen und sich bei ihm über sein Angebot im Detail informieren.

Besonders Einsteiger in das umfangreiche Sammelgebiet der antiquarischen Bücher profitieren vom Erfahrungsschatz renommierter Antiquare. Bei ihnen treffen sie auf das atmosphärische Umfeld und das Verständnis für ihre Leidenschaft.

Spezialisierung erhöht den Wert der Sammlung

Den Einstieg in ihre Sammlung fanden die meisten über ein spezielles Interesse. Das kann ein bestimmter Autor sein. Den Grundstock der eigenen Kollektion bilden vielleicht seine bekanntesten Werke, dann trägt man alles zusammen, was er jemals veröffentlicht hat. Häufig wächst mit den Kenntnissen über einen Schriftsteller auch das Interesse für dessen Umfeld. Statt der Taschenbücher kauft der Liebhaber gebundene Ausgaben, zum einen weil sie schöner aussehen, aber auch weil sie haltbarer sind. Denn schließlich will er bestimmte Texte immer wieder lesen. Um das Wissen zu vervollständigen, sucht der Kenner nach Sekundärliteratur, die sich mit dem Autor befasst, oder er weitet sein Interesse auf die Schriftsteller in seinem Umfeld aus. Vielleicht möchte er sich auch noch näher über die Orte informieren, an denen die Romane spielen. Und so weiter – eine Kollektion lässt sich in alle Richtungen ausweiten.

Mit den Vorlieben vieler Sammler kennt sich auch Karl-Heinz Knupfer, Gesellschafter und Geschäftsführer des Kölner Auktionshauses Venator & Hanstein gut aus: „Ich weiß von einem Herrn in Wien, der sammelte ausschließlich Bücher, in deren Titel es einen Druckfehler gab. Der sollte möglichst auch noch sinnentstellend sein.“ Sehr umfangreich dürfte die Auslese nicht gewesen sein.

Umfassenderen Sammelgebieten widmet sich der Kölner Urologe Dr. Reiner Speck. Er hat eine inzwischen wohl international anerkannte Kollektion zeitgenössischer Kunst zusammengetragen, von der er in diesem Jahr einen Teil an die Rheingold-Sammlung verkauft hat. Seine etwa 40 000 Bände umfassende Bibliothek verfügt über rare Erstausgaben, spätmittelalterliche Inkunabeln, Dichterhandschriften und Künstlerbriefe. Manche Bücher haben die jeweiligen Autoren ihm mit handschriftlicher Widmung übereignet. Seine Leidenschaft aber gilt dem französischen Schriftsteller Marcel Proust. Zusammengetragen hat er unter anderem unveröffentlichte Proust-Briefe, handkorrigierte Druckfahnen, Fotos und sogar eine letzte Locke des immer kränkelnden Dichters. Damit nicht genug: Zusätzlich verfügt er über die größte Sammlung von Schriften und Büchern über Francesco Petrarca. Es zeigt sich, dass eine Spezialisierung, die mit Sachkenntnis und Leidenschaft betrieben wird, Voraussetzung für eine qualitätsvolle Sammlung ist. Begehrt unter Sammlern sind nach wie vor Erstausgaben berühmter Autoren. Allerdings interessiert sich kaum noch jemand für Goethe oder Schiller, deren Wert ist gefallen. „Der Geschmack der Sammler verändert sich“, weiß Knupfer aus seiner Erfahrung. So bleiben dekorative Grafik und alte Landkarten (Topografien) in Auktionen regelmäßig liegen.

1,65 Millionen Dollar für ein Buch

Unabhängig von Trends und Moden gilt für Bücher das gleiche Prinzip wie in der Bildenden Kunst: Spitzenqualität hat ihren Preis und findet immer ihre Käufer. Wer also Geld in Büchern anlegen will, deren Wert wächst, sollte sich an diese Bedingungen halten: Seltenheit, Zustand und Vollständigkeit. So mancher Bibliophile, der sich seinen Schrank mit Schätzen gefüllt hat, hat sich an die Liste der „Bücher, die die Welt verändern“ (Originaltitel: „Printing and the mind of man“) gehalten. Diesen Leitfaden der wichtigsten wissenschaftlichen Werke haben die Briten John Carter und Percy H. Muir zusammengetragen. Die darin enthaltenen Titel sind allesamt Raritäten. Nur selten taucht eines auf Auktionen auf und dann werden Höchstpreise gezahlt. So auch für eines der berühmtesten Bücher der Welt: das erste anatomische Fachbuch „De humani corporis fabrica libri septum“ des Flamen Andreas Vesalius von 1543. Christie’s in New York versteigerte es in einer besonders prachtvoll kolorierten Erstausgabe am 18. März 1998. Geschätzt auf 400 000 bis 600 000 Dollar fiel der Hammer bei 1,65 Millionen. Das Buch gehörte zur Haskell F. Norman Bibliothek mit naturwissenschaftlichen Werken. Man munkelt, dass der größte Teil in den Besitz von Bill Gates gewechselt ist. Weniger üppige Ausgaben erzielten auf Versteigerungen zuletzt etwa 100 000 Euro. Zurzeit liegt das Interesse an medizinischen Büchern ziemlich brach. Deshalb gibt es seltene Kuriositäten zu moderaten Preisen wie zum Beispiel die „Heylsame Drecksapotheke“ von Chr. Franz Paullini von 1713 in der Auktion bei Venator & Hanstein (25. September 2009) für 350 Euro. Der Schätzpreis betrug 600 Euro.

Deutlich höher steigen die Preise, wenn es um Künstlerbücher geht. Der Sammler und Nadelfabrikant F. B. Schmetz aus Herzogenrath bei Aachen trug eine kostbare Sammlung zusammen. Sie enthielt neben einigen sehr wertvollen Erstausgaben vor allem Bücher, deren Einband von berühmten Buchbindern gestalten worden sind. Dazu gehörte der wohl bedeutendste deutsche Buchbinder Ignatz Wiemeler. An manchen Einbänden arbeitete er jahrelang. Er nahm keine Rücksicht auf Kosten und verwandte nur bestes Material. Für ihn bestimmte der Inhalt die äußere Gestaltung des Buchs – frei von Überladung und beeinflusst von der Schlichtheit des Bauhauses. In der Auktion bei Venator & Hanstein am 14. März 2008 erzielte zum Beispiel ein Band der Rupprecht-Presse von 1922, gedruckt auf Zanders-Bütten sagenhafte 20 000 Euro, geschätzt war das Buch auf 4 000 Euro.

Mit viel Liebe zum gedruckten Wort

Höchstpreise dieser Art sind hierzulande derzeit eher die Ausnahme. Auktionator Knupfer bedauert, dass das antiquarische Buch bei den Deutschen kaum nachgefragt wird: „So kostete auf der Frankfurter Messe eine Ausgabe des Grimmelshausen 35 000 Euro. Das ist bereits ein Spitzenpreis für deutsche Literatur.“ Dagegen haben Engländer und Amerikaner eine viel innigere Beziehung zum gedruckten Wort. „Bei ihnen gehören Bücher zum Leben. Dort laufen auch die Antiquariate gut“, berichtet Knupfer. Da verwundert es nicht, wenn Sammler für die gesamte Erstausgabe von Harry Potter bereits jetzt 70 000 bis 80 000 Euro bezahlen. Für die erste Veröffentlichung des Dichters Edgar Allen Poe sind auch 500 000 Euro nicht zu viel.

Antiquarin Gundel Gelbert glaubt, dass dem klassischen deutschen Antiquariat die Sammler wegsterben. Doch Kollege Knupfer sieht auch für jüngere Leute neue Sammelgebiete, die es zu entdecken gilt: „Viele junge Leute können die Schrift des 19. Jahrhunderts nicht mehr lesen. Sie können sich neuzeitlicheren Themen zuwenden wie zum Beispiel der Geschichte des Computers und des Internets.“ Als Grundstein eignet sich die Veröffentlichung des Universalgelehrten Gottfried Wilhelm Leibniz (1646 bis 1716) über seinen „Computer“. Er erfand die erste Rechenmaschine.

Marlene Endruweitm.endruweit@netcologne.de

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