Deutscher Zahnärztetag - Frankfurt am Main 2010

Harmonischer Dreiklang

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Rekordzahlen für den diesjährigen Deutschen Zahnärztetag vom 11. bis 13. November in Frankfurt am Main: Mit mehr als 6350 Teilnehmern verbuchte die Veranstaltung den höchsten Zuspruch der vergangenen Jahre. Die Eröffnungsveranstaltung im Verbund aus Standespolitik, Wissenschaft und Praxis – getragen von den drei Spitzenvertretern der BZÄK, DGZMK und KZBV – verlief als ein harmonisches Ereignis. Dennoch musste sich die Politik kritische Töne gefallen lassen: Der Berufsstand forderte unisono ein Umdenken im Gesundheitssystem und die Umsetzung längst überfälliger Reformen.

Um die großen Herausforderungen der Zukunft bestehen zu können, muss diese Gesellschaft die Chancen, die sich bieten, auch tatsächlich nutzen. Zuwarten hilft da nicht.“ Mit diesem Appell eröffnete der Präsident der BZÄK, Dr. Peter Engel, den Deutschen Zahnärztetag 2010, zu dem er Gäste aus Politik, Standespolitik, Wissenschaft und Gesellschaft aus dem In- und Ausland begrüßte. Es gelte, überkommene Weltbilder neu zu sortieren und wachsam demokratische Grundsätze zu wahren, mahnte Engel mit Bezug auf das zwanzigjährige Jubiläum der deutschen Wiedervereinigung. Die zahnärztliche Selbstverwaltung kenne jedenfalls keinen programmatischen Unterschiede mehr zwischen Ost und West. Auf Basis ihres freiberuflichen Selbstverständnisses agiere der Berufsstand in Verantwortung für seine Patienten und damit letztlich für die Gesellschaft. Für Reformen entstehe jetzt Handlungsdruck.

Veränderung notwendig

Annette Widmann-Mauz, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium, nahm in ihrer Grußansprache aktuell Stellung zum GKV-Finanzierungs- gesetz. Im Dialog sollten die richtigen Antworten gefunden werden, wie sozial verantwortungsvolle Gesundheitspolitik aussehen müsse, sagte im sie am Vorabend der zweiten und dritten Lesung des Gesetzes im Bundestag. Jetzt würden kurzfristige Probleme gelöst, es werde aber auch die Grund- lage für ein neues System von mehr Gerechtigkeit, Transparenz und Wettbewerb geschaffen. Sie verwies auf die beabsichtigte Balance zwischen Einnahmen und Aus- gaben; man wolle kurzfristig handeln und langfristig solide finanzieren. Allerdings sei der Prozess noch nicht abgeschlossen, als nächste Punkte stünden der Ärzte- und Pflegekraftmangel sowie das ärztliche Vergütungssystem auf der Agenda.

Widmann-Mauz ging auf den Novellierungsprozess zur GOZ ein. Hier sei man auf einem „guten Weg“. Der Prozess sei im Fluss, die Ablehnung der Ärzte- und Zahnärzteschaft hinsichtlich der Öffnungsklausel seien bekannt, im Rahmen der Beratungen werde man diese „sorgfältig abwägen.“ Nicht alle Erwartungen des Berufsstands hinsichtlich des Honorarzuwachses würden erfüllt werden, schränkte sie ein. Die Staatssekretärin verwies auf die Grundlohnsummenanbindung sowie die Beibehaltung der Budgetierung und räumte ein, dass aus vertragszahnärztlicher Sicht nicht allen Forderungen hätte nachgekommen werden können. Noch in dieser Legislaturperiode beabsichtige man, eine Strukturreform im vertragszahnärztlichen Bereich in Angriff zu nehmen. Ein wichtiges Anliege des BMG sei die Flexibilisierung der Kostenerstattung, dies bedeute ein Plus an Freiheit, aber auch ein höheres Maß an Verantwortung gegenüber dem Patienten.

Auch auf die Notwendigkeit, die Approbationsordnung zu novellieren, ging Widmann-Mauz ein. Eine fachliche Weiterentwicklung der veralteten AOZ sei aus Sicht der Regierung „dringend erforderlich“, dabei spreche man sich für das Studium mit Abschluss Staatsexamen aus, dem Bachelor/Master-Modell erteile man eine „strikte Absage.“ Die Kernelemente der Novellierung würden nun mit den Ländern gemeinsam abgestimmt.

Hohe Qualitätsstufe

Der aus dem Amt scheidende DGZMK- Präsident Prof. Dr. Thomas Hofmann verwies mit Stolz auf die jetzige Qualitätsstufe, die der Deutsche Zahnärztetag durch die intensive Zusammenarbeit und den konstruktiven Dialog von BZÄK und DGZMK erreicht habe. Diese Fähigkeit solle man bewahren, um weiterhin das Ziel, die deutsche Zahnmedizin in Wissenschaft und Praxis voranzubringen, im Auge zu behalten. In der zurückliegenden Legislaturperiode habe sich die DGZMK darauf konzentriert, die Ausstrahlung der Organisation zu erhöhen und das Serviceangebot für die Mitglieder zu verbessern.

Hoffmann ging auch auf die Situation der deutschen Hochschulen ein. Hier stehe man – abgesehen von Exzellenzzentren mit guter finanzieller und personeller Ausstattung – „mit dem Rücken zur Wand“. Er warnte vor kurzsichtigen und kurzfristigen Aktionen vor allem in fakultativen Lehrbereichen, die Kapazitäten vortäuschten, die nicht existierten.

„Es ist an uns, die Zukunft der Zahnmedizin zu gestalten“, erklärte er. Dazu gehöre ein modernes, zukunftsweisendes Curriculum, das sich nach den Erkrankungsprävalenzen und Therapienotwendigkeiten richte und nicht nach Kernfächern aus Anfang bis Mitte des vorigen Jahrhunderts. Dazu zählten moderne Zentren für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, die inhalte- und nicht fächerstrukturiert seien, „mit der nach wie vor zentralen Rolle des Allgemeinzahnarztes, als Fachzahnarzt, flankiert von weiteren Fachzahnarztdisziplinen, ohne die Zahnmedizin zu zergliedern, dafür mit umso größerer Integration in die Medizin, mit unterschiedlichen Praxisformen, unterschiedlichen Qualifikationsstufen auf der Basis einer sicheren ethisch fundierten Berufsausübung.“

Nüchterne Bilanz

Eine nüchterne Bilanz über das vergangene Jahr der Koalitionsregierung zog der Vorsitzende der KZBV, Dr. Jürgen Fedderwitz. Während im Koalitionsvertrag noch viele zahnärztliche Forderungen wiederzufinden waren, sei davon im neuen GKV-Finanzierungsgesetz fast nichts mehr übrig geblieben. Stattdessen sei ein „Geldbeschaffungsgesetz“ entstanden, dass das marode GKV-System retten solle.

Fedderwitz griff die Angleichung der Honorare Ost und West heraus, die „nur halbherzig“ erfolgt sei. Auch zwanzig Jahre nach der Wiedervereinigung sei diese auch aus gesellschaftspolitischen Gründen notwendige Maßnahme für die Kollegenschaft nicht zufriedenstellend umgesetzt. Harsche Kritik übte Fedderwitz an der Fortschreibung der Budgetierung: Nur für die Zahnärzteschaft gelte noch die Grundlohnsummenanbindung, sie gehöre abgeschafft. Die Festschreibung des Budgets führe hingegen zu Qualitätsabbau und Qualitätsverlust: „Wir fühlen uns abgespeist“, sagte Fedderwitz wörtlich. In diesem Zusammenhang führte er auch die Aktion „Puffertage“ an: „Was die Bayern gemacht haben, war überfällig.“ Mit der Verschiebung von nicht dringenden Leistungen sollte deutlich gemacht werden, dass es „so nicht weitergeht.“ Notwendige Leistungen würden erbracht (ohne Rücksicht auf das Budget), die Zahnärzte seien sich ihrer Verantwortung bewusst und würden Konflikte nicht auf dem Rücken der Patienten austragen. Unterstützung signalisierte Fedderwitz der BZÄK in Sachen GOZ und bei dem Kampf gegen die Öffnungsklausel. Das gelte auch für die Novellierung der Approbationsordnung; hier müsse die Politik „endlich in die Puschen kommen.“ Der KZBV-Vorsitzende bescheinigte der Politik „Reformmüdigkeit“. Solange sich hier nichts ändere, müsse der zahnärztliche Berufsstand auch weiterhin mit „Wut im Bauch und Schweiß auf der Stirn“ leben.

Wichtiger Scheideweg

BZÄK-Präsident Engel unterstrich in seinem Statement, dass das bedingungslose Sachleistungssystem an seine Grenzen gekommen sei, das Gesundheitswesen habe ein galoppierendes Einnahmeproblem: „Wir Zahnärzte haben immer wieder Lösungen aufgezeigt, die allen Beteiligten die Beibehaltung der qualitativ hochwertigen Versorgung ermöglicht hat, ohne dass es zu Kostensteigerungen kam.“ Mit Bezug auf die gesellschaftlichen Probleme einer zunehmend überalternden Bevölkerungsstruktur seien systemisch relevante Änderungsvorschläge gemacht worden. Mit der christlich-liberalen Koalition habe man sich die Chance für eine historische Wende zu einer nachhaltigen Änderung erhofft. Die jetzigen politischen Reformansätze, die ein schon wieder „vorrangig von Kostendämpfung diktiertes Regulierungspaket“ beinhalte, betrachte der Berufsstand jedoch mit Skepsis, aus Sicht der Zahnärzteschaft seien die in die schwarz-gelbe Bundesregierung gesetzten Erwartungen noch nicht erfüllt.

Engel mahnte die längst überfällige Novellierung der Approbationsordnung an und ging auf den gegenwärtigen GOZ-Novellierungs-prozess ein: „Wir Zahnärzte brauchen eine GOZ, deren Leistungskatalog den aktuellen Anforderungen entspricht, die den Kollegen in den Praxen aber auch eine tragfähige ökonomische Basis bietet.“ Er forderte eine verlässliche kalkulierbare Grundlage und wehrte sich mit Vehemenz gegen eine Öffnungsklausel: „Das ist nicht unsere Vorstellung von qualitätsstabilisierendem Wettbewerb.“

Last but not least kam er auf das zahnärztliche Konzept der Alters- und Behindertenzahnheilkunde zu sprechen und forderte von der Politik ein, die berechtigten Maßnahmen für diese schutzbefohlenen Menschen in eine entsprechende Programmatik umzusetzen. pr

Anlässlich der Eröffnungsveranstaltung zum Deutschen Zahnärztetag wurden namhafte Persönlichkeiten aus Standespolitik und Wissenschaft geehrt. 

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