Fachtagung in Berlin

Neues Leitbild für die Gesundheitswirtschaft

Soziale Gesundheitswirtschaft – von der Anbieter- zur Patientenorientierung“,so lautete der Titel einer Fachtagung der Friedrich-Ebert-Stiftung und der Dienstleistungsgewerkschaftver.di am 27.10.2011 in Berlin. Zu diesem Thema habenbeide Organisationen ein neues Konzept vorgestellt. Zur Umsetzung fordertendie Experten der Runde die Unterstützung der Politik, finanziert werden soll dasGanze über eine Bürgerversicherung.

Laut Konzept kann die Gesundheitswirtschaft politisch so gestaltet werden, dass die Versorgung besser, effizienter und gerechter wird und die Arbeitsbedingungen in den Gesundheitsberufen attraktiver. Dem bisher dominierenden Leitbild einer anbieterorientierten Gesundheitswirtschaft wolle man ein neues, bedarfs- und patientenorientiertes Leitbild entgegensetzen, hieß es bei der Vorstellung des Papiers in Berlin, das auf Basis einer zweijährigen Arbeit in zahlreichen Workshops entstanden ist. Zentrale Punkte seien der Ausbau der integrierten Versorgung, Prävention und die Finanzierung der Leistungen durch eine Bürgerversicherung. Ein leistungsfähiges Gesundheitssystem zahle sich auch wirtschaftlich aus und biete Chancen in allen Politikbereichen.

In ihrer Begrüßung machte Ruth Brandherm, Leiterin des Gesprächskreises Arbeit und Qualifizierung der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES), deutlich, dass die Studie Handlungsfelder aufgezeigt habe, um eine soziale Gesundheitswirtschaft umzusetzen, die am Wohle des Patienten ausgerichtet ist. Dadurch ergäben sich neue Impulse und Anregungen, um sich in die gesundheitspolitische Debatte einzuklinken.

Birgit Mickley, Geschäftsführerin der Gesellschaft für ganzheitliche Gesundheitslösungen, Berlin, und Mitautorin der Studie, verwies auf den Paradigmenwechsel im Gesundheitswesen. Die Gesundheitswirtschaft habe sich zu einer Wachstumsbranche und zu einem Jobmotor entwickelt. Nun gelte es, mit dem Konzept Pflöcke einzuschlagen und eine Handlungsperspektive hin zu mehr Patientenorientierung zu schaffen. Dazu gehöre die Schaffung qualifizierter Arbeitsplätze, eine faire Entlohnung, der Abbau von Gerechtigkeitslücken und eine solidarische Finanzierung. „Was braucht der Patient vor Ort wo?“ – so müsse die Fragestellung einer bedarfsorientierten Versorgung lauten. Dazu sei es wichtig, Multimorbidität und komplexe Versorgungsstrukturen im Blick zu behalten, denn Prävention und Gesundheitsförderung seien Querschnittsaufgaben.

Auf die Versorgung vor Ort ging auch PD Dr. Josef Hilbert, Geschäftsführender Direktor des Instituts Arbeit und Technik der Fachhochschule Gelsenkirchen, ebenfalls Mitautor der Studie, ein. Er unterstrich die Rolle von Gesundheitsregionen und nannte als Beispiel das Ruhrgebiet, wo durch den Strukturwandel im Gesundheitsbereich zahlreiche neue Arbeitsplätze entstanden seien. Gleiche Versorgung für alle sei hinsichtlich der immer älter werdenden Gesellschaft und der Probleme mit sozial benachteiligten Bevölkerungsgruppen ein zentrales Ziel, Instrumente dazu seien die integrierte Versorgung und Multiprofessionalität. Außerdem ergäben sich aus dem Gesundheitsbereich Brückenschläge hinein in andere Bereiche wie Wohnungswirtschaft, Sozialoder Bildungsarbeit. Die Gesundheitsbranche entwickele sich immer mehr zu einer Leitbranche für andere Bereiche wie Wohnen (Modelle für Seniorenbetreuung), Reisen (Wellness-Tourismus) oder Freizeit (Angebote für die Generation 50 +).

Herbert Weisbrod-Frey, Bereichsleiter Gesundheitspolitik beim Bundesvorstand von ver.di, kommentierte das Thema aus gewerkschaftlicher Sicht. Etwa 1 700 Tarifverträge würden im Gesundheitswesen betreut. Gute Patientenversorgung könne man nicht mit schlechten Arbeitsbedingungen erreichen. Nach Ansicht von Armin Lang, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten im Gesundheitswesen, Saarbrücken, erfordere es einen neuen Schub, um das Gesundheitssystem zu finanzieren. Er plädierte für das von der SPD favorisierte Modell einer Bürgerversicherung.

Positionen der Leistungserbringer- und Arbeitgeberseite kamen auf der Tagung so gut wie nicht zur Sprache. 

Josef Hilbert, Birgit  Mickley,  Michaela Evans: „Soziale Gesundheitswirtschaft – Mehr Gesundheit – gute Arbeit – qualitatives Wachstum“, Expertise im Auftrag der Abteilung Wirtschafts- und Sozialpolitik der Friedrich-Ebert-Stiftung, Bonn, 2011.http://library.fes.de/pdf-files/wiso/08567.pdf

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