Aus der Praxis

Wurzelresorptionen nach Frontzahntrauma

Max Lukas
,
Brita Willershausen
Eine 32 Jahre alte Patientin mit unauffälliger allgemeiner Anamnese stellte sich mit dem Wunsch nach einer Füllungstherapie und Überkronung der Zähne 12 bis 22 in der Poliklinik vor.

Nach einer im Jahr 2000 durchgeführten Umstellungsosteotomie des Unterkiefers war die Mundöffnung nicht für längere Zeit ohne Schmerzen möglich. Der Hauszahnarzt überwies die Patientin daraufhin in die Universitätszahnklinik Mainz. Die Zähne 11 und 21 zeigten Lockerungsgrad 2, wobei 21 auf den Sensibilitätstest positiv reagierte. Aufgrund von gräulich-dunklen Verfärbungen bei 12, 11 und 22 entstand bei der Patientin der Wunsch nach einer ästhetischen Neuversorgung.

In der angefertigten Panoramaschichtaufnahme (Abbildung 1) sowie in den Einzelzahnaufnahmen (Abbildungen 2 und 3) sowie in der zur erweiterten Diagnostik angefertigten digitalen Volumentomografie (Abbildung 4) zeigt sich an 11 eine um das röntgenopake Wurzelfüllmaterial resorbierte Wurzel mit in Achsrichtung des Zahnes im Knochen verbliebenem radioopakem Wurzelfüllmaterial. An Zahn 21 stellt sich eine ebenfalls eine auf circa die Hälfte der Länge der klinischen Krone verkürzte Wurzel mit kontinuierlichem Parodontalspalt bei durchgängigem Wurzelkanal und weitem Pulpakavum dar.

Auf Nachfrage gab die Patientin an, ein im Grundschulalter stattgefundenes Frontzahntrauma erlitten zu haben. Der Patientin wurden daraufhin der radiologische und der klinische Befund sowie die entsprechenden Behandlungsoptionen der Zähne mitgeteilt. Die fragwürdige Prognose der Zähne 11 und 21 wurde ebenfalls erörtert, die im jetzigen Zustand langfristig keine prothetische Suprakonstruktion zulassen. Die Patientin ist zur weiteren Behandlung nicht mehr vorstellig geworden.

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Diskussion

2,2 Prozent aller Kinder im Alter von acht bis zehn Jahren erfahren mindestens ein Frontzahntrauma, wobei diese häufiger draußen und in der Schule als zu Hause geschehen [Lexomboon et al., 2015]. Bei einem solchen Trauma können Hartgewebe sowie Pulpa- und Parodontalgewebe in Mitleidenschaft gezogen werden [Andreasen, 2003]. Eine Beschädigung der Zementoblastenschicht ist obligate Voraussetzung zum Eintreten einer externen Wurzelresorption [Hammarstrom, Lindskog, 1992].

Hieraus können unterschiedliche Arten von Wurzelresorptionen entstehen, die in qualitativer und in quantitativer Hinsicht stark differieren und die Prognose des entsprechenden Zahnes entscheidend beeinflussen können [Filippi et al., 2000]. Die entscheidenden Arten sind die Oberflächenresorption, die Ersatzgewebsresorption und die infektionsbedingte Resorption [Gunraj, 1999]. Es gibt sowohl permanente Formen der Wurzelresorption als auch transiente Formen [Majorana et al., 2003].

Den Beweis für eine erfolgte Wurzelresorption liefert oftmals eine radiologische Diagnostik. Diese sind für die Frühdiagnostik allerdings nur sehr schlecht geeignet, da Resorptionen oftmals erst sichtbar werden, wenn mindestens 50 Prozent der anorganischen Zahnhartsubstanz herausgelöst sind. Man entdeckt sie auch auf zweidimensionalen Röntgenaufnahmen, sofern sie aber in bukkopalatinaler Richtung liegen, kommen sie gar nicht zur Darstellung [Filippi et al., 2000].

Durch Eintreten eines Schadens des Desmodonts in Kombination mit einer Infektion der Pulpa kann eine entzündliche Resorption eintreten [Trope, 2000]. Durch ein apikales Abreißen der Pulpa mit großflächigen Zementdefekten unter Zerstörung des Präzements kommt es nach etwa einer Woche zur Nekrose der Pulpa. Die Toxine penetrieren die Dentinkanälchen, die die infektionsbedingte Wurzelresorption unterhalten [Filippi, 2012].

Eine Ersatzgewebsresorption mit konsekutiver Ankylose des Zahnes tritt bei steriler Nekrose des Desmodonts oft infolge von Intrusionen, aber auch infolge von Avulsionen ein. Sofern das Trauma und die Ankylose in einem jungen Alter eintreten, kommt es zur scheinbaren Infraokklusion des Zahnes bei fortwährendem Wachstum des umliegenden Kiefers und einem Sistieren des Wachstums im traumatisierten Gebiet ohne entzündliche Begleitreaktion [Lin et al., 2013]. Wenn eine entzündliche externe Wurzelresorption eintritt, ist die Wurzelkanalbehandlung zur Eliminierung von dem nekrotischen und bakteriellen Inhalt des Wurzelkanalsystems unter Zuhilfenahme desinfizierender Wurzelkanaleinlagen obligat [Cunha et al., 2011].

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Die Besonderheit

Im vorliegenden Fall liegt die Besonderheit darin, dass zwei beziehungsweise mehrere verschiedene Resorptionsarten bei einem Patienten und an ein und demselben Zahn vorliegen. So finden wir an Zahn 11 eine Wurzelkanalfüllung, wobei der Zahn in den apikalen zwei Dritteln um die Wurzelfüllung herum resorbiert ist. Zusätzlich zeigt sich hier eine weitestgehend irreguläre Konfiguration der Wurzeloberfläche. Es ist von einer initialen und mittlerweile stagnierten entzündlichen Resorption auszugehen, die durch eine insuffiziente Keimelimination der Wurzelkanalbehandlung eingetreten war. Zahn 21 zeigt eine auf die Hälfte der Länge der klinischen Krone verkürzte Wurzel bei bestehender Vitalität ohne Anzeichen umliegender Entzündungen oder aktuellen Anhalt auf Wurzelresorption. Hier kann von einem Stillstand des Wurzelwachstums und resorptiven Einflüssen ausgegangen werden.

Diesen Charakter spiegelt die abgerundete und homogene Wurzeloberfläche wider. In therapeutischer Hinsicht besteht keine Aussicht auf langfristigen Zahnerhalt. Die Möglichkeit des Belassens der Situation ist theoretisch denkbar, eventuell mit verblockten prothetischen Suprakonstruktionen.

Eine spätere Brückenversorgung oder eine implantatgestützte Versorgung nach Extraktion von 11 und 21 wäre zu diskutieren und im Sinne ihrer Nachhaltigkeit zu prüfen.

Max Lukas, Univ.-Prof. Dr. Dipl.-Chem. Brita WillershausenUniversitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität MainzPoliklinik für Zahnerhaltungskunde und ParodontologieAugustusplatz 2, 55131 Mainzmax-lukas@hotmail.de

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