Stammzellen für die Zahnmedizin

Regeneration der dentalen Pulpa

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Regenerative Strategien und Verfahren im Bereich des Tissue Engineering haben sich in den vergangenen Jahren stark entwickelt. In diesem Zusammenhang gibt es Bestrebungen, Aktuelles aus der Stammzellforschung auch in der Zahnheilkunde gewinnbringend einzusetzen. Derzeit wird aktiv an der Entwicklung von Verfahren geforscht, durch die zukünftig die Wurzelkanalbehandlung in der heutigen Form zumindest in ausgewählten Fällen durch regenerative Verfahren verdrängt werden könnte. Ein Überblick zeigt interessante Perspektiven auf.

Kerstin Galler

Der menschliche Zahn ist, bei genauerer Betrachtung, ein komplexes kleines Organ, zusammengesetzt aus verschiedenen Hart- und Weichgeweben. Die mineralisierten Gewebe – Schmelz, Dentin und Zementum – umschließen dabei das Weichgewebe der dentalen Pulpa. Über eine Öffnung am Apex steht dieses mit den umliegenden Gewebestrukturen in Verbindung. Entwicklungsgeschichtlich sind Pulpa und Dentin eng miteinander verbunden, da nach erfolgter Zelldifferenzierung ektomesenchymaler Zellen zu sogenannten Odontoblasten diese Zellen beginnen, Dentin zu bilden und somit das Weichgewebe oder Endodont einzumauern. Dabei hinterlässt jeder Odontoblast einen Zellfortsatz im Dentin, das dadurch bedingt eine tubuläre Struktur aufweist. Aufgrund dieser engen Verbindung spricht man auch vom Pulpa-Dentin-Komplex. Und das Dentin ist, ähnlich dem Knochen, als vitales Gewebe zu sehen.

Heutiger Stand der Wurzelkanalbehandlung

Wird aufgrund von äußeren Einflüssen, meist Karies oder Trauma, der schützende Hartgewebsmantel teilweise zerstört, kommt es über das Eindringen von Bakterien sowie deren Toxinen zur Entzündungsreaktion im Pulpagewebe, was bei fortdauernder und übermäßiger Reizeinwirkung oder ausbleibender therapeutischer Intervention zur Gewebszerstörung und Nekrose führt.

Das Ziel einer endodontischen Therapie besteht nun darin, irreversibel geschädigtes oder nekrotisches Pulpagewebe zu entfernen, die Zahl der Bakterien im Wurzelkanalsystem durch Desinfektion ausreichend zu dezimieren und den entstehenden Hohlraum anschließend mit einem Wurzelfüllmaterial zu verschließen. Dadurch soll eine weitere Ausbreitung von Mikroorganismen verhindert sowie eine Ausheilung der beteiligten Gewebsstrukturen ermöglicht und der Zahn möglichst langfristig in der Mundhöhle erhalten werden. Als Wurzel- kanalfüller dienen hierbei synthetische Materialien, zumeist Guttapercha in Kombination mit einem härtenden Sealer. Dadurch ist in über 90 Prozent der Fälle ein Zahnerhalt möglich [Fleming CH, Litaker MS, Alley LW, Eleazer PD, 2010], jedoch geht mit dem Verlust des Endodonts auch dessen Funktion verloren, darunter die Innervation und Befeuchtung des Dentins, die immunologische Abwehrleistung, die Schmerzweiterleitung sowie die Bildung von Reiz- oder Reparaturdentin.

Der Erhalt einer vitalen Pulpa ist insbesondere bei jugendlichen Zähnen mit nicht abgeschlossenem Wurzelwachstum kritisch, da mit deren Verlust, meist nach Trauma, auch das Wurzelwachstum zum Erliegen kommt. Dabei erschwert der weit offene Apex mit dünn auslaufenden, frakturanfälligen Dentinwänden die suffiziente Wurzelkanalfüllung erheblich. Das bisher geläufige Therapiekonzept der Apexifikation, durch die im apikalen Bereich eine Hartgewebsbarriere induziert werden soll, ist zeitaufwendig und führt auch bei erfolgreichem Abschluss zumeist zwar zu einer Verdickung der Dentinwände, nicht jedoch zu einer Zunahme des Wurzellängenwachstums.

Durch die rasche Entwicklung regenerativer Strategien im Bereich des Tissue Engineering gibt es mittlerweile Bestrebungen, diese Neuerungen auch in der Zahnheil-kunde gewinnbringend einzusetzen. Derzeit wird aktiv an der Entwicklung von Verfahren geforscht, durch die zukünftig die Wurzelkanalbehandlung in der heutigen Form zumindest in ausgewählten Fällen durch regenerative Verfahren verdrängt werden könnte.

Regeneration und Tissue Engineering

Die beiden Begriffe Regeneration und Tissue Engineering sind voneinander abzugrenzen. Regeneration bezeichnet die Fähigkeit des Organismus, verloren gegangenes oder verletztes Gewebe zu ersetzen und die Gewebefunktion wiederherzustellen. Hierbei wird eine Restitutio ad integrum erreicht.

Im Gegensatz dazu ist das Tissue Engineering ein hochgradig interdisziplinärer Wissenschaftsbereich, der vor 25 Jahren definiert wurde als „die Anwendung der Prinzipien und Methodik der Ingenieurs- und Lebenswissenschaften zur Erlangung eines grundlegenden Verständnisses der Beziehung zwischen Struktur und Funktion in physiologischen und pathologisch veränderten Geweben, welches der Entwicklung bioloischer Ersatzgewebe dienen kann, um die Organfunktion wiederherzustellen, zu erhalten oder zu verbessern“ [Skalak R, Fox CF, 1988].

Dem Tissue Engineering liegt das Konzept zugrunde, (Stamm)Zellen mit einem geeigneten Trägermaterial zu kombinieren und mithilfe von Wachstumsfaktoren Zelldifferenzierung und Gewebebildung zu induzieren. Postnatale Stammzellen zum Einsatz in der regenerativen Medizin können mittlerweile aus einer Vielzahl von Geweben isoliert werden [Van Blitterswijk C, 2008].

Dreidimensionale Zellverbände können entweder direkt in den Wirtsorganismus transplantiert oder zunächst in Zellkultur zur Gewebebildung gebracht und anschließend in den Körper transplantiert werden. Mithilfe des Tissue Engineering können derzeit bereits verschiedenste Gewebe gezüchtet werden; hierzu gehören Blutgefäße, Haut, Knochen und Knorpel, Strukturen des Nervensystems, aber auch Organsysteme wie Trachea, Blase, Darm oder Pankreas [Van Blitterswijk C, 2008]. Als Träger steht eine Vielzahl an natürlichen und synthetischen Materialien zur Verfügung, die je nach Anwendungsbereich spezifisch ausgewählt werden können. Während natürliche Materialien wie Fibrin, Kollagen oder zellfreie Extrazellulärmatrix der physiologischen Umgebung der Zellen eher entsprechen, bieten synthetische Biomaterialien den Vorteil, Parameter wie Molekulargewicht der Ausgangssubstanz, Festigkeit, chemische Zusammensetzung oder Bioabbaubarkeit genau kontrollieren zu können. Wachstums- und Differenzierungsfaktoren spielen für das Tissue Engineering eine zunehmende Rolle, und gewebsspezifische Signalmoleküle können mit dem Trägermaterial in situ gebracht werden. Dabei werden zunehmend Mechanismen entwickelt, die eine Einbindung sowie eine verzögerte und kontrollierte Freisetzung dieser Faktoren ermöglichen.

Mit der Isolation dentaler Stammzellen aus der Pulpa bleibender Zähne [Gronthos S et al., 2000] im Jahr 2000 wurde auch im Bereich der Zahnheilkunde vermehrt daran geforscht, diese Zellen für regenerative Zwecke einzusetzen. Diese Stammzellen, die nur einen geringen Prozentsatz der Gesamtpopulation der Pulpazellen aus- machen, können mittels verschiedener Verfahren herausselektiert werden. Bei Gewebeschädigung mit Verlust Dentin-bildender Odontoblasten wie bei der exponierten Pulpa vermitteln diese Zellen Regeneration und Heilung. Angelockt von chemotaktischen Signalmolekülen, die im entzündeten Gewebe freigesetzt werden, können sie migrieren, sich am Ort des entzündlichen Geschehens teilen und vermehren und zu Odontoblasten differenzieren. Es kommt zur Ausbildung einer Dentinbrücke, die als aktive Abwehrleistung der Pulpa zur Abgrenzung gegenüber Noxen oder Bakterien zu werten ist. Im Umgang mit dentalen Pulpastammzellen wurde deren Potenzial zur Differenzierung in verschiedene andere Gewebe nachgewiesen, darunter Knorpel, Knochen, Muskel- und Fettgewebe [Gronthos S et al., 2000; Miura M et al., 2003]. Somit besteht die berechtigte Hoffnung, diese Zellen gewinnbringend zur Regeneration der dentalen Pulpa einsetzen zu können.

Pulparegeneration in der Forschung

Bereits vor der Isolation dentaler Pulpastammzellen wurden erstmals Versuche zur Züchtung von Pulpagewebe in vitro durchgeführt, wobei Pulpafibroblasten auf verschiedene Trägermaterialien aufgebracht wurden. Nach 60 Tagen hatte sich auf einem Polyglykolsäurenetz ein dreidimensionaler Zellverband gebildet, während Kollagen- und Alginat-Träger für das Zellwachstum weniger geeignet schienen [Mooney DJ, Powell C, Piana J, Rutherford B, 1996; Bohl KS, Shon J, Rutherford B, Mooney DJ,1998]. Mittlerweile werden zunehmend vielversprechende Berichte zur Pulparegeneration publiziert. Mittels eines Zahnscheibenmodells konnte in einer aufsehenerregenden Publikation gezeigt werden, dass die Züchtung dentalen Pulpagewebes möglich ist [Cordeiro MM, 2008] (Abbildung 1). Pulpastammzellen aus Milchzähnen wurden in einem Polylactid-glycolid (PLGA)-Trägermaterial in die leere Pulpakammer der Scheiben eingebracht. Diese wurden bei immundefizienten Mäusen für einen Zeitraum von vier Wochen subkutan transplantiert. Nach dieser Zeitspanne hatte sich innerhalb der Dentinscheibe ein vaskularisiertes, Pulpa-ähnliches Gewebe gebildet. Die dem Dentin anliegenden Zellen waren zu Odontoblasten differenziert und exprimierten das dentinspezifische Dentin Sialoprotein (Dsp).

Des Weiteren konnte nachgewiesen werden, dass die Zellen neues, tubuläres Dentin an die bestehende Dentinwand der Zahnscheibe absonderten. Der Nachweis der Dentinbildung gelang mittels einer Serie von Tetrazyklin-Injektionen, die bei den Versuchstieren als Linien nachweisbare Störungen der Hartsubstanzbildung hervorrufen. Diese Linien waren an den Zähnen der Versuchstiere sowie an den implantierten Zahn-scheiben nachweisbar [Sakai VT et al., 2010]. Ähnliche Versuche wurden mit dentalen Pulpastammzellen in PLGA durchgeführt, wobei jedoch anstatt der Zahnscheiben Dentinzylinder verwendet wurden. Diese wurden auf einer Seite mit einem bioaktiven Zement (MTA) verschlossen, was die Situation im Wurzelkanal imitieren sollte. Vier Wochen nach subkutaner Transplantation waren auch hier Pulpa-ähnliches Gewebe und Dentinbildung nachweisbar [Huang GT et al., 2010]. Eine japanische Arbeitsgruppe entwickelte ein Versuchsmodell am Hund, wobei in diesem Fall eine angiogene Subpopulation von dentalen Pulpastammzellen anhand von Oberflächenmarkern aus der Gesamtzellpopulation herausselektiert wurde. In einer ersten Versuchsreihe wurde an Hundezähnen eine Pulpotomie bis zum Pulpakammerboden durchgeführt. Der Hohlraum wurde daraufhin mit angiogenen Pulpastamm- zellen in einem Kollagen-Trägermaterial gefüllt und koronal verschlossen. Bereits 14 Tage später war Gewebeneubildung nachweisbar, und nach 60 Tagen war die Pulpakammer mit vaskularisiertem Gewebe gefüllt, das vom restlichen, ursprünglichen Pulpagewebe nicht zu unterscheiden war [Iohara K et al., 2009]. In einer Nachfolgearbeit wurden Zähne am Hund extrahiert, trepaniert, der Wurzelkanal aufbereitet, die Wurzelspitze um einen Millimeter (mm) gekürzt und die Öffnung am Apex auf 0,8 mm Durchmesser erweitert. Daraufhin wurde die apikale Hälfte des Wurzelkanals mit einem Kollagenträger und den Stammzellen gefüllt, der koronale Anteil mit Material ohne Zellen, aber beschickt mit dem chemotaktisch wirkenden Wachstumsfaktor SDF-1 (stromal cell-derived factor 1).

Die Zähne wurden daraufhin replantiert, und nach 14 und 60 Tagen erfolgte die histologische Untersuchung der extrahierten Zähne. Wurzelkanal und Pulpakammer waren mit Pulpa-ähnlichem Weichgewebe gefüllt [Nakashima M, Iohara K, 2011] (Abbildung 2). Mit immun-histochemischen Verfahren konnten Blutgefäße und sogar Nervfortsätze nachgewiesen werden. Diese Arbeiten zeigen auf eindrucksvolle Weise, dass die Regeneration der Pulpa nach Transplantation eines mit dentalen Stammzellen und Wachstumsfaktoren beladenen Trägermaterials prinzipiell möglich ist.

In eigenen Arbeiten beschäftigen sich die Autoren insbesondere mit Trägermaterialien (Scaffolds). Während konventionelle Trägermaterialien wie Polyether (PLA, PGA) oder Kollagen für das Tissue Engineering prinzipiell gut geeignet sind, wird die Strategie verfolgt, mittels eines individualisierten, bioaktiven Trägermaterials Zellverhalten und -differenzierung zu optimieren. Ausgangsmaterial ist ein peptidbasiertes Hydrogel. Kurze Peptidmoleküle mit einer definierten Aminosäuresequenz können durch mole- kulare Selbstorganisation (Self-Assembly) nanofibröse Strukturen bilden, dadurch Wasser binden und Gele bilden.

Zellen können problemlos in diese Hydrogele eingesät werden. Ausgehend von einer Peptidsequenz konnten diese durch Inkorporation einer enzymatisch spaltbaren Sequenz und eines Zelladhäsionsmotivs bioaktiv und bioabbaubar gestaltet werden [Galler KM, Aulisa L, Regan KR, D’Souza RN, Hartgerink JD, 2010]. Durch die Einbindung verschiedener Wachstumsfaktoren zur Stimulation der Gefäßeinsprossung und der Differenzierung der eingesäten Zellen wurde das Material weiter modifiziert. Dentale Pulpastammzellen wurden mit diesem bioaktiven Gel kombiniert, in Dentinzylinder eingebracht und subkutan bei immun- defizienten Mäusen implantiert. Nach fünf Wochen konnte ein vaskularisiertes, Pulpa-ähnliches Weichgewebe nachgewiesen werden [Galler KM, Hartgerink JD, Cavender AC, Schmalz G, D’Souza RN, 2012].

Die Vorbehandlung des Dentins war hierbei jedoch von Bedeutung: Dentinzylinder, die zur Desinfektion für zehn Minuten in fünfprozentigem Natriumhypochlorit gelagert wurden, zeigten eine Resorption des oberflächlichen Dentins durch die eingesäten Zellen. In einer zweiten Gruppe, in der das Dentin nach Desinfektion mit 17-prozentigem EDTA oberflächlich demineralisiert worden war, fand Zelldifferenzierung entlang der Dentinwand statt. Die dem Dentin anliegenden Zellen exprimierten das dentin-spezifische Dentin Sialoprotein. Des Weiteren erstreckten sich Zellfortsätze in die vorhandenen Dentintubuli (Abbildung 3), so wie es physiologischerweise im Dentin vorzufinden ist. Hierfür ausschlaggebend ist die durch das EDTA ausgelöste Freisetzung von Wachstumsfaktoren, die mit der Dentinbildung im Hartgewebe eingemauert werden und zu einem späteren Zeitpunkt durch Demineralisation mobilisiert werden können.

Pulparegeneration in der Klinik

Parallel zu den vielversprechenden Ansätzen in der Forschung wurden in den vergangenen zehn Jahren klinische Fallberichte publiziert, die eine Regeneration der Pulpa bei jugendlichen Zähnen mit nicht abgeschlossenem Wurzelwachstum beschreiben [Banchs F, Trope M., 2004; Jung IY, Lee SJ, Hargreaves KM 2008; Petrino JA et al. 2010]. Nach erfolgter Desinfektion des Wurzelkanals ist dem klinischen Protokoll dieser Fälle die Provokation einer Einblutung gemeinsam. Nach Spülung des Wurzelkanals mit Natriumhypochlorit und Einbringen einer medikamentösen Einlage wurde in einer zweiten Sitzung durch mechanische Irritation oder Überinstrumentierung eine Einblutung in den Wurzelkanal erzeugt und der Zahn bakteriendicht verschlossen. Das Blutkoagel im Wurzelkanal dient hierbei als Leitschiene für die Geweberegeneration, die ein Fortschreiten des Wurzelwachstums und eine Einengung des Wurzelkanals entsprechend dem physiologischen Ablauf ermöglicht. Dabei konnte sogar bei Fällen mit ausgeprägten periapikalen Läsionen mit der Zeit eine Ausheilung beobachtet werden. Genauere Kenntnisse der zugrunde liegenden Biologie lassen vermuten, dass es durch die Einblutung zugleich zur Einschwemmung von Stammzellen aus der apikalen Papille der sich bildenden Zahnwurzel kommt. Diese Zellen bilden im heranreifenden Zahn Wurzelpulpa und Wurzeldentin und können in dieser besonderen Situation auch Pulpagewebe regenerieren [Lovelace TW, Henry MA, Hargreaves KM, 2011].

Obwohl diese Ansätze vielversprechend sind, liegen bis dato ungenügende Fallzahlen vor, die für die Festschreibung klinischer Leitlinien nötig sind. Es werden jedoch derzeit klinische Studien durchgeführt, in denen die vorhandenen Protokolle optimiert werden. Parallel dazu wird der Einfluss einzelner Parameter und Behandlungsschritte in vitro auf ihre Wirksamkeit getestet.

Aktuelle Ansätze

Zur Entwicklung neuer Therapieansätze zur regenerativen Endodontie ist eine Zusammenarbeit von Klinik und Forschung unerlässlich. Tiermodelle zeigen, dass es möglich ist, durch das Einbringen eines mit Pulpastammzellen beladenen Trägermaterials eine Regeneration der Pulpa zu erzielen. Die Transplantation von Stammzellen ist jedoch mit etlichen Problemen behaftet, hierbei sind insbesondere Entnahmezeitpunkt, Lagerung, In-vitro-Zellkultur und Rückführung in den Patienten zu nennen. Vorsichtigen Schätzungen zufolge würde sich demnach die Regeneration einer Zahnpulpa auf etwa 40 000 Euro beziffern. Vereinfachte und schnellere, nicht-invasive Verfahren zur Stammzellisolation könnten neue Wege eröffnen, es bleibt jedoch auch hierbei das Kosten-Nutzen Verhältnis abzuwägen.

Einfachere Verfahren wären mittels zellfreier Therapieansätze denkbar, wobei über bioaktive Trägermaterialien körpereigene ortsständige (Stamm)Zellen rekrutiert und in den Wurzelkanal gelockt werden könnten. Durch die Einbindung chemoattraktiver Signalmoleküle und bestimmter Wachstumsfaktoren könnten diese Zellen migrieren, proliferieren und differenzieren. Während die beschriebenen klinischen Protokolle Regeneration bewirken können und – wenngleich zunächst unbewusst – mit ortsständigen Stammzellen arbeiten, folgen sie nicht dem Prinzip des Tissue Engineering. Der Einsatz optimierter, speziell für die Pulparegeneration entwickelter Biomaterialien könnte die Erfolgsquote regenerativer Therapien verbessern. Eine Ausdehnung solcher Therapieansätze auf Zähne mit abgeschlossenem Wurzelwachstum wäre wünschenswert. Bei reversibel entzündeter Pulpa könnte im Sinne einer Pulpotomie unbeschädigtes Gewebe belassen werden, das einen Pool von Stammzellen beherbergt, von denen Regeneration ausgehen kann. Zuträglich wäre hierbei die Entwicklung von diagnostischen Hilfsmitteln, die klinisch eine Unterscheidung von reversibel und irreversibel entzündeten Bereichen ermöglicht. Denkbar wären beispielsweise im Dentinliquor vorhandene Entzündungsmarker. Erste Ansätze existieren bereits, so konnte gezeigt werden, dass in entzündlich verändertem Pulpagewebe eine Gewebsprotease, MMP-9, nachgewiesen werden kann [Zehnder M, Wegehaupt FJ, Attin T., 2011]. Bei Zähnen mit abgeschlossenem Wurzelwachstum und gegebenenfalls peri-apikaler Läsion bleibt der zukünftige Ein- satz regenerativer Verfahren fraglich. Es ist jedoch auch in diesen Fällen denkbar, durch Einwanderung von Zellen aus der periapikalen Region Gewebeneubildung zu erzielen. Die bisher gängigen Protokolle zur Wurzelkanalbehandlung werden hierbei voraussichtlich vom Behandler in abgewandelter Form anzuwenden sein.

Zusammenfassung und Ausblick

Als häufigste endodontische Therapie zum Zahnerhalt wird standardmäßig die Wurzelkanalbehandlung einschließlich der Obturation des Wurzelkanalsystems mittels eines synthetischen Materials durchgeführt. Neue Erkenntnisse aus Klinik und Forschung geben jedoch Grund zur Annahme, dass eine Regeneration der dentalen Pulpa im Sinne des Tissue Engineering möglich sein könnte. Ergebnisse aus dem Bereich der Grundlagenforschung zeigen, dass dentale Stammzellen nach Einsaat in ein geeignetes Trägermaterial Pulpagewebe und tubuläres Dentin bilden können. Klinische Fallberichte beschreiben ein Prozedere bei jugendlichen Zähnen mit nicht abgeschlossenem Wurzelwachstum, das nach Provokation einer Einblutung in den Wurzelkanal zur Regeneration der dentalen Pulpa mit Fortschreiten des Wurzelwachstums und sogar zur Ausheilung ausgedehnter periapikaler Läsionen führen kann. Diese Entwicklungen lassen einen Paradigmenwechsel im Bereich der Endodontie erwarten, nach dem regenera-tive Behandlungskonzepte in ausgewählten Fällen zunehmend in den klinischen Alltag Einzug halten könnten.

PD Dr. Kerstin GallerPoliklinik für Zahnerhaltung und ParodontologieUniversitätsklinikum RegensburgFranz-Josef-Strauss Allee 1193053 Regensburg

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