Patientenberatung der Körperschaften

Empowerment schafft Vertrauen

Behandlungsentscheidungen liegen nicht mehr ausschließlich in der Hand des Zahnarztes. Der Patient nimmt an dem Prozess teil. Wie können die Patientenberatungsstellen der zahnärztlichen Körperschaften die Autonomie des Patienten stärken und damit das Arzt-Patienten-Verhältnis verbessern? Eine neue Studie des Instituts der Deutschen Zahnärzte (IDZ) untersucht die aktuelle Beratungspraxis und gibt Antworten zum Stellenwert des Empowerments.

„Patienten-Empowerment“ - was ist das? Patienten-Empowerment ist integraler Bestandteil von Programmen zur Verbesserung der Patientenmitsprache. Allerdings ist die Definition des Begriffs „Patienten-Empowerment“ nicht direkt in die deutsche Sprache übersetzbar. Synonym verwendete Begriffe wie Patientensouveränität, Ermündigung, Einbeziehung von Patienten (in therapeutische Entscheidungen) versuchen, die neue Rolle des Patienten im Behandlungsgeschehen zu beschreiben. Die Wissenschaft versteht darunter sowohl den Prozess als auch das Ergebnis einer Stärkung der Handlungsmöglichkeiten. Empowerment zielt auf Ermutigung, die eigenen Fähigkeiten zu nutzen, um die jeweilige Lebenswelt aktiv mitzugestalten. Es geht darum, Bedingungen zu schaffen, damit Menschen sich selbst helfen können.

Das Thema wird auch im zahnärztlichen Bereich immer bedeutender. Zahnärzte und andere professionelle Helfer können Empowerment nicht selbst herstellen, sondern nur begleiten und unterstützen. Das flächendeckende Angebot an Patientenberatungsstellen der zahnärztlichen Körperschaften hilft, Ressourcen aufzubauen, so dass Patienten in die Lage versetzt werden, ihr krankheitsbezogenes Verhalten selbst zu bestimmen. Patientenberater können dabei Hilfe bereitstellen, Zugang zu Informationen schaffen, Probleme und Bedürfnisse erkennen und zur Selbsthilfe ermuntern.

Die Lebenswelt berücksichtigen

Um Fragestellungen rund ums Empowerment geht es in einer neuen Studie des Instituts der Deutschen Zahnärzte (IDZ-Information 2/2015 „Stellenwert der Empowerment-Perspektive bei der institutionalisierten Patientenberatung zahnärztlicher Körperschaften in Deutschland – Ergebnisse einer qualitativen Studie zur aktuellen Beratungspraxis“). Die Autoren, Prof. Dr. Michael Dick, Ina Wagner und Mareike Gerhardt von der Universität Magdeburg, erörtern, inwiefern durch eine patientenzentrierte Gesprächsführung die Lebenswelt der Patienten bei der Beratung berücksichtigt wird.

Die Studie untersucht das Potenzial, das die zahnärztliche Patientenberatung für eine nachhaltige Stärkung der Patienten und des Zahnarzt-Patienten-Verhältnisses bietet und zeigt den Beitrag der Patientenberatung zum Empowerment auf. Mit der Methodik der Gruppendiskussion wurden die praktischen Erfahrungen der Patientenberater der zahnärztlichen Selbstverwaltung dokumentiert, um das Grundverständnis der zahnärztlichen Patientenberatung in Deutschland aufzuzeigen.

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Der Patient wird in seiner Realität abgeholt

Die Patientenberatung erfüllt, wie die Studie herausarbeitet, zunächst die Aufgabe, die Patientenbeziehung zu stärken. Der Patient wird in seiner Realität abgeholt, Alternativen und Lösungsmöglichkeiten werden aufgezeigt und – wo nötig – wird das Vertrauensverhältnis zwischen dem Behandler und dem Patienten wiederhergestellt. Wichtig ist dabei die Haltung des Beraters: Der Patient soll sich ernst genommen fühlen, die Beratung soll ihn stärken und ermutigen. Dabei dominiert die patientenzentrierte Gesprächsführung, ein standardisierter Gesprächsablauf wäre aufgrund der Unterschiedlichkeit der Fälle und der Patienten nicht sinnvoll.

Die Untersuchung verweist auch darauf, dass die Patientenberatung eine gesellschaftliche Funktion erfüllt: Sie wird durch die Berater als Aufgabe der gesamten Profession wahrgenommen. Der Berufsstand wird repräsentiert durch die ausgleichende beratende Tätigkeit neben der des behandelnden Zahnarztes. Ein Teilnehmer der Gruppendiskussion formuliert es so: „[…], dass wir die Patientenberatung als Hilfestellung für den niedergelassenen Zahnarzt auch verstehen, nicht nur als Konfliktbewältigungs- und Clearingstelle, sondern als Möglichkeit, dem Zahnarzt vor Ort ein bisschen Beratungsleistung vielleicht abzunehmen, die er in seiner stressigen Haltung eben nicht hat. Wir sind da in der komfortablen Lage, dass wir da ein bisschen mehr Zeit haben“.

Daneben hat die Patientenberatung der Körperschaften vor allem auch eine Lotsenfunktion. Zitat aus der Gruppendiskussion: „Wir müssen ihm [dem Patienten] die Möglichkeiten aufzeigen, wir müssen ihn durchs System lotsen und das Angebot ihm zeigen, damit er sich zurechtfindet, weil das ist ganz schwierig“.

Nicht immer sei es in der Praxis möglich, dem Patienten ausreichend Raum und Zeit einzuräumen. In der Patientenberatung könne die unvollständige oder sogar missglückte Kommunikation mit dem Patienten fortgesetzt werden. Im Gespräch müsse dabei einerseits auf der Beziehungsebene emotionale Zuwendung zum Patienten erfolgen (empathische Komponente). Andererseits müsse zur Problemlösung die Situation sachlich analysiert und der Patient zum Ziel gelotst werden (analytische Komponente).

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Zum Kern des Problems kommen

Ein Teilnehmer formuliert dies so: „Dass man mehr herauskristallisiert, was möchte er und alles andere abspaltet, dass man zum Kernproblem kommt und dass man dann die sachliche Information zu gibt.“ Die Balance zwischen den beiden Komponenten sei also besonders anspruchsvoll und erfordere Fingerspitzengefühl sowie kommunikative Fähigkeiten.

Haben die Probleme des Patienten überwiegend emotionale Gründe, könne dies die Berater an ihre Grenzen bringen, wie die Studie deutlich macht. Nicht nur die Rollendehnung in den Bereich der Seelsorge, sondern auch in die Justiz – wenn Patienten rechtlich verbindliche Aussagen einfordern – werde als schwierig empfunden. Dazu ein Originalton aus der Gruppendiskussion: „Ich finde, [...] das Heikelste ist immer der heikle Ritt auf der Rasierklinge zwischen einer Rechtsberatung und einer zahnmedizinischen Beratung. Den Ritt da zu bewerkstelligen, ohne in ein Fettnäpfchen hineinzugeraten, ist fast unmöglich, man muss da schon klare Grenzen ziehen, bis wohin man den Patienten da wirklich noch beraten kann.“

Kümmern um Krisenfälle

Die Patientenberatung der KZVen und Kammern bearbeitet Krisenfälle, die sich zwischen der ungestörten Arzt-Patienten-Beziehung und der Bearbeitung außerhalb der Profession bewegen (siehe Abbildung). Wie die IDZ-Studie herausarbeitet, basiert eine ungestörte Beziehung zwischen dem Zahnarzt und dem Patienten auf gegen- seitigem Vertrauen, im Fall einer Krise kommt es jedoch zu einem fortschreitenden Vertrauensverlust. In der Patientenberatung werde versucht, dieses Vertrauen wiederherzustellen. Gleichzeitig werde der Behandler unterstützt, wenn die Zeit zur Abklärung von Erwartungen im Praxisalltag zu knapp sei oder wenn Patienten ein erhöhtes Informationsbedürfnis hätten.

Regelmäßig würden Fragen zu Kostenkontrolle und Therapiesicherheit, einfachen Verfahren und komplexen Problemlagen gestellt, oft wendeten sich auch psychisch auffällige Patienten oder solche, bei denen es zu einem Vertrauensverlust kam, an die Patientenberatungsstellen. Somit wird der Studie zufolge zum einen ein breiteres Spektrum vermittelt als in auf Sachinformationen ausgerichteten Internetforen.

###more### ###title### Eine gute Adresse auch für schwierige Fälle ###title### ###more###

Eine gute Adresse auch für schwierige Fälle

Auf der anderen Seite werde der Fall aber auch zwischen dem Patienten und der Zahnärzteschaft weiterbehandelt, bevor der Vertrauensverlust so weit fortgeschritten sei, dass eine Bearbeitung von Dritten, wie zum Beispiel der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland (UPD) oder der Justiz, erfolgen müsse. Offen bleibe, wann eine Empfehlung zur Patientenberatung gegeben werden kann, bilanzieren die Wissenschaftler in der Studie.

Noch immer sei die Beratung mit einem Vertrauensbruch assoziiert. Durch direktes Hinweisen auf das Beratungsangebot könne dem entgegengewirkt werden, zu offenes Hinweisen könne aber missverstanden werden, Angebote grundsätzlich prüfen zu lassen. Das Fazit der Studie: Die zahnärztliche Patientenberatung adressiert die mit dem Empowerment verbundenen Ziele umfassend. Vor allem die Berücksichtigung der Lebenswelt der Patienten und die Vermittlung und Entdeckung von Ressourcen würden explizit in der Patientenberatung der Körperschaften verfolgt. Die Beratung decke Bereiche in der Arzt-Patienten-Beziehung ab, die im Versorgungsalltag nicht oder nicht ausreichend zur Geltung kommen und ergänze das Versorgungsangebot vor allem im Bereich der komplexen und schwierigen Einzelfälle.

Dr. Nele KettlerReferat III: ProfessionsforschungInstitut der Deutschen Zahnärzte (IDZ)Universitätsstr. 73, 50931 Köln

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