Leitlinien in der Zahnmedizin

Evidenz statt Eminenz

Vor rund einer Dekade noch von manchem Arzt und Zahnarzt skeptisch betrachtet, haben sich medizinische und zahnmedizinische Leitlinien heute in der Wissenschaft und in der Praxis zunehmend etabliert. Die Leitlinienerstellung ist ein komplexerProzess, zugute kommen sollen sie dem Arbeitsalltag in der Praxis. Wer stecktdahinter und warum? Welche Rolle spielen Wissenschaft und Standespolitik dabei?

Gabriele Prchala

Volltreffer. Wer bei Google das Stichwort „Leitlinien Zahnmedizin“ eingibt, wird zwar mit mehr als 40 000 Ergebnissen konfrontiert, aber er landet auch direkt auf zahnarztrelevanten fachlichen Seiten. Er findet Einträge der AWMF, der DGZMK, der ZZQ, der BZÄK und der KZBV. Und ist mittendrin in einer fachlichen Diskussion.

„Leitlinien sind für meinen Praxisalltag sinnvoll, weil sie mir den aktuellen Entwicklungsstand meines Faches zusammenfassen“, findet zum Beispiel Dr. Helmut Kesler, niedergelassener Zahnarzt in Berlin. Kesler plant, künftig Leitlinien in seiner Praxis zu implementieren. „In Zeiten, in denen das Patientenrechtegesetz vom Zahnarzt eine allumfassende Aufklärung abverlangt, können sie mir eine wichtige Unterstützung bei meiner alltäglichen Behandlungsaufklärung sein“, erklärt er im Gespräch mit den zm. „Daneben kann ich sie aber auch für die Umsetzung meines Praxis-QM unterstützend heranziehen.“ Einen weiteren Vorteil sieht Kesler darin, dass sie dem Behandler den notwendigen fallspezifischen Ermessensspielraum geben – und dem Patienten den für ihn wichtigen Spielraum zur Entscheidungsfindung.

Spielraum statt Goldstandard

Das Stichwort Spielraum ist dabei entscheidend. Leitlinien unterliegen – im Gegensatz zu Richtlinien (etwa denen des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA)) – keiner gesetzlichen Normierung, sie sind wissenschaftlich fundierte und für die Praxis konzipierte Handlungsempfehlungen (siehe Definition im Kasten). Sie dienen als Entscheidungshilfen für den Arzt und für den Patienten, um eine adäquate Versorgung im Alltag nach dem aktuellen fachlichen Stand der Medizin zu ermöglichen. Sie sind Leitfaden für die Qualität der Gesundheitsversorgung und geben Behandlungskorridore vor, von denen der Arzt im konkreten Fall auch abweichen darf. Dabei entsteht ein Spannungsfeld zwischen der Leitlinienempfehlung, der Erfahrung des Therapeuten und der Patientenpräferenz – einen Goldstandard gibt es hier nicht.

Obwohl nicht justiziabel, werden sie dennoch bei juristischen Verfahren zurate gezogen. Aber auch Patienten erwarten von ihnen Antworten und Hilfestellungen bei der Behandlungsentscheidung.

Generell sollte der praktizierende Arzt über die für sein Berufsfeld relevanten Leitlinien informiert sein, heißt es auf der Webseite des Ärztlichen Zentrums für Qualität in der Medizin (ÄZQ –www.leitlinien.de/leitlinien-grundlagen/rechtliche-aspekte). Er sollte ein begründetes Abweichen von den Leitlinien-Empfehlungen im Einzelfall im Rahmen der Patientendokumentation festhalten.

Was die Zahnmedizin betrifft, liegen zurzeit 13 abgeschlossene Projekte über zahnärztliche Leitlinien vor (Übersicht siehe Kasten), weitere sind angemeldet. Einige von ihnen sind bereits veröffentlicht, einige erfahren gerade ein Upgrade. Verfügbar sind meist eine Kurzfassung, eine Langfassung und eine Patientenversion. Aufgrund der hohen Qualitätsanforderungen an eine Leitlinie ist deren Entwicklung inzwischen sehr aufwendig geworden – mit einem durchschnittlich zweijährigen Entstehungsprozess bei diffiziler Konsensusfindung unter einer Vielzahl von beteiligten Experten.

Hilfestellung für den Praxisalltag

„Gerade für niedergelassene Zahnärzte wird es immer schwieriger, unterschiedliche wissenschaftliche Studien, oft auch englischsprachige, regelmäßig zu sichten und sein Wissen auf dem Laufenden zu halten,“ sagt der neue Leiter des Instituts der Deutschen Zahnärzte (IDZ), PD Dr. Rainer Jordan. Oft seien Kollegen im Arbeitsalltag damit überfordert, ihr Wissen ständig aufzufrischen, Leitlinien böten da Hilfestellung. Schaue man auf die Entwicklung der vergangenen 20 Jahre, so sei man heute mit der Leitlinienentwicklung auf dem richtigen Weg. Während damals noch je nach Lehrstuhl und Universität verschiedene Einzelmeinungen zu einem Thema nebeneinander existierten – Jordan spricht von „eminence based dentistry“ – böten Leitlinien heute ein objektivierbares Wissen. Hier fänden auch kontroverse Forschungsergebnisse in einem Konsensusprozess zusammen.

Jordan verweist aber auch auf Probleme mit der Leitliniendiskussion: Je weiter Praxisprozesse reguliert würden, desto mehr schränkten sie die Therapiefreiheit des Zahnarztes ein. Wichtig sei deshalb, zu klären, wie man mit Leitlinien umgeht. Die große Frage sei, welche Implementierung die beste sei, wie sich dadurch das Behandlungsverhalten verändere und wie das Instrumentarium Leitlinie bei Zahnärzten und Patienten Anerkennung finde. Zu diesem Fragekomplex sei ein Forschungsprojekt des IDZ gemeinsam mit dem Zentrum Zahnärztliche Qualität (ZZQ) geplant.

Wurzeln liegen in der Evidenzbasierung

Der Ursprung der Leitlinienentwicklung sind – vor dem Hintergrund der zunehmenden Verwissenschaftlichung der (zahn-)medizinischen Praxis – die Evidenzbasierte Medizin und die EvidenzbasierteZahnmedizin (EbM/EbZ). Aus dem anglo-amerikanischen Raum stammend, werden EbM und EbZ inzwischen in der Fachwelt als feste Größen angesehen [J.C. Türp, G. Antes: „Evidenzbasierte Zahnmedizin – aktueller Stand“, Deutsche Zahnärztliche Zeitschrift 2013, 68 (2), S. 72-75]. Die systematische Evidenzrecherche und die Aufbereitung von systematischen Reviews stützen den Wissenstransfer von der Wissenschaft in die Praxis. Als Vehikel dient die Implementation von Leitlinien.

Medizinische Leitlinien sind zu unterscheiden von systematischen Übersichtsarbeiten und HTA-Berichten (Health Technology Assessments). In manchen Ländern wird ihnen eine Schlüsselrolle als Steuerungsinstrument im Gesundheitswesen zugemessen, was zunehmend auch ökonomische Aspekte tangiert [Dieter Hardt (Hrsg.): Klinische Leitlinien und Recht, Baden-Baden, 2005, S. 18]. Die Fachliteratur differenziert deshalb zwischen medizinischen Leitlinien (clinical practical guidelines) und Allokations-Leitlinien (allocation guidelines). Der Sachverständigenrat zur Begutachtung im Gesundheitswesen hatte in seinem Gutachten 2000/2001 [Band II, Kapitel 2.4, svr-gesundheit.de] den Einsatz von Leitlinien in der Routineversorgung empfohlen.

Nicht zuletzt im Zuge des gesetzlich gesteckten Rahmens für Qualitätssicherung in der gesundheitlichen Versorgung sind Leitlinien in den Fokus von Politik und Standespolitik gerückt.

Komplexer systematischer Entstehungsprozess

Leitlinien – das gilt für die Medizin wie für die Zahnmedizin gleichermaßen – werden in einem definierten, komplexen, systematischen Prozess erstellt. Einbezogen sind Fachleute, Vertreter verschiedener Fachbereiche und Arbeitsgruppen sowie Patientenvertreter und potenzielle Anwender. Es gibt drei Kategorien von Empfehlungen (Stufenklassifikationsschema der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF)):

• S1: Handlungsempfehlungen von Experten im informellen Konsens

• S2: Konsensbasierte Leitlinien-Empfehlungen: Die S2-Leitlinien stützen sich entweder auf eine formale Konsensusfindung (S2k-LL) oder auf eine systematische Evidenzrecherche (S2e-LL).

• S3: Evidenz- und konsensbasierte Leitlinie: Das Gremium ist repräsentativ, es erfolgen eine systematische Evidenzbasierung und ein formalisiertes Konsensverfahren.

„In den Konsensusprozessen geht es darum, die verfügbare Evidenz aus Studien zu bewerten und unter Abwägung von Nutzen und Schaden für den Patienten Handlungsempfehlungen zu entwickeln, die auf den Versorgungsalltag zugeschnitten sind“, erklärt Dr. Regine Chenot, Leiterin des Zentrums Zahnärztliche Qualität (ZZQ). Das ZZQ ist eine Stabsstelle im Institut der Deutschen Zahnärzte und wird gemeinsam von den beiden Standesorganisationen BZÄK und KZBV getragen.

Im ärztlichen Bereich gibt es Nationale Versorgungsleitlinien (NVL) über einen Behandlungspfad. Sie werden von der Bundesärztekammer, der AWMF und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung herausgegeben. Das Ärztliche Zentrum für Qualität in der Medizin in Berlin (ÄZQ) koordiniert im Auftrag der drei Organisationen das Programm für Nationale Versorgungsleitlinien (NVL-Programm). Derzeit bestehen versorgungsübergreifende NVL zu Krankheiten mit hoher Relevanz wie etwa Asthma, COPD, Diabetes mellitus, der Koronaren Herzkrankheit, Kreuzschmerz, Herzinsuffizienz oder Depression.

Der Gesundheitsausschuss des Europarats hat außerdem Empfehlungen zu Leitlinien herausgegeben. Eine internationale Einbindung des gesamten Prozesses erfolgt durch das Guidelines International Network (G-I-N).

Zahnmedizin stark involviert

An der Entwicklung von zahnärztlichen Leitlinien sind in Deutschland folgende Institutionen beteiligt:

• Die AWMF mit ihren 163 wissenschaftlichen Fachgesellschaften aus allen Bereichen der Medizin, auch der Zahnmedizin: Sie führt die Organisation und Grundlagenarbeit durch und hat ein strukturiertes und sehr ausgefeiltes Verfahren zur Leitlinien- erstellung entwickelt – das AWMF-Regelwerk, quasi eine Leitlinie der Leitlinien. Den Kern dieses Regelwerks bildet das Deutsche Leitlinienbewertungsinstrument DELBI, eine Orientierungshilfe, die sicherstellt, dass eine Leitlinie international gültigen Standards entspricht.

• Die Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK): Um Autoren von Leitlinienprojekten bei ihrer Arbeit zu unterstützen, stellt die DGZMK für die Leitlinienentwicklung ein Ablaufschema zur Verfügung, das mit Unterstützung der AWMF und des ZZQ entwickelt wurde. Die Leitlinienbeauftragte der DZGMK, Dr. Kristina Selbach, fungiert als Koordinationsstelle.

• Das Zentrum Zahnärztliche Qualität (ZZQ): Ein Arbeitsschwerpunkt des ZZQ ist die Koordination bei der Erstellung von zahnärztlichen Leitlinien. Das ZZQ ist auch international vernetzt, zum Beispiel im G-I-N. Es evaluiert Leitlinien, nimmt eine Priorisierung der Themen vor, koordiniert Autorengruppen und ist für die Durchführung von strukturierten Konsensusverfahren verantwortlich. Das ZZQ veröffentlicht die Leitlinien im Internet und in Broschürenform für Zahnärzte und als Patienteninformation, fördert die Implementierung von Leitlinien im zahnärztlichen Berufsalltag und sorgt für eine kontinuierliche Aktualisierung.

• Die Task Force Qualität, bestehend aus Vertretern der DGZMK, der BZÄK, der KZBV und des ZZQ: Hier liegt sozusagen die Schaltstelle für die Leitlinienentwicklung in der Zahnmedizin. Themen werden auf ihre Relevanz geprüft und priorisiert. Leitlinienarbeit geschieht also aus dem Berufsstand für den Berufsstand.

Raus aus dem Nischendasein

„Schon längst ist die Befürchtung, Nischenmeinungen aus dem Elfenbeinturm würden sich in Leitlinien auf breiter Basis manifestieren, nicht mehr gerechtfertigt“, erklärte der Präsident der DGZMK, Prof. Dr. Dr. Henning Schliephake, gegenüber den zm. Er verweist auf den Konsensusprozess, Radikalmeinungen könnten sich hier nicht durchsetzen, da der Konsens auf breiter Basis getroffen werde. Aufgabe der DGZMK sei es, das Leitliniengeschäft anzustoßen, Aufrufe zu starten und das Geschehen zu koordinieren. Der Impetus für eine neue Leitlinie komme aus den wissenschaftlichen Fachgesellschaften mit Blick auf die Versorgungsrealität. Die Entstehung einer Leitlinie dauere etwa zwei Jahre, nach drei bis fünf Jahren werde sie dann nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft überarbeitet.

Leitlinien hätten inzwischen die klassischen DGZMK-Stellungnahmen abgelöst, da die Ergebnisse auf breiterer wissenschaftlicher Basis stünden, so Schliephake weiter: Daneben gebe es wissenschaftliche Mitteilungen der Fachgesellschaften, also vorläufige Stellungnahmen, bei denen ein Expertenkonsens zu einem aktuellen Thema herbeigeführt wird. Auch bei Studierenden werde das Thema Leitlinien stark nachgefragt.

Priorisierung mit Blick auf den Praxisalltag

Nach der Priorisierung in der Task Force Qualität werden alle zahnärztlichen Leitlinienvorhaben bei der AWMF angemeldet. Dazu gibt es Anmeldeformulare und Ablaufschemata (je nach S1, S2 oder S3) auf der Webseite der DGZMK (www.dgzmk.de). Die Formulare werden an die AWMF weitergeleitet. Bei priorisierten Leitlinien gibt es die Möglichkeit einer finanziellen Förderung. Dazu haben DGZMK, KZBV und BZÄK Grundsätze zur gemeinsamen Finanzierung von Leitlinienvorhaben entwickelt.

In den zahnärztlichen Standesorganisationen wird die Leitlinienentwicklung mit Blick auf den Versorgungsalltag in der zahnärztlichen Praxis intensiv begleitet. So hat die BZÄK im Vorstand ein eigenes Ressort eingerichtet, das vom hessischen Kammerpräsidenten Dr. Michael Frank geleitet wird. Seitens der KZBV ist die Abteilung Qualitätsförderung unter Federführung des stellvertretenden Abteilungsleiters Dr. Jörg Beck mit dem Prozess betraut.

Konzentration auf die wichtigsten Themen

Frank hebt die Wichtigkeit der Zusammenarbeit mit der DGZMK bei der Leitlinienerstellung hervor. Anfängliche Reibungspunkte seien abgebaut, die Arbeit laufe gut. „Wir nutznießen vom Input aus den Fachgesellschaften“, betont Frank. Allerdings sei es wichtig, dass nicht zu viele Leitlinien erstellt werden. „Es bringt nichts, eine unübersehbare Flut von Leitlinien zu erstellen. Das führt zur Unübersichtlichkeit für den Praktiker. Stattdessen haben wir uns in der Zahnmedizin auf die wichtigsten Themen konzentriert, es sind niemals mehr als zehn Themen in Arbeit.“ Auch sei es manchmal sinnvoller, zunächst nur eine wissenschaftlichen Mitteilung zu erstellen. Denn: „Nicht jedes Thema taugt zur Leitlinie, oft genügt dem Zahnarzt auch schon eine Expertenmeinung zur Entscheidungsfindung.“

Prof. Dr. Christoph Benz, Vizepräsident der BZÄK und im Geschäftsführenden Vorstand zuständig für das Thema, empfiehlt den Kollegen, sich mit der Leitliniendiskussion auseinanderzusetzen. Vor allem bisherigen Skeptikern rät er zu einem „entspannten Umgang“ mit dem Thema. „Wer eine Leitlinie liest, stellt oft fest: Das habe ich doch immer schon so gemacht!“ Gerade in der jüngeren Generation beobachte er ein wachsendes Interesse an dem Bereich für die tägliche Arbeit. Es werde von Vorteil angesehen, sich nicht erst mühselig durch Literaturrecherchen in Bibliotheken oder Datenbanken auf den fachlich aktuellen Stand der Dinge zu bringen, sondern bei der gezielten Suche im Netz Leitlinien zu finden, die den „State of the Art“ zusammenfassen.

Ausgerichtet auf das Versorgungssystem

Der Vorsitzende der KZBV, Dr. Jürgen Fedderwitz, unterstreicht, dass Leitlinien auf das Gesundheits- und Versorgungssystem ausgerichtet sind. Der Stand des Wissens sei immens, zu beachten sei, dass in verschiedenen Ländern unterschiedliche nationale Leitlinien zum Tragen kommen. Zu unterscheiden sei auch zwischen Leitlinien und Richtlinien. Aus Sicht der Standespolitik sei darauf zu achten, dass gerade auch in Zusammenarbeit mit anderen Disziplinen zahnärztliche Belange mit berücksichtigt werden. Als kritisches Beispiel nannte er aus aktuellem Anlass den Entwicklungsprozess der Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene zur Wasserqualität von Dentaleinheiten, die allerdings noch in Bearbeitung sei. Aus Sicht der KZBV sei hier der Eindruck entstanden, dass die Industrie dort ihre Interessen durchsetzen wolle.

Fedderwitz lobt die gemeinsame Arbeit in der Task Force Qualität. Hier könne im Vorfeld viel Wildwuchs und Unnötiges verhindert werden. Vieles, was für den Berufsstand förderlich sei, werde hier aktiv begleitet. Auch sei es hilfreich, wenn die oft konträren Blickwinkel verschiedener Disziplinen zum Konsens zusammengeführt würden.

Leicht umsetzbare Strukturen

Was bleibt, ist die Realität des Zahnarztes in der Praxis. Im Spannungsfeld zwischen der wissenschaftlichen Empfehlung, der zahnärztlichen Erfahrung und dem Wunsch des Patienten wird hier die Therapieentscheidung gefällt. Und es ist sicherlich auch Aufgabe der Versorgungsforschung, geeignete Strategien zu finden, damit die theoretischen Erkenntnisse aus der Wissenschaft auch in der Praxis ankommen.

Dazu nochmals der Berliner Zahnarzt Helmut Kesler: „Damit neue Leitlinien zukünftig eine möglichst hohe Akzeptanz im Alltag erfahren, sollte bei deren Erarbeitung ein besonderes Augenmerk auf eine möglichst praxisnahe und leicht umsetzbare Struktur gelegt werden, die sowohl den Interessen der Patienten als auch den Bedürfnissen der Zahnärzten Rechnung trägt.“

Info

Definition Leitlinien

Das Zentrum Zahnärztliche Qualität (ZZQ) definiert Leitlinien folgendermaßen: „Leitlinien sind systematisch entwickelte Entscheidungshilfen für angemessene ärztliche beziehungsweise zahnärztliche Vorgehensweisen bei Präventionsmaßnahmen und bei speziellen gesundheitlichen Problemen.

Sie stellen einen durch definiertes, transparent gemachtes Vorgehen erzielten Konsens mehrerer Experten aus verschiedenen Fachbereichen und/oder Arbeitsgruppen dar. Leitlinien sind für Zahnärzte rechtlich nicht bindend und haben daher weder haftungsbegründende noch haftungsbefreiende Wirkung. Sie sind Orientierungshilfen im Sinne von „Handlungs- und Entscheidungskorridoren“ und sie sind Instrumente der Qualitätssicherung und des Qualitätsmanagements. Sie sollen Behandlungsrisiken minimieren und zu einer wissenschaftlich begründeten, ärztlichen Vorgehensweise motivieren und zugleich die Bedürfnisse und Einstellungen der Patienten berücksichtigen.“

Info

Praxistauglich

Eine Studie des Instituts der Deutschen Zahnärzte (IDZ-Information 4/2008) ergab: Zahnärzte zeigen eine große Aufgeschlossenheit im praktischen Umgang mit Leitlinien.

Mehr unter:www.idz-koeln.de

Info

Überblick: Aktuelle Leitlinien in der Zahnmedizin

Unter Federführung der DGZMK

• Fissuren- und Grübchenversiegelung (ZZQ), gültig bis 05/2015, S3

• Fluoridierungsmaßnahmen zur Kariesprophylaxe (ZZQ), S2k, gültig bis 1/2018, auf den Webseiten von AWMF, DGZMK und ZZQ veröffentlicht

• Operative Entfernung von Weisheitszähnen (ZZQ), gültig bis 12/2017, veröffentlicht auf den Webseiten von AWMF, DGZMK und ZZQ sowie in den zm, S2k

• Indikation für radiologische 3-D-Diagnostik und navigierte Implantatinsertion (DGI), gültig bis 12/2013, Veröffentlichung in DZZ 06/2012, S2k

• Festsitzender Zahnersatz für zahnbegrenzte Lücken, gültig bis 07/2017, Ver-öffentlichung in DZZ 10/2012, S1

• Implantologische Indikationen für die Anwendung von Knochenersatzmaterialien (DGI), gültig bis 07/2015, Veröffentlichung in DZZ 02/2013, S2k

• Dentale Volumentomographie, gültig bis 2018; S2k Unter Beteiligung der DGZMK

• Diagnostik und Management von Vorläuferläsionen des oralen Plattenepithelkarzinoms in der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, gültig bis 12/2015; Federführung ZZQ und DGMKG, S2k

• Wurzelspitzenresektion (ZZQ), wird derzeit aktualisiert; Federführung DGMKG, S2

• Empfehlungen zur zahnärztlich-chirurgischen Sanierung vor Herzklappenersatz (DGMKG/DGZMK), Federführung DGMKG und DGZMK, gültig bis 03/2017, Veröffentlichung in DZZ 07/2012, „Der MKG-Chirurg“ 03/2012, S2k

• Bisphosphonat-assoziierte Kiefernekrosen, gültig bis 04/2015, Veröffentlichung auf den Webseiten von AWMF, DGZMK, zm, S3

• Umgang mit Patienten mit nicht-spezifischen, funktionellen und somatoformen Körperbeschwerden (DGPM, DKPM), gültig bis 03/2017, Veröffentlichung auf den Webseiten von AWMF und DGZMK, S3

• Diagnostik und Therapie des Mundhöhlenkarzinoms, gültig bis 12/2015, S3

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