Musterberufsordnung

Berufsrecht fortgeschrieben

Eine Aktualisierung der Musterberufsordnung (MBO) aus dem Jahr 2005 hat der BZÄK-Vorstand in seiner Sitzung im Mai 2010 beschlossen. Die Arbeitsgruppe „Musterberufsordnung“, der neben dem BZÄK-Justitiar sechs Kammer-Geschäftsführer angehören und die bereits den seinerzeitigen Entwurf erarbeitet hatte, hat seither die Entwicklungen in Rechtsprechung und Gesetzgebung beobachtet, regelmäßig etwaigen Änderungsbedarf geprüft und die Notwendigkeit neuer Akzente diskutiert. Die für die Berufsaufsicht zuständigen Länder kammern wurden einbezogen. Im Zuge der Debatte um einen eigenen Ethik-Kodex wurde der Musterberufsordnung auf Beschluss des Vorstands das Genfer Gelöbnis in einer auf die zahnärztliche Berufsausübung angepassten Form vorangestellt.

In seiner Einleitung zum Kommentar der ärztlichen Musterberufsordnung beklagt Hans-Dieter Lippert, dass die Berufsordnung unter Ärzten – gelinde gesagt – einen erstaunlich geringen Bekanntheitsgrad genieße. Dabei normiert sie die ärztlichen Berufspflichten und stellt Verhaltensregeln für den kollegialen Umgang untereinander sowie für das Verhältnis zu Patientinnen und Patienten und anderen Partnern im Gesundheitswesen auf. Auf Basis dieses Verhaltenskodex soll das Vertrauen zwischen Ärzten und Patienten erhalten und gefördert werden, soll die Qualität der ärztlichen Tätigkeit im Interesse der Gesundheit der Bevölkerung gewährleistet, die Freiheit und das Ansehen des Arztberufes gewahrt, berufswürdiges Verhalten gefördert sowie berufsunwürdiges Verhalten verhindert werden.

Ethischer Anspruch

Diesen ethischen Anspruch brachte auch die bisherige Präambel der Musterberufsordnung für die deutschen Zahnärztinnen und Zahnärzte (MBO) zum Ausdruck. Ausdrücklich wurde dort der Gemeinwohlanspruch zahnärztlicher Berufsausübung formuliert. Nach intensiver Diskussion hat der Vorstand der BZÄK diesem Wertekanon nunmehr eine Selbstverpflichtung des Zahnarztes in Form des Genfer Gelöbnisses vorangestellt. Es bleibt offen, an welcher Stelle und in welcher Form der einzelne Berufsträger dieses Gelöbnis abgibt – Handlungsspielraum, den die Kammern vor Ort gestalten können.

Zu den Neuerungen zählt die Ausweitung des Geltungsbereichs der Berufsordnung auch auf alle „vorübergehend und gelegentlich“ im Geltungsbereich der Berufsordnung zahnärztlich tätigen Berufsangehörigen. Angesprochen sind damit Zahnärzte aus den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die – ohne die deutsche Approbation zu besitzen und ohne beziehungsweise nur „pro forma“ Kammermitglied zu sein – in Deutschland ihren Beruf ausüben dürfen. Damit trägt die Berufsordnung der zwischenzeitlich in Kraft getretenen europäischen Berufsqualifikations-Richtlinie Rechnung, die diese Form der nicht dauerhaften Berufsausübung zulässt. Zu den Präzisierungen der allgemeinen Berufspflichten zählt, dass der Zahnarzt nicht nur das Recht seiner Patienten auf freie Arztwahl zu achten hat. Der Patient hat auch Anspruch darauf, den Namen des ihn behandelnden Zahnarztes zu erfahren. Mit der Zunahme von angestellten Zahnärztinnen und Zahnärzten in den Praxen erschien ein solcher Hinweis im Interesse des Patientenschutzes sinnvoll.

Präzisiert wurde auch die Regelung zur Annahme von Vergütungen oder sonstigen wirtschaftlichen Vergünstigungen bei Verordnung und Empfehlung von Heil- oder Hilfsmitteln. Die neue Regelung in Paragraph 2 Abs. 7 MBO bezieht nun auch Arzneimittel mit ein und verschärft die bisherige Bestimmung dahingehend, dass auch das Versprechen oder die Annahme vermögenswerter Vorteile für Dritte, also zum Beispiel Angehörige oder Mitarbeiter, ausgeschlossen wird. Im Hinblick auf die Vermittlung zahnärztlicher Dienstleistungen über Internetportale wurde folgende Bestimmung neu in die Berufsordnung aufgenommen: „Es ist dem Zahnarzt nicht gestattet, für die Zuweisung und Vermittlung von Patienten ein Entgelt zu fordern oder andere Vorteile sich versprechen oder gewähren zu lassen oder selbst zu versprechen oder zu gewähren“, Paragraph 2 Abs. 8 MBO. Ihre „Feuertaufe“ haben solche „Marktverhaltensregelungen“ der Berufsordnung – in diesem Fall der bayerischen – zuletzt durch Entscheidungen des Oberlandesgerichts München vom 13. März 2008 (AZ 6 U 1623/07) zur Internet-Plattform „2te Zahnarztmeinung“ bestanden.

Haftpflichtnachweis

Verschärft wurde auch die Regelung zum Gebot einer Haftpflichtversicherung. Ähnlich wie bei den Rechtsanwälten muss der Zahnarzt bei seiner Meldung zur Kammer, dann aber auch jederzeit „auf Verlangen“ der Kammer eine Berufshaftpflichtversicherung nachweisen. Zu den weiteren Änderungen zählt die Neuformulierung in Paragraph 9 Abs. 4 MBO, wonach der Zahnarzt bei Ausübung einer anderen beruflichen Tätigkeit für die sachlich, räumlich und organisatorisch erkennbare Trennung von seiner zahnärztlichen Tätigkeit sorgen muss. Im Hinblick auf erhebliche praktische Schwierigkeiten wurden die Vorgaben zur elektronischen Dokumentation verändert. Bislang war bei Übergabe der Praxis grundsätzlich eine schriftliche Einverständniserklärung der betroffenen Patienten zur Übergabe der Patientenunterlagen an den Nachfolger erforderlich. Nunmehr lautet die Bestimmung in Paragraph 12 Abs. 5 MBO: „Nach Aufgabe oder Übergabe der Praxis hat der Zahnarzt unter Beachtung der datenschutzrechtlichen Bestimmungen seine zahnärztlichen Dokumentationen aufzubewahren oder dafür Sorge zu tragen, dass sie ordnungsgemäß verwahrt werden. Zahnärzten, denen bei einer Praxisaufgabe oder Praxisübergabe zahnärztliche Dokumentationen in Verwahrung gegeben werden, müssen diese Unterlagen getrennt von den eigenen Unterlagen unter Verschluss halten und dürfen sie nur mit Einverständnis der Patienten einsehen oder weitergeben.“

Kooperation mit Dritten

Eine Fortentwicklung erfuhren die Regelungen zur Zusammenarbeit mit Dritten (3. Abschnitt der MBO). Statt der Negativabgrenzung zur gewerblichen Berufsausübung ist nunmehr positiv formuliert, dass die „eigenverantwortliche, fachlich unabhängige sowie freiberufliche Berufsausübung“ gewährleistet werden muss. Neu aufgenommen wurde in Paragraph 17 a MBO eine Regelung zu „Zahnheilkundegesellschaften“. In Anlehnung an bereits bestehende kammergesetzliche Regelungen heißt es jetzt: „Juristische Personen des Privatrechts, welche die Ausübung der Zahnheilkunde bezwecken, können, soweit sie der Berufsaufsicht der Kammern unterliegen, nur von Zahnärzten und Angehörigen der in Paragraph 17 Abs. 1 genannten Berufe begründet und betrieben werden.“ Dazu zählen selbstständig Tätige und zur eigenverantwortlichen Berufsausübung berechtigte Angehörige anderer Heilberufe oder staatlicher Ausbildungsberufe im Gesundheitswesen in den rechtlich zulässigen Gesellschaftsformen, wenn ihre eigenverantwortliche, fachlich unabhängige sowie freiberufliche Berufsausübung gewährleistet ist.

Weiter müssen – nach Paragraph 17 a MBO – zahnärztliche Gesellschafter in solchen Gesellschaften auch zahnärztlich tätig sein. Ebenso muss gewährleistet werden, dass die Gesellschaft verantwortlich von einem Zahnarzt geführt wird. Geschäftsführer müssen mehrheitlich Zahnärzte sein. Außerdem muss die Mehrheit der Gesellschaftsanteile und der Stimmrechte Zahnärzten zustehen. Dritte sollen nicht am Gewinn der Gesellschaft beteiligt werden. Die BZÄK folgt damit einem Weg, den die Rechtsanwälte bereits vor Jahren beschritten haben und der in der Bundesrechtsanwaltsordnung auch den „Segen des Gesetzgebers“ gefunden hat. Ziel ist, der Ökonomisierung des Freien Berufs einen Riegel vorzuschieben. Gespannt darf man in diesem Zusammenhang die Diskussion der Politik über die Neukonstruktion der Medizinischen Versorgungszentren verfolgen. Leider besteht wenig Hoffnung, dass der zugrunde liegende Gedanke, insbesondere die Therapiefreiheit angestellter Ärzte und Zahnärzte zu erhalten, allerorten nachvollzogen wird. Änderungen hat es in der MBO auch bei den Vorgaben für angestellte Zahnärzte gegeben. So darf künftig über die Beschäftigung angestellter Zahnärzte bei öffentlichen Ankündigungen nur mit dem Hinweis auf das Anstellungsverhältnis informiert werden (Paragraph 18 Abs. 4 Neu MBO). Diese Regelung erschien auch aus Haftungsgründen zum Schutz des angestellten Zahnarztes sinnvoll.

Sachliche Information statt Anpreisung

Trotz fortschreitender Kasuistik im Hinblick auf das zahnärztliche Werberecht konnten die entsprechenden Bestimmungen der Musterberufsordnung fast unverändert bleiben. Eine Präzisierung hat Paragraph 21 Abs. 2 MBO dahingehend erfahren, dass sachliche Informationen über die Berufstätigkeit nur gestattet sind, soweit sie „keine Gefahr einer Verwechslung mit Fachgebietsbezeichnungen“ begründen oder sonst irreführend sind. Hier wird auch auf die aktuelle Rechtssprechung Bezug genommen. Gleiches gilt für das Verbot, eine Einzelpraxis sowie eine Berufsausübungsgemeinschaft als „Akademie, Institut, Poliklinik, Ärztehaus oder als ein Unternehmen mit Bezug zu einem gewerblichen Betrieb“ zu bezeichnen. Herausgenommen wurde aufgrund einschlägiger Urteile, nicht zuletzt des Bundesverfassungsgerichts, der Begriff „Zentrum“.

Ergänzungen waren im Hinblick auf das Praxisschild notwendig. Mit der Möglichkeit, Zweigpraxen zu errichten, ergab sich auch die Notwendigkeit einer Festlegung, dass an jedem Praxisort Name und Berufsbezeichnung des Zahnarztes anzugeben sind sowie (neu) „im Falle einer Zahnheilkundegesellschaft die jeweilige Rechtsform“, Paragraph 22 Abs. 2 Neu MBO. Schließlich hat auch die Regelung zum Praxisschild bei Praxisübernahme eine Ergänzung gefunden. Danach ist jetzt ein entsprechender Hinweis erforderlich, wenn das Praxisschild der übernommenen Praxis bis zu einem Jahr weitergeführt wird.

Funktionierende Selbstverwaltung

Auch wenn sich der mit dem Berufsrecht weniger versierte Laie fragen wird, ob ein Freier Beruf solche Regelungen denn überhaupt braucht, wird man doch zur Kenntnis nehmen müssen, dass es immer wieder zu Beanstandungen – nicht zuletzt aus dem Kreis der Berufskollegen – kommt, wenn bestimmte „Spielregeln“ vor Ort nicht befolgt werden. Insofern scheint der Verweis darauf, dass Recht auch friedensstiftenden Charakter hat, vielleicht mehr als bloß eine hehre Absichtserklärung. Auch die Debatte über neue gesetzliche Regelungen zum Patientenschutz sollte aus Sicht der zahnärztlichen Körperschaften mit dem nachdrücklichen Hinweis geführt werden, dass Selbstverpflichtungen des Berufsstandes gegenüber den Patientinnen und Patienten bestehen und auch befolgt werden. Gerade darin liegt ein wesentliches Moment des „vom Staat abgetrotzten“ (Taupitz) Berufsrechts.

Nicht der Staat, die Selbstverwaltung an dessen Stelle formuliert Berufspflichten im Kernbereich der zahnärztlichen Berufsausübung. Gerade was den letztgenannten Punkt angeht, wäre es sicher wünschenswert, wenn die Berufsordnung von den Länderkammern umgesetzt und von den Zahnärztinnen und Zahnärzten gelebt würde. Nur dann wird sie auf Dauer ihren Sinn behalten, nämlich das Berufsethos der deutschen Zahnärzteschaft verbindlich nach innen wie nach außen zu beschreiben.

Rechtsanwalt Peter KnüpperHauptgeschäftsführer derBayerischen LandeszahnärztekammerFallstr. 3481369 München

Die aktualisierte Musterberufsordnung ist unterwww.bzaek.deabrufbar.

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