17. Jahrestagung der DGCZ mit Masterkurs

Digitaltechnik öffnet neue Türen

Die Jahrestagungen der DGCZ (Deutsche Gesellschaft für computergestützte Zahnheilkunde e.V.) setzten schon immer die Meilensteine für computergestützte Anwendungen in Praxis und Labor. Auf der diesjährigen Veranstaltung in Dresden unter der Leitung von Dr. Bernd Reiss, Malsch, und Dr. Klaus Wiedhahn, Buchholz, wurde der Workflow der „Digitalen Abformung und der Arbeitsprozess mit dem stereolithografischen ZT-Modell“ vorgestellt. Damit beginnt das Zeitalter ohne die klassische Abdrucknahme. Weiterer Höhepunkt war die Verbindung der digitalen Volumentomographie (DVT) mit der optoelektronischen Messaufnahme, die die klinische Situation in das DVT-Bild transportiert und die Implantatplanung sicherer gestaltet.

Prof. Albert Mehl, Zürich, berichtete über die intraorale Messtechnik mit kurzwelligem Licht, die biogenerische Kauflächengestaltung, die Entwicklung der computergestützten dynamischen Okklusion und die abdruckfreie Praxis. Durch die Überlagerung von mehreren Intraoral-Scans aus unterschiedlichen Aufnahmerichtungen mit Cerec AC wird der Informationsgehalt der Präparationsaufnahmen, vor allem in steilen und unter sich gehenden Bereichen, erhöht. Bei Quadrantenaufnahmen liegen die Messabweichungen im Vergleich zu einem Laser-Referenzscanner bei <40 μm. Damit können laut Mehl exakte Quadrantenmodelle gerechnet werden.

Inzwischen in der Cerec-Software hinterlegt, basiert die biogenerische Kauflächengestaltung auf dem Naturgesetz, dass hinter jedem Zahn ein genetischer Bauplan steht. Anhand klinischer Merkmale analysiert ein „Zahnsynthesizer“ die unterschiedlichen Kombinationen der in der Natur vorkommenden Morphologien. Wird ein präparierter Zahn, der noch über eine okklusale Restzahnsubstanz verfügt, über die Kamera in das System eingescannt, wird die Situation mit ähnlichen Morphologien abgeglichen. Die Datenbank schlägt eine Kaufläche vor, die den angetroffenen Merkmalen sehr weitgehend entspricht. Dieses Selektionsverfahren – für Okklusalflächen von Inlays, Onlays und Teilkronen geeignet – wurde nun für Kronen weiterentwickelt. Dafür werden zusätzlich Informationen von Antagonisten, Nachbarzähnen oder anderen, unversehrten Zähnen herangezogen und die „patiententypische“ Morphologie für den Kauflächenvorschlag ermittelt.

Brückenschlag ohne Abdruck zur Zahntechnik

Dr. Klaus Wiedhahn skizzierte die künftige Prozesskette der „abdruckfreien Praxis“. Voraussetzung für diesen Schritt war, dass mit der Bluecam-Aufnahmeeinheit durch intraorale Winkelaufnahmen zusätzliche Messdaten generiert werden können. Die Bildsequenz wird zu einem Quadrantenmodell zusammengerechnet, das auch die Gegenbezahnung und die Lagebeziehung im Kiefer berücksichtigt (Abbildung 1). Dieser Schritt ist besonders für die Kronenund Brückentechnik bedeutsam, da hiermit funktionelle Bedingungen erfüllt werden können. Unter der Bezeichnung Cerec Connect wird dieses Verfahren einige Stufen der konventionellen Zahntechnik unter Beibehaltung der Passgenauigkeit überspringen. Laut Wiedhahn beginnt der Fortschritt bereits in der Praxis: Der Patient braucht keinen Abdruck mit Würgereiz „erdulden“, die Messdaten werden optoelektronisch gewonnen. Aus den Quadrantenaufnahmen entsteht ein virtuelles Modell, in das der Zahnarzt die Präparationsgrenzen einzeichnet. Dann erfolgt der Datenversand online an das ZT-Labor. Gleichzeitig kann die Praxis mit dem Datensatz eine temporäre Versorgung aus Kunststoff ausschleifen und eingliedern, wie eine Krone oder eine Brücke. Das Labor lässt mit dem Datensatz bei infini-Dent (Sirona) stereolithografisch ein Kunststoffmodel herstellen. Zwischenzeitlich hat das Labor das Gerüst konstruiert und ausgeschliffen. Mit dem Kunststoffmodell werden die Gerüstaufpassung, die Verblendung und die Artikulation durchgeführt (Abbildung 2). Die Erprober-Ergebnisse zeigten, dass die Datensätze genauer sind als konventionelle Abdrücke, deren Fehleranfälligkeit Praxisalltag ist – ebenso ist die Passung der digital gefrästen Gerüste sehr exakt. Der „abdruckfreie Brückenschlag“ ins Labor ist laut Wiedhahn zur Zeit für die Fertigung von Frontzahn- und Seitenzahnkronen, provisorischen Brücken, Inlays, Onlays und Veneers freigegeben. Zahnärzte, die bisher nicht mit Cerec gearbeitet haben, können nun allein mit der Aufnahmeeinheit digital abformen und den Datensatz im Labor als vollkeramische Restauration ausarbeiten lassen.

Prof. Gerwin Arnetzl, Graz, verglich die Abformpräzision digital generierter Abformungen mit konventionellen Elastomer-Abdrücken. Wenn konventionelle Abformungen eine Rückstellung nach Verformung von 98,5 Prozent aufweisen, bedeutet das für eine Inlaykavität eine Passungenauigkeit von 35-75 ìm. Dazu addieren sich bei Gussobjekten noch Toleranzen von 46,5 ìm (Mittelwert), so dass im indirekten Verfahren hergestellte Kronen literaturbelegte Abweichungen von 114 ìm erreichen. Digitale Messaufnahmen wiesen unter Einbeziehung von präzisionssteigernden Winkelaufnahmen Toleranzen von 13,4 μm auf. In das Kunststoffmodell umgesetzt, lag die Abweichung bei 35,4 ìm. Diese Daten belegen laut Arnetzl, dass digital generierte Modelle weniger Fehler aufweisen als die konventionelle Abdrucktechnik mit Elastomeren.

Aus der Praxis für die Praxis

In der Praxis platzierte klinische Feldstudien haben den Vorteil, dass die dokumentierten Fälle sich aufgrund der Patiententreue über einen langen Zeitraum verfolgen lassen. Eine der wenigen Studien, die vollkeramische Restaurationen in einem Praxis-Panel über einen langen Zeitraum begleitet, ist die „Ceramic Success Analysis“ (CSA) unter der Leitung von Dr. Bernd Reiss, unterstützt von der DGCZ und der Arbeitsgemeinschaft für Keramik in der Zahnheilkunde (AG Keramik). Derzeit sind mehr als 5 700 Restaurationen aus über 200 Praxen Grundlage der Ergebnisse. Die Auswertung von über 3 000 Nachuntersuchungen zeigte, dass die Überlebenswahrscheinlichkeit (Kaplan-Meier) für vollkeramische Inlays, Onlays, Teilkronen und Kronen nach 13 Jahren bei 83 Prozent und damit auf jenem Wert liegt, der in der Literatur auch Gussrestaurationen zugeschrieben wird.

Anknüpfend an die automatisierte Kauflächengestaltung für Onlays und Teilkronen zeigte Dr. Günter Fritzsche, Hamburg, den Einsatz der biogenerischen Software. Das CAD-System analysierte die okklusale Morphologie des Antagonisten und schlug eine passende Kaufläche vor. Die Konstruktion von posterioren Kronen zur Substitution von insuffizienten Metallkronen demonstrierte Dr. Hans Müller, München. Da der Bildschirm die klinisch dreidimensional gewonnenen Messaufnahmen natürlich nur in zwei Ebenen darstellen kann, zeigte Müller die Erstellung eines virtuellen Quadrantenmodells im 3D-Modus, das die Morphologie der Ausgangssituation, die Präparation und die Okklusalflächen der Antagonisten enthielt.

In einer Live-Behandlung versorgten Dr. Klaus Wiedhahn sowie Zahnarzt Peter Neumann, Berlin, Patienten coram publico in einer Sitzung. Wiedhahn entfernte dem endodontisch vorbehandelten Zahn 46 eine insuffiziente Metallkrone und präparierte den Stumpf für eine vollanatomische Krone aus Lithiumdisilikat (e.max CAD). Mit der Artikulations-Ikone wurde neben dem Gegenbiss auch eine funktionelle Registrierung der Artikulationsbewegungen durchgeführt. Neumann versorgte ein Diastema regio 11 bis 21 mit zwei substanzschonenden Veneers aus Feldspatkeramik (VITA Mark II). Beide parallel durchgeführten Behandlungen konnten innerhalb von zwei Stunden vollständig abgeschlossen werden.

Implantatplanung präziser und einfacher

Eine bessere Abbildung anatomischer Strukturen bietet die digitale Volumentomographie (DVT), weil sie Knochen und Gewebe in Schichtaufnahmen aufnimmt und dreidimensional darstellt. Dr. Lutz Ritter, Köln, nannte die Einsatzgebiete und den Nutzen der 3D-Bildgebung. So ist das DVT in der Zahnmedizin indiziert für die orale und faziale Implantologie, zur Ortung verlagerter Weisheitszähne, in der Endodontie zum Auffinden taktil unentdeckter Wurzelkanäle, in der Parodontologie zur Erkennung der Knochensituation und periapikaler sowie knöcherner Läsionen und in der Kieferorthopädie für alveoläre Stellungsanomalien. Die DGZMK nennt als zusätzliche Indikationen odontogene Tumore, Ostitis, Osteomyelitis, Kieferhöhlenerkrankungen, Speichelsteine und Kiefergelenkserkrankungen.

Die Implantatplanung mit dem DVT sowie die chirurgische und die prothetische Ausführung thematisierte PD Dr. Andreas Bindl, Zürich. Mit dem DVT (Galileos) wird die Struktur des Kieferknochens strahlungsarm (19-48 ìSv, Mikro-Sievert) dreidimensional abgebildet. Auf Basis von 200 Schichtaufnahmen wird dadurch eine deutlich höhere Qualität der Befundung ermöglicht, verbunden mit der exakten Ortung von anatomischen Strukturen. Für die prothetische Planung werden das Implantatgebiet und die angrenzenden Nachbarzähne mit der Cerec AC Aufnahmeeinheit intraoral gescannt und ein virtuelles Modell gerechnet. Dieses Modell wird vom Volumentomogramm überlagert; es erfolgt eine exakte Positionierung des Enossalpfeilers, der Suprastruktur und der Implatatkrone im 3D-Bild. Die Position des Implantats wird im Mittelpunkt der Kronengrundfläche und in deren Einschubrichtung vorgeschlagen (Abbildung 3). Bei Auswahl des für den konkreten Fall vorgesehenen Implantatsystems kann die Situation mit dem DVT komplett geplant werden.

Vollkeramik und Kunststoff

Der Einsatzbereich vollkeramischer Werkstoffe ist ständig gewachsen. Laut PD Dr. Sven Reich, Universität Leipzig, sind gepresste und CAD/CAM-geeignete Silikatkeramiken besonders geeignet für Inlays, Onlays, Teilkronen, Veneers und Kronen bis zum zweiten Prämolar und dominieren mit ihrer Ästhetik. Oxidkeramiken (Al 2 O 3 , ZrO 2 ) sind aufgrund ihrer opaken Struktur für Kronen- und Brückengerüste im Front- und im Seitenzahngebiet das Material der Wahl und erfordern eine Verblendung. Zwischen diese Positionen hat sich Lithiumdisilikatkeramik gesetzt; die Kristallisationssinterung erhöht deutlich die Biegefestigkeit und erlaubt, laut Reich, auch die Verwendung für Kronen im Seitenzahngebiet. Lithiumdisilikat kann vollanatomisch ausgeschliffen werden und erfordert keine zusätzliche Verblendung.

Mit dem Referat „Ästhetik und Funktion mit Komposit anstatt Keramik“ demonstrierte Prof. Bernd Klaiber, Würzburg, dass eine Versorgung mit Komposit mit begrenzter Ausdehnung immer dann angezeigt ist, wenn ästhetische Ansprüche dominieren und andere Restaurationswerkstoffe einen größeren Substanzverlust zur Schaffung einer ausreichenden Retention erforderlich machen oder wenn aus Gründen der Stabilität extensive Materialmindeststärken nötig sind. Hierbei können minimal-invasive oder sogar non-invasive Vorgehensweisen genutzt werden. So haben sich Umwandlungen von unharmonischen Zahnformen mit Komposit im ästhetisch sensiblen Frontzahnbereich klinisch bewährt (Abbildung 4). Vorteil der minimal-invasiven oder non-invasiven Massnahmen ist, dass sie bei einem ästhetischen oder funktionellen Misserfolg mit Ausnahme der Ätzmuster weitgehend rückgängig gemacht werden können.

Ideen für morgen

Einen Ausblick auf künftige Digitallösungen in Praxis und Labor bot Dr. Joachim Pfeiffer, Bensheim. Mit der Teilkiefervermessung wurde die „digitale Werkbank“ von der Praxis ins ZT-Labor extendiert. Mit der Software Cerec Connect ist künftig eine abdruckfreie Zusammenarbeit mit dem Partnerlabor möglich. Zahnärzte können nun allein mit der Aufnahmeeinheit digital abformen und die Datensätze der Quadranten für Inlays, Onlays, Teilkronen und Kronen an das ZT-Labor Ihrer Wahl zum Konstruieren, Ausschleifen und gegebenenfalls zum Verblenden geben. Im Pflichtenheft der Entwickler stehen die Ganzkieferaufnahme für die Funktionsdiagnostik, die Weiterentwicklung der Implantatprothetik und neue Funktionen für die zahnärztliche Diagnostik und zur Fertigung von herausnehmbarem Zahnersatz.

Manfred KernDeutsche Gesellschaft für computergestützteZahnheilkunde e.V. (DGCZ)Karl-Marx-Strasse 12412034 Berlinm.kern-dgcz@t-online.de

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