Kooperationsverträge zwischen Zahnärzten und Pflegeeinrichtungen

Die Zahl der Abschlüsse steigt

Zum 1. April 2014 ist die Rahmenvereinbarung zwischen KZBV und dem GKV-Spitzenverband zur Umsetzung der gesetzlichen Regelungen nach § 119 b SGB V in Kraft getreten. Zahnärzte können seitdem spezielle Kooperationsverträge mit stationären Pflegeeinrichtungen abschließen. Nach einem halben Jahr ist die Zeit reif für eine erste Bilanz und Einblicke in ausgewählte Regionen.

Durch das Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz (PNG) wurden die §§ 87 Abs. 2j und 119b Abs. 2 SGB V neu eingefügt. Die Bundesmantelvertragspartner, also KZBV und GKV-Spitzenverband, wurden zunächst beauftragt, im Benehmen mit den Vereinigungen der Träger der Pflegeeinrichtungen sowie den Verbänden der Pflegeberufe auf Bundesebene Anforderungen an eine kooperative und koordinierte zahnärztliche und pflegerische Versorgung von pflegebedürftigen Versicherten in stationären Pflegeeinrichtungen zu vereinbaren. Auf der Grundlage von Kooperationsverträgen zwischen Vertragszahnärzten und stationären Pflegeeinrichtungen, die den Anforderungen dieser Rahmenvereinbarung auf Bundesebene entsprechen, können danach seit dem 1. April zusätzliche Leistungen für eine aufsuchende Versorgung abgerechnet werden.

Die jüngste Koordinierungskonferenz für Alters- und Behindertenzahnheilkunde in Berlin hat gezeigt, dass die Vertragsdichte bundesweit divergiert. Die zm hat daraufhin in einzelnen Versorgungsbezirken und bei Vertretern der Pflegeverbände recherchiert.

Heterogene Entwicklung in den Versorgungsbezirken

So wurden etwa im Versorgungsgebiet der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Mecklenburg-Vorpommern (KZV M-V) bisher 32 Kooperationsverträge abgeschlossen (Stand Anfang September). Claudia Mundt, Juris- tische Beraterin der KZV M-V, erklärt: „Dabei verwenden unsere Zahnärzte fast ausschließlich den zur Verfügung gestellten Mustervertrag. Probleme hinsichtlich der Abrechnung der Gebührenziffern haben sich bislang nicht ergeben. In der Abrechnungsabteilung liefen bislang überwiegend Fragen zu den neuen Gebührenziffern von Zahnärzten auf, die den Abschluss eines entsprechenden Vertrags planen.“ Allerdings sei hier zu berücksichtigen, dass bislang nur die Abrechnung aus einem Quartal vorliegt. Mundt nimmt an, dass die Kooperationsverträge weit überwiegend zwischen Vertragspartnern geschlossen wurden, die bereits vorher zusammengearbeitet haben. Die Nachfrage von Pflegeheimen nach interessierten Zahnärzten liege derzeit bei null.

Dr. Ute Maier, KZV-Chefin in Baden-Württemberg, erklärt sich die Tatsache, dass noch nicht in allen Bundesländern die Verträge entsprechend stark nachgefragt werden, so: „Dies ist sicherlich unter anderem dem Umstand geschuldet, dass die Rahmenvereinbarung erst kurz vor Inkrafttreten unterschrieben wurde und deshalb erst relativ spät eine eingehende Information der Zahnärzteschaft erfolgen konnte. Sieht man jedoch die täglich steigende Zahl der Abschlüsse, so bin ich zuversichtlich, dass wir innerhalb eines Jahres unserem Ziel einer flächendeckenden Versorgung deutlich näherkommen. Allerdings dürfen wir uns auf diesem ersten Baustein nicht ausruhen. Unser nächstes Ziel muss die intensivere Betreuung von pflegebedürftigen und behinderten Menschen außerhalb von stationären Einrichtungen und eine deutlich frühere Betreuung bereits zu Beginn der Pflegekarriere sein.“ Die KZV Baden-Württemberg verzeichnet 54 abgeschlossene Verträge.

Im Nachbarbezirk Rheinland-Pfalz wurden 19 Kooperationsverträge zwischen Zahnärzten und Pflegeheimen geschlossen. „Hier erwarten wir in den kommenden Monaten aber einen deutlichen Schub“, erklärt Sanitätsrat Dr. Helmut Stein, Vorstandsvorsitzender der Landes-KZV. Gleichzeitig weist er darauf hin, dass laut einer durch die KZV initiierten Umfrage bereits über 630 Zahnärzte Patienten in einem oder mehreren der rund 450 Pflegeheime ohne Kooperationsvertrag betreuen würden.

Mit der Pflegegesellschaft Rheinland-Pfalz e.V. habe man sich auf eine Umsetzungsvereinbarung verständigt. Diese werde in Kürze unterzeichnet und enthalte dann eine Empfehlung zur Kooperation von Pflege-heimen und Zahnärzten.

In Hamburg leistet ein Kollege Großes

Auch in den urbanen Versorgungsbezirken gibt es unterschiedliche Entwicklungen. So lagen der KZV Hamburg zum 10. September 13 Verträge zwischen Vertragszahnärzten und Pflegeheimen vor. Für sämtliche Verträge wurden Abrechnungsgenehmigungen erteilt, berichtet deren Justitiar Jan Oliver Jochum. Zwei Kooperationsverträge hätten demnach unmittelbar am 1. April 2014 begonnen, die weiteren wurden zu einem späteren Zeitpunkt genehmigt. Die 13 Pflegeheime werden demnach von fünf Vertragszahnärzten beziehungsweise Praxen betreut. Jochum erklärt: „Beachtlich ist, dass ein Vertragszahnarzt insgesamt fünf Pflegeheime betreut, von denen sich vier in Niedersachsen befinden.“ Eine flächendeckende Verbesserung der Betreuung von Pflegeheimen habe sich in Hamburg bisher nicht ergeben. „Vielmehr konzentriert sich das [...] derzeit auf einige wenige Praxen, die angesichts ihrer personellen Ausstattung mehrere Pflegeheime betreuen können“, bilanziert der Hamburger Justitiar.

Zahlreiche Verträge in Berlin abgeschlossen

Von Hamburg ist es nicht sehr weit nach Berlin. Zum Vergleich: Bis zum 10. September wurden dort 42 Kooperationsverträge im Sinne des Paragrafen 119b SGB V genehmigt. „Derzeit gibt es insgesamt 285 stationäre Pflegeeinrichtungen im Sinne von § 71 Abs. 2 SGB XI im Land Berlin. In Anbetracht der überaus kurzen Geltungsdauer, [...] der im Zusammenhang mit dem Abschluss eines Kooperationsvertrags abrechenbaren (besonderen) Bema-Leistungspositionen für die kooperative und koordinierte zahnärztliche und pflegerische Versorgung von pflegebedürftigen Versicherten in stationären Pflegeeinrichtungen möchte ich derzeit von einer Bewertung absehen“, konstatiert der Leiter der Abteilung Vertragswesen der KZV Berlin, André Neubacher. Umsetzungsprobleme zeigten sich in der Hauptstadt Neubacher zufolge seitens der Pflegeeinrichtungen. So hätte ein großer Pflegebetreiber geplant, die Kooperation von der Zahlung einer Aufwandsentschädigung für die Pflegeeinrichtung abhängig zu machen. Als Gründe wurden die Terminierung und die Organisation genannt. Um die Akzeptanz der Pflegeeinrichtungen zu erhöhen, initiert die KZV Berlin gerade einen Runden Tisch. Hierzu habe man alle großen Berliner Betreiber von stationären Pflegeeinrichtungen kontaktiert. Neubacher weist darauf hin, dass die KZV Berlin nur im Bereich der Primärkassen und da auch nur stark eingeschränkt auf die Bema-Positionen 154 (Bs4), 155 (Bs5), 171 (PBA1a, PBA1b), 172 (SP1a – SP1d) und 182 (KslK) eine extrabudgetierte Vergütung auf dem Verhandlungsweg vereinbaren konnte. Im Ersatzkassenbereich betreffe dies lediglich die Bema-Positionen 171 (PBA1a, PBA1b) und 172 (SP1a – SP1d). Eine reine Einzelleistungsvergütung erhalte der behandelnde Zahnarzt für die AuB-Behandlung nicht kassenartenübergreifend. Eine bundeseinheitliche Verfahrensweise wäre im Hinblick auf die gesundheitspoli- tische Zielrichtung der AuB-Behandlung zu begrüßen, erklärt Neubacher.

Pflegeverbände sehen erste Verbesserungen

Auch die Pflegeverbände ziehen Bilanz. So erachtet es der Deutsche Caritasverband als einen Anfangserfolg, dass bis zum 1. August bereits 699 Kooperationsverträge zur zahnärztlichen Versorgung von Menschen in Pflegeheimen abgeschlossen wurden. „Die Kassenzahnärztlichen Vereinigungen sind in der Pflicht, die zahnärztliche Versorgung auch von pflegebedürftigen Menschen sicherzustellen. Wir begrüßen es daher, wenn die KZVen in den einzelnen Regionen die dort ansässigen Zahnärzte weiterhin motivieren, auf die stationären Pflegeeinrichtungen zuzugehen und für Vertragsabschlüsse unter Vorstellung ihres Leistungsportfolios zu werben“, erklärt die Referentin im Berliner Büro der Caritas, Dr. Elisabeth Fix. Der von der KZBV bereitgestellte Mustervertrag biete dafür eine gute Grundlage. Politik, Verbände und Pflegeeinrichtungen hätten ein hohes Interesse an der Verbesserung der Zahn- und Mundgesundheit von pflegebedürftigen Menschen. Wesentlich hierfür sei der Hausbesuch des Zahnarztes. Fix: „Für Koordination und Kooperation zwischen Arzt und Pflegekräften entstehen jedoch den Einrichtungen Kosten. Dieser Mehraufwand muss ihnen refinanziert werden“, fordert die Vertreterin der Caritas.

Anne Linneweber vertrat in den Vorgesprächen bei der KZBV vor dem 1. April den Paritätischen Gesamtverband. Dieser begrüßt die Bestrebungen der Politik sowie der KZBV, die ärztliche Versorgung pflegebedürftiger Menschen zu verbessern. Linneweber: „Der Abschluss von Rahmenvereinbarungen auf Bundes- und Landesebene bilden eine gute Grundlage für Kooperationen vor Ort. Dies bestätigt die steigende Zahl von Kooperationsverträgen. Gleichzeitig muss darauf geachtet werden, dass die freie Arztwahl gewährleistet ist.“ Ihr Verband regt an, ausrangierte, aber funktionierende Zahnarztstühle an Pflegeeinrichtungen abzugegeben.

Analog zur Caritas erklärt auch Linneweber: „Da die Arztbesuche auch Personal der Pflegeeinrichtungen verpflichten und binden, muss hierfür ein finanzieller Ausgleich gewährt werden. Es ist nicht plausibel, weshalb Ärzten eine zusätzliche Vergütung für Leistungen im Rahmen der Kooperationsverträge zusteht und Pflegeeinrichtungen die für sie hieraus entstehenden Kosten aus den regulären Pflegesätzen refinanzieren müssen.“ Ein weiteres Problem betreffe die Versorgung von Pflegebedürftigen in der eigenen Wohnung. Auch diese Menschen hätten ein Recht auf eine umfassende ärztliche Versorgung, würden jedoch durch die bisherigen Kooperationsverträge nicht erreicht. Hierfür müssten noch Lösungsmöglichkeiten erörtert werden.

Sicht der Spitzenverbände

Und wie fällt die Bilanz der zahnärztlichen Spitzenverbände aus? „Grundsätzlich ermöglichen die auf Basis der Rahmenvereinbarung abzuschließenden Kooperationsverträge eine routinemäßige Eingangsuntersuchung sowie weitere regelmäßige Untersuchungen zur Feststellung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten bei Patienten in Pflegeheimen. Der Zahnarzt kann für jeden pflegebedürftigen Patienten den Pflegezustand und den Behandlungsbedarf anhand eines vorgefertigten Formblatts dokumentieren und das Pflegepersonal entsprechend individuell instruieren. Das ist aus fachlicher Sicht zu begrüßen, denn so ist eine strukturierte präventive und therapeutische Betreuung der Heimbewohner möglich“, erklärt Prof. Dietmar Oesterreich, Vizepräsident der Bundeszahnärztemammer.

Die KZBV hebt besonders die bisherigen Bemühungen der Zahnärzteschaft, KZVen und Kammern im Versorgungsbereich der aufsuchenden Betreuung hervor. Vor dem Hintergrund bislang getätigter Vertragsabschlüsse in den Ländern bestehe aber weiterhin erheblicher Handlungsbedarf. Der KZBV-Vorstandsvorsitzende Dr. Wolfgang Eßer erklärt: „Vor der Rahmenvereinbarung gab es keinen einzigen Kooperationsvertrag.

Durch weitgehend ehrenamtliches Engagement und ohne entsprechende Vergütung ist es den zahnärztlichen Kollegen dennoch gelungen, im Interesse der Patienten eine Versorgung in Pflegeheimen unter zum Teil widrigen Rahmenbedingungen aufzubauen beziehungsweise aufrechtzuerhalten. Dass die Kassen allerdings bis heute ihre Versicherten offensichtlich nicht oder zumindest nicht ausreichend über die neuen Leistungs- ansprüche informiert haben, enttäuscht mich sehr. Das ist ein untragbarer Zustand. Auch vonseiten des Bundesgesundheitsministeriums habe ich öffentliche Verlautbarungen zu diesem so wichtigen Thema bislang leider vermisst. Dabei kommt besonders dental-präventiven Maßnahmen beim Erhalt der Mundgesundheit und damit bei der Verbesserung der Lebensqualität eine entscheidende Rolle zu. Als Stichworte seien hier Kariesvorsorge und Zahnreinigung genannt.“ Angesichts der mittlerweile steigenden Zahl von Kooperationsverträgen vor Ort ist der KZBV-Chef jedoch zuversichtlich, dass in absehbarer Zeit jedes Krankenhaus und jede stationäre Pflegeeinrichtung eine qualifizierte und perspektivisch angelegte Betreuung finden kann, wenn Interesse an einer solchen Zusammenarbeit besteht. „Die Zahngesundheit betagter, multimorbider und pflegebedürftiger Menschen sowie von Menschen mit Behinderungen ist häufig immer noch deutlich schlechter als die der übrigen Bevölkerung. Daher nimmt die Zahnärzteschaft ihren Versorgungsauftrag bei der aufsuchenden Betreuung sehr ernst und erfüllt ihn jetzt und künftig mit vollem Einsatz“, so Eßer weiter. Versorgungs- und zugleich gesellschaftspolitisches Ziel bleibe es, allen Menschen über den gesamten Lebensbogen hinweg einen gleichberechtigten, barrierearmen Zugang zu einer in Deutschland besonders hochwertigen zahnmedizinischen Versorgung zu ermöglichen, die auch international jedem Vergleich standhält.

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