Stiftunglife

Im burmesischen Delta

sf
Der pensionierte Berliner Zahnarzt Dieter Buhtz (64) ist von November bis Dezember 2012 nach Myanmar in Südostasien gereist. Drei Wochen hat er an Bord einer schwimmenden Klinik die Menschen vor Ort behandelt. Die Hitze und krasse Zahnzustände waren die größten Herausforderungen.

Am 2. Mai 2008 fegte Zyklon Nargis mit unvorstellbarer Gewalt über das Ayeyarwady-Delta in Myanmar hinweg. Mehr als eine Million Menschen waren über Nacht obdachlos. Durchzogen von Flüssen und Kanälen ist das Delta ein von der Regierung weitgehend vernachlässigtes und abgeschiedenes Gebiet. Die Menschen leben vom Reisanbau und vom Fischen. Wer vorankommen will, fährt mit dem Boot. So entstand die Idee, mit den Swimming Doctors eine mobile medizinische Grundversorgung anzubieten. Finanziert wird das Projekt von der Stiftung-life (www.stiftunglife.de) und Hapag-Lloyd. Ein Einsatz dauert drei Wochen. Danach gibt es eine Woche Pause.

Morgens ist der Kapitän der „Zawgyi“ meist der Erste, dem ich begegne. Ich bin als einziger Nicht-Burmese an Bord unterwegs im Delta des Ayeyarwady. Die Zawgyi, zu Deutsch „Vieltausendfacher Glücksbringer“, trägt den Namen eines alten burmesischen Zauberers und Magiers. Und wie dieser bewirken auch die Swimming Doctors immer wieder kleine Wunder und bringen den Menschen ein wenig Glück.

Unsere „Kreuzfahrt“ ins Delta soll uns für jeweils zwei Tage in zehn verschiedene Dörfer im Gebiet zwischen Pyapon und Kyaiklat führen. Behandelt wird den ganzen Tag – sieben Tage die Woche. Manchmal geht es bis spät in die Nacht. An anderen Tagen ist eher wenig zu tun. Die Notwendigkeit, den Lebensunterhalt zu verdienen bestimmt hier den Tagesablauf der Menschen und damit den Zeitpunkt, wann sie zum Arzt gehen.

Die Zawgyi ist ein umgebauter alter Reisfrachter. An Bord herrscht Enge. Es gibt aber sogar einen kleinen Operationsraum, in dem Pe Thej Aung, ein ehemaliger Militärarzt, assistiert von einer Schwester und einem Besatzungsmitglied Eingriffe durchführt und Geburten einleitet, nicht selten sogar per Kaiserschnitt. In der übrigen Zeit untersucht er die Patienten in der für die Zeit der Dorfaufenthalte umfunktionierten Kapitänskajüte der Zawgyi, die Koje des Kapitäns dient dabei als Untersuchungsliege. In einem weiteren Raum werden Ultraschalluntersuchungen an Schwangeren durch-geführt. Schließlich gibt es noch ein kleines Labor und den zahnärztlichen Behandlungsraum mit Dr. Sith Thu und Khaing Kyaw, der eigentlich der Koch der Zawgyi ist, aber nebenher als zahnärztlicher Assistent fungiert. Bisweilen sind selbst die Gänge verstopft. Wenn ein Familienmitglied zur Behandlung muss, geht der Rest der Familie mit, ob jung oder alt, teils aus Anteilnahme, als notwendige Begleitung oder auch nur aus Neugier. Sonst ist die Welt hinter der nächsten Flussbiegung zu Ende.

Kariestherapie bedeutet im Delta des Ayeyarwady vorrangig und nahezu alternativlos Extraktion, sowohl im Seiten- als auch im Frontzahnbereich. Viele Patienten stellen sich mit Fisteln, Abszessen und Granulomen vor. Ist die Pulpa bereits eröffnet, ist das Urteil über den Zahn in der Regel schon gefällt. Man trägt hier Lücke, gezwungenermaßen und durchaus sozialkompatibel. Nach wenigen Tagen aber überzeuge ich Sith Thu, neben den notwendigen Extraktionen auch den einen oder anderen erkrankten, aber immerhin noch erhaltenswerten Zahn in derselben Sitzung zu reparieren, selbst wenn die Patienten eigentlich nur wegen der Schmerzen an den extraktionsreifen Zähnen gekommen sind.

Am Ende der Mission ist es Zeit, ein Fazit zu ziehen: Habe ich etwas bewirken können? Nachhaltigkeit? Einen Wandel von der Extraktion hin zu Reparatur und Erhaltung? Die dankbaren Augen der Kinder und Erwachsenen kommen mir in den Sinn, die wir behandelt haben, ihre Freundlichkeit und ihr Frohsinn trotz aller Armut. Und plötzlich merke ich, dass ich meine Entscheidung längst getroffen habe: Ja, ich werde zurückkehren.

Dr. Dieter BuhtzBayernallee 39a14052 Berlindieterbuhtz@web.de

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